für die politische Kunst. Ein Rück- und Ausblick.
von Pascale Jeannée
Im Dezember vergangenen Jahres habe ich mit Wolfgang Zinggl ein dreitägiges Symposium zur aktivistischen und interventionistischen Kunst mit dem Titel “Was tun“ veranstaltet. Bei dieser Veranstaltung im Wiener Depot wurden ausgewählte, internationale Kunstprojekte vorgestellt, die mit ihrer Arbeit konkret in gesellschaftliche Verhältnisse eingreifen und nachhaltige, meßbare Veränderungen erzielen.
Es ging vor allem darum, eine Differenzierung der unterschiedlichen Absichten und Arbeitsweisen im Bereich der “sozial engagierten“ Kunst anzuregen. Ein anderer Aspekt, der vielleicht ein wenig zu kurz gekommen ist, war die Frage, inwieweit der realpolitische Handlungsspielraum der Kunst seitens der blauschwarzen Regierung bereits so beschnitten worden ist, daß die verbleibenden Reste nur noch zur Spielwiese einer “möchte-gern“ Politkunst taugen, die nicht mehr vermag, als auf aktuelle Problemfelder aufmerksam zu machen.
Während der letzten zwölf Monate, seit dem Regierungswechsel, sind viele soziale und kulturelle Errungenschaften zunichte gemacht worden. Initiativen, die dem “morakschen“ Kunstverständnis, das wirtschaftliche Rentabilität zu einem Qualitätskriterium erhoben hat, nicht entsprechen, wissen ein Lied davon zu singen. Ein Totenlied, denn gerade die Organisationsstrukturen im “Dritten Sektor“, die nichts mit dem Markt zu tun haben, eine Miteinbeziehung der Bevölkerung in politische Fragen vorsehen und für den Aufbau einer Zivilgesellschaft unentbehrlich sind, wurden ausgehungert.
Natürlich beschränken sich die Strukturveränderungspläne der FPÖVP nicht nur auf den Kulturbetrieb. Strategische Schlüsselpositionen in Funk- und Fernsehen sowie Ministerial- und Beiräte werden sukzessive abberufen bzw. ausgewechselt. Wer die FPÖ kennt, kann sich ausrechnen, welche Interessen in diesem Land durchgesetzt werden. Diese Interessen sind – trotz anhaltender Demonstrationen und Widerstände – heute Normalität geworden.
Seit einem Jahr teilt sich die österreichische Bevölkerung in zwei Lager. Ähnlich verhält es sich in der Kunst. Im Unterschied zur Gesamtbevölkerung ist die offizielle Haltung der Kunst- und Kulturschaffenden zwar beinahe einheitlich regierungskritisch. Hinter geschlossenen Türen teilen sich dann aber die Lager doch wieder insofern, als manche den “Politzirkus“ hintanstellen. Sie nutzen die Krise und den Mangel an Verbündeten, die dem Staatssekretär das kulturelle Kapital erst ermöglichen, um ihre Karriere ein bisschen auf Vordermann zu bringen. So lädt Carl Aigner, Leiter der Kunsthalle Krems, Franz Morak knapp drei Monate nach der Regierungsbildung zur Eröffnung einer Waldmüller Ausstellung nach Krems. Peter Weibel steht selbigen mit Rat und Tat zur Seite, Alexander Pühringer räumt dem Kunststaatssekretär unüblich viel Platz in seiner Kunstzeitung zur Selbstdarstellung ein, usw..
Gegenteilig dazu hat sich aber auch eine Szene politisch engagierter WiderstandskünstlerInnen gebildet, die mit der Regierung nichts zu tun haben wollen und in beharrlicher Konsequenz gegen ein Fortschreiten von Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, gegen soziale Ungerechtigkeiten und den Bildungsabbau eintritt. Nun muß man kein Hellseher sein, um zu erraten, welcher “Fraktion“ die Kunstförderungen in letzter Zeit zugekommen sind. Zu Beginn seiner Amtsperiode kürzte Morak die Subventionen oppositioneller Initiativen unter dem Vorwand der generellen Sparvorkehrungen schnurstracks zurück. Bis heute kann von Transparenz bei der Verteilung der Fördergelder keine Rede sein. Während Beiratsempfehlungen, die sich für die Erhaltung international anerkannter Diskussionsforen (wie das Depot) aussprechen, einfach nicht beachtet werden, genügt ein Anruf vom Kärntner Landeshauptmann, um das Projekt einer Bronzeskulptur, die die Kärntner Volksabstimmung thematisiert, mit öS 200.000.- zu unterstützen. Ähnlich befremdend wirkt Moraks Beschluß, auf Intervention des Presse-Kulturressortleiters Hans Haider, der Erzdiözese Wien öS 150.000.- für den Slatkona Preis zuzuerkennen.
Morak tritt langsam aber zielstrebig in die Fußstapfen totalitärer Systeme, die die Kunst in den Dienst ihrer Politik stellen. Seine ideologiebedingte Vergabe der Kunstgelder ist ein Todesurteil für alle Kunstrichtungen, die den Gesetzen des Marktes nicht gehorchen.
Nicht nur, daß die aktivistische Kunst keine staatliche Unterstützung mehr zu erwarten hat, fraglich bleibt überhaupt, wie die Freiheit der Kunst interpretiert werden kann, wenn Zensur nicht mehr direkt sondern indirekt ausgeübt wird. Wo Kunstinstitutionen nur noch “ungefährliche“ Kunst präsentieren und die Presse immer nur auf das Programm der Institutionen reagiert, ist es kein Wunder, wenn sich der Spielraum jener künstlerischen Positionen, die sich an gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Entwicklungen beteiligen, auf ein Minimum reduziert.
Pascale Jeannée