Produktive Reflexion!

Nachschau auf die Veranstaltungsreihe »Kulturarbeit im Gespräch« von Stefan Haslinger.

 

Wir sind alle ständig produktiv! Ein Satz, den Dario Azzelini 2003 in eine Diskussion eingeworfen hat, und der seit dem nichts an seiner Problematik verloren hat. Das Problem an dieser Feststellung liegt darin, dass bei ständiger Produktivität das Getriebensein überhand nimmt, und der Raum für Reflexion abhanden kommt.

Reflexionsräume Im Rahmen der Kampagne „Kulturarbeit ist Arbeit“ wurde von der KUPF in enger Kooperation mit regionalen Kulturinitiativen versucht, solche Reflexionsräume zu schaffen. Im Rahmen von 3 Veranstaltungen sollte die Möglichkeit geboten werden, die eigene (Kultur)Arbeit zu reflektieren, einen Austausch zu finden, und diese Nachdenkarbeit auch öffentlich zu machen. Nachdenkarbeit, alleine das Wort lässt schon auf einen – der Kulturarbeit immanenten – Widerspruch schließen. Der gängige Arbeitsbegriff wird nach wie vor über den Produktions- oder Dienstleistungssektor verhandelt. Nachdenk- bzw. wie es Rolf Schwendter formulierte „Reflexionsarbeit“ ist nichts Bewertbares, und darum auch nichts wert. Diesen Umstand haben Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre in ihrem Aufsatz zur Broschüre „Kultur. Arbeit. Misere“1 aufgegriffen und abschließend festgestellt: „Kulturarbeit ist immer Arbeit. Wenn sie öffentlich wird, sich also der Öffentlichkeit stellt und von dieser auch wahrgenommen wird, dann ist sie Arbeit an der Gesellschaft. Und die muss sich eine Gesellschaft auch etwas kosten lassen.“

Diese Kostenfrage war eines der zentralen Themen aller drei Veranstaltungen die in Steyr (Kulturverein Röda2), Ried (Literaturnetzwerk Innviertel3) und Ebensee (Frauenforum Salzkammergut4) durchgeführt wurden. Doch wurden die Kosten nicht nur über finanzielle Zuwendungen verhandelt, sondern durchaus ein abstrakterer Blick gewählt. Denn bevor es dazu kommt, dass reelle Kosten verursacht werden, braucht es vorab ein politisches Bekenntnis, eine politische Willenserklärung, dass diese Arbeit an der Gesellschaft, wie sie Kulturinitiativen tagtäglich leisten, auch ihrer Wert hat.

Politisches Gegenüber? Dieses Gegenüber – in Person von PolitikerInnen – fehlte bei allen drei Veranstaltungen. Daraus gleich zu schließen, dass Kulturarbeit im Kontext kommunaler Politik keine Stellenwert hat, wäre falsch, aber dass der Konfrontation gerne ausgewichen wird, ist auch auf Gemeindeebene ein Faktum. Aufgrund dieses Faktums fehlt, dann in der Diskussion einer der beiden Pole zwischen denen sich Kulturarbeit bewegt. Wenn auf der einen Seite die Gesellschaft steht, in welche sich KulturarbeiterInnen einmischen, die verändert werden soll, und wo Sensibilisierungsarbeit seitens der Initiativen passiert, dann muss auf der anderen Seite auch das politische Gegenüber sein, das dafür Sorge trägt, die Rahmenbedingungen adäquat zu gestalten.

Hier anknüpfend wäre auch die Frage zu stellen, wer Politik macht? Die KulturarbeiterInnen in den Regionen machen Politik, indem sie als GestalterInnen ihrer Umwelt agieren, und dabei ihre Inhalte, ihre Ideen kommunizieren und auf dem Weg zur Hegemonie sind. Rubia Salgado hat das in der Broschüre „Kultur.Arbeit.Misere“ auf den Punkt gebracht, und dafür plädiert, auf dem Weg zum Hegemonialen zu bleiben. „Wir wollen nicht im Hegemonialen ankommen. Es geht darum, auf dem Weg dorthin Spannung zu schaffen; sich in der Spannung zu bewegen. Also wirklich im Sinn von Macht als Spannung. Die Spannung soll erhalten werden!“

Gegenmodelle! Diese Spannung erhalten und erzeugen die regionalen Kulturinitiativen, sie agieren als Baustellen für Experimente, arbeiten an der Vernetzung unterschiedlichster gesellschaftlicher Bereiche. Dass dabei Ermüdungsserscheinungen auftreten, geht mit der (be)ständigen Produktivität einher. Dennoch wurde auf den drei Podien klar, dass es gerade in Zeiten mangelnder Auseinandersetzung, wo der schnelle Konsum vorherrscht, umso notwendiger ist, dass Kulturinitiativen in den Regionen Gegenmodelle zu diesen Trends entwickeln und umsetzen. In den Initiativen können andere Formen von Demokratie, andere Auseinandersetzungen mit Machtverhältnissen ausprobiert werden, sogar auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Um diese Möglichkeiten des Experiments aber zu gewährleisten, braucht es auch die Möglichkeit, eine Pause vom Produktionsalltag zu machen, und genau jene Reflexionsräume zu betreten, welche die Initiativen im Rahmen der drei Veranstaltungen aufgemacht haben. Die KUPF hat hier nur ein Angebot gestellt. Geschaffen wurden und werden die Räumen von den AktivistInnen vor Ort.

1 Folder Kulturarbeit 2 http://www.roeda.at 3 http://www.litnet.at 4 http://www.frauenforum-salzkammergut.at

Stefan Haslinger ist Teil der Geschäftsführung der KUPF und im Vorstand der IG Kultur Österreich und des KV waschaecht, Wels.

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