Blaues Wunder Wels

Seit 2015 regiert in Wels die FPÖ. Ein kritischer Blick hinter die Stadtpolitik ausgehend von einem Anlassfall: Zu Jahresbeginn wurde ein Sicherheitsgipfel gefordert – als Reaktion auf „Silvesterkrawalle“ von Jugendlichen in den Welser Stadtteilen. Wie kümmert sich die Stadt um ihre Jugendlichen und wie ginge es besser? Von Ralf Drack.

Wels hat sich seit 2015 verändert

Es ist schön, dass wieder mehr Menschen in die Welser Innenstadt strömen. Es ist schön, dass der öffentliche Raum hübscher geworden ist. Es ist schön, dass unser Bürgermeister Dr. Andreas Rabl (FPÖ) Schwung in die Stadt gebracht hat. Es ist schön, dass die Stadt keine Schulden hat und Jahr für Jahr Gewinne schreibt. Und es ist schön, wenn die Welser*innen auf sich stolz sein können. Die FPÖ kann gut Marketing machen. Als Wirtschaftspartei hat sie gelernt, Produkte zu verkaufen. Sie setzt den Staat ein, um Werbung in eigener Sache zu machen. Das ist in einer Welt der Egoman*innen nachvollziehbar und in einem gewissen Ausmaß tragbar. Neben den Glanzlichtern gibt es jedoch eine weitere Realität: die soziale Situation der Menschen in den Welser Stadtteilen. Nicht zuletzt die Stadtteilumfragen 2023 haben soziale Herausforderungen sichtbar gemacht. Der Wunsch nach mehr Miteinander ist groß.

Die Sorge um Wels

Im Sozialbereich gibt es auf vielen Ebenen akuten Handlungsbedarf. Wels ist bei wesentlichen Sozialindikatoren Schlusslicht im oberösterreichischen Zentralraum: Arbeitslosigkeit unter Migrant*innen, das Bildungsniveau der Jugendlichen, Wartezeit bei der Sozialhilfe, Gewalt und (Verhaltens-)Süchte, Rückgang der Wahlbeteiligung – bei den Gemeinderats- und Bürgermeister*innenwahlen 2021 gab es in Wels einen Rückgang von 12,5 %. 41,6 % gingen nicht zur Wahl.
Gleichzeitig passieren in den Stadtteilen Silvesterproteste, Bombendrohungen und Mobbing an den Schulen. Das Abwirtschaften von Genossenschaftswohnungen in den Stadtteilen Noitzmühle oder Gartenstadt zieht die Menschen weiter runter. Im Schmutz zu hausen bewirkt keine Stabilisierung. Die Gewaltdelikte sind in Wels stark angestiegen. Das Rasereiproblem ist nach wie vor ungelöst. Es gibt in Wels 200 Wegweisungen wegen innerfamiliärer Gewalt pro Jahr und die Hochsicherheitsrisikofälle sind massiv gestiegen. Es gibt viele offene Baustellen auf gesellschaftlicher Ebene. Beispielsweise bei der Armutsbekämpfung. Hier schwächelt das Team der FPÖ. Im Bereich Integration und Jugendpolitik ist die Situation besorgniserregend. Darüber ist wenig zu hören.

Abwärtsspiralen

Richtig ungesund wird es, wenn keine Kritik mehr durchdringt, vorhandene Probleme totgeschwiegen oder mit dem medialen Bulldozer niedergewalzt werden.
Die zahlreichen Aussendungen der städtischen Öffentlichkeitsarbeit informieren nicht über die reale Situation der Menschen. Sie erschöpfen sich in der ‚politischen‘ Praxis, Eitelkeiten zu pflegen. Unbekümmert verfestigen sich Verwahrlosung und Kriminalität. Die Möglichkeiten für die Politik, Einfluss zu nehmen, werden geringer, wenn sich Menschen zunehmend abwenden oder untergehen. Suizidzahlen steigen. Eine drastische Realität unterhalb des medialen Radars.

Politische Praxis

Für die FPÖ ist wie für alle Neoliberale der Mensch in erster Linie ein Kostenfaktor bzw. „Leistungs“erbringer*in. Die FPÖ spart im Sozial- und Bildungsbereich, da gesellschaftliche Komplexität nicht zur Denke gehört. Die Gesellschaft selbst gerät dabei zunehmend unter Druck. Das hat machtpolitische Gründe. Verelendung und Verunsicherung sind beste Voraussetzungen für Populismus. In einer brodelnden Gesellschaft gibt es ausreichend „Material“, um auf der emotionalen Klaviatur die Menschen mit Dissonanzen zu paralysieren. Videoüberwachung gehört für Bürgermeister Rabl und Jugendreferent Kroiss zum Programm, weil sie keine nachhaltigen Lösungen bringen, sondern vielmehr den Status quo festigen. Polizist*innen sind mit sozialen Problemen überfordert. Sie wurden ausgebildet, Verbrecher*innen zu fangen und nicht Konflikte zu lösen.
Im Sozial- und Jugendbereich wurden vorhandene Budgetmittel nicht ausgeschöpft. Die Politik der FPÖ hat mit „Effektivität, Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit“ die Stadt in eine soziale Schieflage gebracht. Während die wohlhabende Stadt in große Bauvorhaben investiert, werden die Sorgen der Menschen immer größer.

Beispiel Jugendarbeit
Im Bereich der Jugendarbeit ist es seit 2015 zu einem massiven Rückschritt gekommen:

●  3 Jugendtreffs wurden geschlossen: Lichtenegg, Gartenstadt und D22 im Stadtzentrum. 2023 war zudem der Jugendtreff in der Vogelweide aufgrund fachlicher Probleme nahezu ganzjährig geschlossen. Von 11 Planposten waren nur mehr 5 besetzt. 2019 hat nach über 10 Jahren Stillstand wieder ein Jugendtreff in der Noitzmühle eröffnet.
●  Der Personalstand beim Welser Jugendstreetwork wurde 2017 um die Hälfte reduziert.
●  Die Jugendherberge am Gelände des Alten Schl8hofs Wels wurde 2016 geschlossen.
●  Die Etablierung eines Jugendrates (2011–2020) ist gescheitert.
●  Der Jugendmasterplan 2025 von SPÖ, Grüne und ÖVP wurde vom Jugendreferenten Kroiss (FPÖ) im Ausschuss versenkt.
●  Die Jugendstudie 2023 wurde mangelhaft umgesetzt.
●  Die städtischen Jugendarbeiter*innen werden für betriebsfremde Tätigkeiten eingesetzt. Sozialeinrichtungen warnen: Die psychischen Erkrankungen (und Suizide) nehmen immer mehr zu. Die Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen steigen. Der offenen Jugendarbeit der Stadt Wels fehlt ein fachliches Konzept und die jungen Menschen leiden. Ein FPÖ-Blaulichtgipfel packt die Probleme nicht an der Wurzel. Die beste Kriminalprävention ist eine fundierte Sozialpolitik. Die Fürsorge und eine Aufwertung der Care-Arbeit ist ein Gebot der Stunde.

Wie ginge es besser?
Kommunale Care-Arbeit braucht:
→ Kostenlose Sozialarbeit und Psychotherapie für Menschen in Not
→ Ausweitung der Familienhilfen
→ Präventive Unterstützungen
→ Gemeinwesenarbeit
→ Sozialmonitoring und nachhaltiges Reagieren auf soziale Bedarfe

Sofortmaßnahmen für den Bereich Jugend (Jugendmasterplan 2025)
→ Professionalisierung der Jugendarbeit
→ Aufsuchende Jugendsozialangebote mit Kontinuität
→ Ein Jugendzentrum pro Stadtteil
→ In jedem Stadtteil Hobbyräume für Jugendliche zum Musikmachen, Partys feiern, Ausleben der Kreativität
→ Gendersensible Jugendbefragungen
→ mehr Budgetmittel für Jugendarbeit

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