Wer fühlt sich für Care-Arbeit verantwortlich und was ist Care-Arbeit überhaupt? Wie beeinflusst sie mein Leben? Was muss ich über das Patriarchat wissen? Eine Reflexion von Monika Andlinger, die spät aber doch im Kulturbereich gelandet ist.
Während einerseits unter Care-Arbeit innerhalb von Familienzusammenhängen im Sprachgebrauch häufig Tätigkeiten in der Hausarbeit, der Betreuung von Kindern und der Pflege von Angehörigen verstanden werden, kann Sorgearbeit andererseits alle Tätigkeiten des Sorgens und Sich kümmerns bedeuten. Darunter fallen auch organisatorische Tätigkeiten, wie Termine bei Ärzt*innen, Geschenke oder Urlaube zu planen. Diese meist ungesehene Last der Verantwortung tragen, obwohl diese Themen vermehrt offen besprochen werden, vor allem Frauen – wie ich. Wie konnte das passieren?
Gesellschaftlicher und eigener Anspruch
In meiner Kindheit in einer Pflegefamilie sollte ich verständnisvoll und dankbar sein, sonst käme ich in ein Kinderheim. Ich wuchs außerdem in dem Glauben auf, zwar klug im Sinne von gebildet, aber ohne Hausverstand und daher für den Arbeitsmarkt untauglich zu sein. Trotzdem oder gerade deswegen habe ich durchgesetzt, Matura zu machen. Über ein Studium habe ich mich ohne Unterstützung nicht drüber getraut. Die damals erträumte Karriere habe ich nie gemacht und bin bei Bürotätigkeiten gelandet. Das Gefühl des Versagens begleitete mich und wurde ab der Geburt der Kinder besonders schlimm. Ich wollte alles perfekt machen, jeden Tag rund um die Uhr für die Familie da sein und gleichzeitig ein eigenes Einkommen verdienen. Meine eigenen Träume verschwanden immer weiter hinter einem Nebel aus Nicht-Dürfen und Sicher-nicht-Können. Dabei wäre ich so gern ein gutes Vorbild gewesen!
Was ich heute weiß
Heute weiß ich, dass ich ein gutes Vorbild gewesen bin! Auch, wenn ich Fehler gemacht habe, habe ich alles getan, was ich zu der Zeit tun konnte. Auch, wenn ich für mein eigenes Empfinden spät dran war, habe ich schließlich Unterstützung in Anspruch genommen und kämpfe gegen meine Ängste und negativen Glaubenssätze, die ich großteils in meiner Kindheit gelernt habe, an. Vor mir liegt noch ein langer Weg, doch viele Schritte sind schon gegangen. Ich weiß ganz sicher, dass ich noch immer viel Sorgearbeit leiste und mich die Gesellschaft dafür verantwortlich fühlen lässt. Ich fühle mich für meine Familie zuständig, aber nun immer mehr auch für mich selbst. Ich weiß nun, dass ich nicht perfekt sein muss, um ein gutes Vorbild zu sein.
Was der Kulturbereich dazu beigetragen hat
Für Kultur war in meiner Kindheit kein Platz. In der Schulzeit lernte ich Bücher lieben, las und schrieb gerne, wusste aber beruflich nichts damit anzufangen. Mein Interesse ist nie erloschen und so habe ich mich zu einem Fernstudium der Kulturwissenschaften entschlossen, vor dessen Abschluss ich aktuell gerade stehe. Begonnen habe ich damit, nachdem ich mein ältestes Kind bei seiner Berufs- bzw. Ausbildungswahl unterstützt hatte und nicht mehr mit Überzeugung sagen konnte: “Du kannst alles werden, was du willst!” Im Schwerpunkt Literaturwissenschaft wurden unter anderem die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen thematisiert. Dadurch wurden und werden mir die überwältigenden Ausmaße und Dynamiken bewusst(er). In Hinblick auf meine eigene Geschichte ergibt sich eine Kombination aus sozialisierten, persönlichen und gesellschaftlichen Problemen, die ich verinnerlicht habe und noch nicht vollkommen trennen und auflösen kann. Vielleicht wird mir das in diesem System auch nicht ganz gelingen. Denn viele meiner Probleme sind offenbar in der Gesellschaft weiter verbreitet und in ihr stärker verankert als ich dachte. Das klingt einerseits traurig, andererseits heißt es: Es gibt viele Mitstreiter*innen!