Langversion: Die KUPF macht sich selber schwach

Stefan Haslinger im Gespräch mit Georg Ritter, langjähriger Kunst- und Medienaktivist der Linzer Stadtwerkstatt, und kritischer Beobachter der KUPF, anlässlich des 20 Jahre Jubiläums der KUPF.
Dies die Langversion des Interviews, die Kurzversion wurde in der KUPF-Zeitung Nr. 118 veröffentlicht.

Du bist seit Anfang der 80er Jahre in der Stadtwerkstatt aktiv. Wie hast du die Gründung der KUPF miterlebt, bzw. was waren die Gründe, warum die Stadtwerkstatt bis heute nicht Mitglied der KUPF ist?

Das wesentliche für unsere Auffassung in den 80ern, auch im Gegensatz zur KUPF war, dass wir uns in der Stadtwerkstatt als Kunstarbeiter verstanden haben, und weniger als Kulturaktivisten. Deswegen war für uns die KUPF anfänglich viel weiter weg. Wir haben uns dem Kulturbegriff in erweitertem Sinne genähert, haben aber von unserer Auffassung her ganz anders gehandelt. Nicht nur das Haus sondern auch die Stadt, später auch der mediale Raum waren Aktionsfeld. Alle unsere Tätigkeiten waren Kunst. Wir haben aus einem künstlerischen Moment, aus einer sozialen Plastik heraus gehandelt, und weniger aus einem Funktionärswesen. Für uns war das Tun und Handeln entscheidend. Ein reiner Kulturaktivismus war nicht unsere Sache. Wir haben eher die Tendenz verfolgt uns in der Künstlerschaft , für gesellschaftliche Belange stark zu machen, und diese in einen öffentlichen Diskurs zu stellen. Dabei aber immer wieder auf eine künstlerische Strategie aufbauend. Das war vielleicht der wesentlichste Unterschied zu einem Kulturveranstalterverständnis. Wir haben unsere kulturellen Aktivitäten anfänglich nur als strategische Maßnahmen gesehen. Uns ging es in Linz nicht darum Veranstalter zu werden, uns ging es darum mit Mitteln der Kunst vorhandene Themen im öffentlichen Raum unter Ausschöpfung aller relevanten Möglichkeiten zu bearbeiten. Natürlich war es notwendig in Linz Kulturprogramm zu machen, das als solches nicht vorhanden war und abgegangen ist.

Ging es dabei auch um die Diskussion urbaner Raum vs. Region, und damit verbunden auch die Verteilungsfrage. Ist das ein realer Konfliktfall?

 

 

 

Zu so einer Debatte habe ich nie einen Anlass gesehen, und sehe ihn auch heute nicht. Ich sehe vielmehr Anlass darüber zu reflektieren, in wie weit die KUPF von dem was sie repräsentiert abgedriftet ist. Die Frage wäre also, in wie weit die KUPF selbst eine urbanes „Kulturbüro“ geworden ist, und in ein Funktionärswesen eingetreten ist. Hat die KUPF ihr ursprüngliches Kulturarbeitersein verlassen, den handelnden Menschen verlassen, und ist zum Funktionär mutiert? Hier liegt eine gewisse Problematik, die man kritisch durchleuchten kann. Es muss angeschaut werden, welche Funktion die Kultur am Land hat, wie das bewertet werden kann. Wie schaut tatsächlich der Geldfluss, den du ansprichst zwischen Kulturinitiativen in den Regionen, der Stadt, und auch der KUPF selbst aus?
Wir haben aus unserer Kritik an so einer „Wasserkopf-Vertretung“ heraus, also alles auf gewählten Strukturen aufzubauen, auf Beschäftigung, auf Personale einen anderen Weg bei der Gründung des offenen Forum freie Szene Linz gewählt. Durch die Organisation der Linzer Szene, mit dem Offenen Forum Freie Szene, wo wir bewusst null Strukturen gelegt haben. Es ging bei uns nur um die Freiwilligkeit und die Zusammenkunft. Es wurde sehr ökonomisch vorgegangen. Das Positionspapier war die Arbeitsübereinkunft, die Versammlung waren die Absprachen, und die Arbeit ist in den bestehenden Organisationen abgewickelt worden. Jeder konnte kommen und mitbestimmen. Wir haben gesagt, solange die bestehenden Einrichtungen so stark sind, tragen sie auch den gemeinsamen Diskurs. Ein wesentlicher Punkt dabei war, einen adäquaten Geldfluss herzustellen für die politischen Belange, die Trägerschaft dafür auf die bestehenden Häuser zu übertragen, und die Übereinkunft zu diesem Prozess zu organisieren. Das war ein Gegenmodell zur KUPF, wobei ich jetzt nicht sagen will, dass das eine schlecht ist und das andere gut. Jedes dieser Werkzeuge hat unterschiedliche Potentiale und hat unterschiedliche Auswirkung und Fähigkeiten.

Es ging um Verweigerung von Strukturen, um bewusst einen Aktionsradius zu erhalten, der der KUPF abhanden gekommen ist?

Wir haben immer auf Politisierung gesetzt. Es gibt nur eine Grundlage für die Zusammenarbeit, nämlich die Kulturförderung im städtischen Raum massiv zu verändern. Es gibt nicht tausende kleine Geschäftsfelder die zu bestellen sind, sondern es gibt eine Arbeitsübereinkunft. Das war notwendig nachdem auf Stadt und Landesebene eine völlige Stagnation eingetreten ist, und nichts mehr zu bewegen war. Es ging darum eine neue Stufe einzuführen, um zu erwirken, dass neue Projekte überhaupt eine Zuschlag kriegen, und die bestehen Einrichtungen verstärkt gefördert werden. Wir haben rein aus dieser Bedarfsorientierung, aus diesem politischen Kern heraus gehandelt. Das war keine Standesvertretung, und das ist von der KUPF oft missverstanden worden, oder als Konflikt dargestellt gewesen, dass das offene Forum die Arbeit von der KUPF übernommen hätte. Wir haben lediglich eine Übereinkunft organisiert um einen größtmöglichen Konsens herzustellen, ein Arbeitspapier zu machen, um das zu politisieren.

Ein heftiger Konflikt war immer, sobald das offene Forum sich in die Landeskulturpolitik „eingemischt“ hat.

Die KUPF hat hier eine kurzsichtige Platzhirschenvorstellung. Natürlich haben wir auch mit dem Land verhandelt. Der Vorwurf von mir an die KUPF ist, dass wir mit ihrer Zustimmung eine Arbeitsübereinkunft getroffen haben, und ich darum gebeten habe nicht die Linie zu verlassen. Nicht heute den Topf morgen den Topf fordern, sondern zu versuchen eine wirkliche Konzentration aufzubringen. Das ist das Allerschwierigste, und das Manko und Dilemma in der Kulturarbeit, dass sich kaum ein Thema organisieren lässt, um es auf einen breiteren Konsens zu heben. Alles ist so diversifiziert, in alle Richtungen zersträubt, alles ist in Partikularinteressen aufgeteilt, und gemeinsamen Interessen werden nicht formuliert. Ich habe immer dafür plädiert, kein Chanell-Hoping zu machen, also heute so und morgen. Die größte Schwierigkeit ist doch, ein Thema zu bündeln, um es überhaupt durchsetzbar zu machen. Dazu bedarf es kontinuierlicher Arbeit, ein Festhalten an der Sache, und ein immer wieder gegenseitiges Absprechen der taktischen Vorgehensweise. Ich kann nicht mit vielen kleinen Stecknadeln das Terrain abstecken, sondern ich muss diese vielen Stecknadeln auf einem Punkt ansetzen um etwas zu bewirken. Das Vereinfachen, das Überschaubar und Nachvollziehbarmachen, das übereinheitliche Auftreten und Agieren ist die absolute Notwendigkeit.

Aber dieses wie du sagst Vereinfachen und Überschaubarmachen, ist bei Organisation wie der KUPF in der jetzigen Form nicht so einfach.

Warum nicht? Meine Kritik an der KUPF ist ja genau, dass hergegangen und versucht wird verschiedene Themen zu besetzen. Einmal drängt die KUPF in den Bildungsbereich vor, einmal in den Behindertenbereich, einmal in den migrantischen Bereich. Das Besetzen solcher Themen wird aber in allen andren Bereichen gemacht, es ist alles so crossover, und es geht noch einen Schritt weiter. Die etablierten Einrichtungen haben auch kritische Themen die sie behandeln, wo man thematisch unter Umständen gar nicht mithalten kann. Kritische Themen gibt es am Landestheater genau so, sie finden überall statt. Auch die neuen Formen der Kultur werden im etablierten Bereich adaptiert. Wo bleiben die Strategien, wo bleibt die Kritik? Es wird für alle immer schwieriger sich abzugrenzen, und deswegen glaube ich muss man dort ansetzen wo man ursprünglich hergekommen ist. Nicht nur mit einer Kritik an der Gesellschaft sondern mit der Förderung einer politischen Kultur, die in der Praxis so nicht stattfindet. Hier müsste man ansetzen, und sich auch gegenüber der „Hochkultur“, gegen die man ursprünglich angetreten ist eine gewisse Opposition zu bewahren. Da wird ein Musiktheater gebaut in Linz und man steht völlig blank daneben. Da wird ein riesiger AEC-Zubau gemacht ohne irgendeinen Diskussionsprozess. Ich denke es gibt im kulturellen Feld einen großen Bedarf an einem Diskussionsprozesses.

Das heißt, dass ein grundlegendes Probleme der KUPF in der Vielfalt der Themenfeldern liegt?

Die KUPF macht sich hier selber schwach. Ein Beispiel: Die KUPF beginnt die prekären Arbeitsverhältnisse zu thematisieren und zu kritisieren, und hat ja ein völliges Dilemma in dieser Frage. Sie stellt sich hier selbst ins Eck gestellt, weil sie ja selber kein Lösungsmodell hat, für das wozu sie selbst beigetragen hat. Mitunter sind die Kulturarbeiter die Speerspitze bei der Einführung dieser prekären Arbeitssituationen gewesen. Das Motto „less income – more experience“ als selbstauferlegte Forderung und Lebenspraxis wurde zur Vorbildwirkung für Industriekonzerne, die von ihren Mitarbeitern dasselbe einfordern. Jetzt führt die KUFP hier also eine Diskussion über ihr eigenes Dilemma und diese Diskussion finde ich irrsinnig fade. Bis heute gibt es auch nur die leiseste Antwort, und ich glaube auch dass hier keine Antwort zu finden ist. Man muss sich viel genauer und radikaler anschauen, warum man es in Kauf nimmt hier Vorbildwirkung zu produzieren. Und die Frage muss auch sein welche Themen es sind, die die Leute motivieren auf mehr Einkommen zu verzichten, bzw. ob es diese Themen überhaupt noch gibt. Das fände ich hochinteressant zu untersuchen, die Motivationslage der Einzelnen, warum sie sich in so einem System bewegen wollen. Sitzt man hier nicht einer riesengroßen Illusion auf?

Ist das ein Vorwurf, dass die KUPF sich zuwenig an der Praxis orientiert, und zu institutionalisiert agiert?
 

Es wäre interessant zu wissen, ob es möglich wäre die Strukturen der KUPF niederzufahren, und die vorhandenen Gelder in Projekte umzusetzen, als Denkmodell zumindest. Dadurch könnte die Arbeit auch an die Bedürfnisse der Basis gekoppelt werden, und gleichzeitig genau das erreicht werden, worum man ja krampfhaft bemüht ist, nämlich Aufklärungsarbeit in den Kulturinitiativen zu machen. Die frei werdenden Mittel könnte investiert werden, damit bei den Initiativen wirklich gearbeitet werden kann, mit öfteren Treffen, oder durch die Rückwirkung, dass man ein gemeinsamer Körper ist. So wie es jetzt ist, hat man das Gefühl, da oben sitzt wer, die machen das schon. Das strahlt ja nicht auf die Eigenverantwortlichkeit der einzeln Bereiche aus.

Du gehst also davon aus, dass durch diese Strukturierung der KUPF das Engagement bei den Kulturinitiativen verloren geht.

Ja logisch. Weil die Verantwortung abgetreten ist. Das praktiziert die KUPF aber auch wiederum selbst beim Innovationstopf. Man hat versucht das Instrument Innovationstopf so anzulegen dass Strukturen verbessert werden können, und teilweise ist der Innovationstopf aber zur Kunstprojektförderung mutiert. Hier hat sich die KUPF immer auf eine Stellvertreterposition verlegt. Die KUPF sagt, wir machen einen offene Jury, und holen irgendwelche Leute die sollen unser Problem lösen, und das ist das seltsame für mich. Mit dem Innovationstopf müsste man sich überlegen wo man wirklich die Hebel ansetzt, wo Veränderungen gewünscht sind, und was machbar ist. Bei der Positionierung solcher Instrumente muss genau hingeschaut und analysiert werden, um eine entsprechende Vorgehensweise festzulegen.

Du wirfst der KUPF also vor, dass sie sich aus der Verantwortung stiehlt, und das kulturpolitische Instrument Innovationstopf nicht ausreichend verwendet.

Ich glaube die KUPF sollte gerade stehen für das was sie macht wirklich lenkend etwas tun mit dem Geld. Der Innovationstopf hat sich als Aufgabe gestellt Impulse zu setzten, und dem muss scharf nachgekommen werden.

www.stwst.at

Stefan Haslinger ist Geschäftsführer der KUPF – Kulturplattform OÖ und im Vorstand der IG Kultur Österreich.

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