Anatol Bogendorfer berichtet über die Hintergründe einer Solidaridätsaktion der Freien Linzer Szene.
Die Freie Linzer Kulturszene rief am 21. Mai zu einer Kundgebung am Linzer Hauptplatz auf. Unter dem Motto „Luxus für Alle“ erklärte man sich nicht nur solidarisch mit den streikenden ArbeitnehmerInnen in Österreich, sondern artikulierte in festlichem Rahmen auch die eigenen Forderungen an jene Sozialgemeinschaft, deren Eckpfeiler der Staat, also diese Regierung und seine Vorgänger, mit Biegen und Brechen aus der Verankerung zu heben versucht, um ein neues Fundament für den raschen Turmbau zu Neoliberalismus und Kapitalismus zu schaffen. Das Thema „Streik“ und sein Quasi-Revival nach 50 Jahren beschäftigte die Organisatoren im Vorfeld der Veranstaltung, welche in vielerlei Hinsicht als gelungen gelten darf.
Dieses Mal wurden also die Bemühungen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, einen Streik in Österreich zu inszenieren, von den Kulturschaffenden, die sich am 6. Mai zu einem spontanen Treffen im Streikcafé vor der Stadtwerkstatt einfanden, begrinst und nicht belächelt. Zur Erinnerung: Seit fünfzig Jahren gab es keine branchenübergreifenden Streiks in Österreich. Der ÖGB wurde als Sozialpartner unter den sozialdemokratischen Regierungen zum Langzeitnickerchen verdonnert und fand auch nach dem Regierungswechsel 2000 in schlaftrunkenem Zustand scheinbar keinen Anlass, einen Streik auszurufen. Jetzt ging’s um und an die Pensionen. In Österreich wurde gestreikt. Die Anwesenden der Freien Kulturszene machten sich schnell klar, dass es bei einer Solidaritätsaktion, die als Thema hier und bei weiteren Treffen im Raum stand, nicht alleine um die Pensionsreform gehen kann. Diese in einem übergeordneten Kontext als Teil des fortschreitenden Sozialabbaus und als weiteren Programmpunkt in der neoliberalen Reality-Soap zu verstehen, machte ebenso Sinn wie die Streikaktivitäten des ÖGB als Ausgangspunkt zu nehmen um wieder einmal gemeinsam in der Öffentlichkeit zu protestieren, etwas zu demonstrieren, zu fordern und sich vor allem zu solidarisieren.
Was wollen denn die Kultur-Hansln da schon wieder? Eine berechtigte Frage, wohl doch. In atypische und langfristig ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse hineingepresst, nimmt das Dasein der vielen KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen doch eine Vorreiterrolle für ein Modell ein, das es nicht anzustreben, sondern gegen das es zu protestieren gilt. Aufgezeigt, demonstriert wird logischerweise auf der Straße und im öffentlichen Raum. Geschwiegen im Bundeskanzleramt, dessen Inhaber die Bevölkerung zu jenem Mob degradiert, der Wirtschaft und katholischen Frieden lyncht. Und die Subventionsgeber hätten, bittschee, aber auch lieber, wenn die Kulturschaffenden schöne österreichische Kultur machen und zum Thema Politik besser die Gosch’n halten. Nix da. Und so stellte auch z.B. Udo Danielczyk (KUPF) in seiner Rede klar, dass „sich freie Kulturarbeit unter anderem als politische Kraft versteht und die Partizipation einer breitest möglichen Öffentlichkeit sucht, ….dass freie Kulturarbeit lebendig und widerspenstig statt statisch und opportun verfährt.“
Ein Grundsatz, der verdeutlichen soll, warum es am 21. Mai, inmitten der politischen Debatte um die Pensionsreform und die dadurch erwirkten Streiks, zu einer politischen Kundgebung am Hauptplatz kam, die von vielen einzelnen Kunst- und Kulturschaffenden und nahezu allen unabhängigen Kulturinitiativen in Linz organisiert und inhaltlich aufbereitet wurde. Das kulturelle Rahmenprogramm wurde von Konzerten der Bands Ensenada, Grant Royal, der Linzer Philharmonie, Texta und Louie Austen und weiters von Kunstaktionen der Vereine Frohsinn, Niemand und Medea bestimmt. Souverän moderierten die Veranstaltung Gabi Kepplinger und Kurt Holzinger (beide Stadtwerkstatt), die in erster Linie auch auf die aufgestellten inhaltlichen Forderungen der freien Szene eingingen. Von Schüssels und Grassers Albträumen wie u. a. „Wertschöpfungsbezogene Sozialversicherungsbeiträge“, „Grundeinkommen von 1000 Euro für alle“, „Wahlrecht für alle in Österreich lebenden Menschen“ und „Erfüllung des Sozialstaats- und Frauenvolksbegehrens“ war die Rede.
Luxus für Alle. Luxus, weil es keinen Anschein hat, dass all diese Minimal-Forderungen nur ansatzweise in Zukunft und speziell bei dieser Regierung Gehör finden werden und als Nicht-Luxus, aber Minimum für die Vorraussetzungen eines „sozialen Friedens“ gelten dürfen. Das Gespenst eines möglichen, wenn auch nicht anvisierten Popfestivals ist schnell verflogen. Die Veranstaltung stellte mit den vielen Redebeiträgen auch eine spontane und zeitlich begrenzte Plattform für Menschen dar, die in einer Turbo-Speed Gesellschaft noch Zeit haben, sich eine Meinung zu bilden und somit den weiteren Luxus genießen, diese auch kundtun zu können. Eine Plattform aber vor allem für jene, die sich in Zeiten der Entsolidarisierung solidarisch zeigen wollen. Einige Hundert kamen. Der Hauptplatz füllte sich gut. Keine Rede nun davon am Ende dieses Aufsatzes wie wirkungsvoll diese Veranstaltung gewesen sein kann. Die Regierung fickt uns nach wie vor. Richtig formulierte Kurt Holzinger: „Die Solidarität muss die Zärtlichkeit der Menschen in diesem Land sein!“