Europas KulturministerInnen trafen sich von 10. – 12. September zu einer informellen Konferenz in Linz. Zur Debatte stand die grundsätzliche Orientierung der EU-Kulturpolitik im Hinblick auf die Erweiterung der Union. Die (Un)Wichtigkeit des Treffens spiegelt sich in den geplanten Budgets wieder.
von Martin Lengauer
Das unablässige Kreisen des Hubschraubers verhieß Bedeutsames. Auch zu ebener Erd‘ gab man sich geschäftig. Dutzende Polizisten patroullierten rund um das Linzer Design-Center, während im Inneren der „Tennishalle“ (Thomas Trenkler, „Der Standard“) fieberhaft letzte Vorbereitungen für die „informelle Ministerkonferenz für Kultur und Audiovisuelles“ getroffen wurden. Sekrätere, Dolmetscherinnen und Journalisten aus ganz Europa wuselten hin und her, auf der Suche nach Akkreditierungsstellen, Informationsschaltern und Buffets. Als der Leiter der Konferenz, Kunststaatssekretär Peter Wittmann am Donnerstag, den 10. September, zum ersten Pressebriefing lud, hämmerten und bohrten noch immer die Handwerker. Den Fragen der Journalisten nach künftigen EU-Kulturbudgets, nach Zielsetzungen des Linzer Treffens wich Wittmann, ganz hemdsärmeliger Chefsachwalter, stereotyp aus. „Viel zu früh“ sei es, irgendwelche Positionen der Ministerrunde vorwegzunehmen, und „viel zu konkret“ seien Nachfragen nach Inhalten von neuen Kulturprogrammen oder gar nach Budgetzahlen. „Schaut’s“, gab sich Wittmann schließlich amikal, „wir reden höchstens über ganz grundlegende Entwicklungslinien, aber sicher über keine Details.“ Die Zurückhaltung des Staatssekretärs war verständlich. Informelle Ministerkonferenzen haben nämlich einen gravierenden Nachteil: die Teilnehmer diskutieren, fassen aber keine Beschlüsse. Treffen sich die Kulturminister der EU, wiegt dieser Nachteil besonders schwer. Kultur ist europaweites Minderheitenprogramm, lediglich 0,03 Prozent des EU-Budgets sind derzeit für die Förderung kultureller Projekte vorgesehen. Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, vor allem aber nach dem Willen manch mächtiger Finanzminister, wird sich an diesem Minibudget wenig ändern. Auch wenn in Sonntagsreden, immer wieder der Stellenwert von Kunst und Kultur für ein zusammenwachsendes Europa betont wird. Kulturförderung soll – abgesehen von wenigen grenzüberschreitenden Projekten und Großevents – Hoheitsbereich der Mitgliedsstaaten bleiben. So sieht es zumindest der Entwurf zu einem neuen Kultur-Rahmenprogramm der EU für die Jahre 2000-2004 vor (siehe Sylvia Amanns Bericht, „0,0É % Kulturausgaben“, Seite 13). Unter dem Titel „Culture 2000“ hat die EU-Kommission dargelegt, wie die Förderung kultureller Projekte in Zukunft aussehen sollte. Die bisherigen Einzelprogramme „Kaleidoskop“ (grenzüberschreitende Kunst- und Kulturprojekte), „Ariane“ (Förderung von Übersetzungen literarischer Werke aus bzw. in ungebräuchliche Sprachen) und „Raphael“ (Erhaltung des kulturellen Erbes) laufen aus. Ihre Agenden werden zusammengefaßt und in drei sogenannte Maßnahmentypen gegliedert. Zum ersten die Förderung grenzüberschreitender Projekte und Netzwerke, zum zweiten die Förderung von Mega-Events „mit europäischer Ausstrahlung“ in den jeweiligen Präsidentschaftsstaaten, schließlich die Förderung innovativer Kleinprojekte. Allen Maßnahmen sollte je ein Drittel des gesamten EU-Kulturbudgets zustehen. Dieses werde für die Jahre 2000-2004 nur geringfügig erhöht und rund 167 Millionen ECU (ca. 2,3 Milliarden Schilling) betragen, also weniger als eine halbe Milliarde Schilling pro Jahr. Verglichen mit Oberösterreichs jährlichem Kulturetat von etwa 1,4 Milliarden Schilling ein geradezu lächerlicher Betrag. Für Hilde Hawlicek, stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses im EU-Parlament, ist sowohl die Höhe des Budgets für „Culture 2000“ als auch der exorbitante Anteil an Event-Förderung unzumutbar. Da auch die mittel- und osteuropäischen Staaten, insbesondere die EU-Beitrittskandidaten, Förderungen aus dem Kulturbudget der Union lukrieren können, müsse man in Wahrheit von einer Kürzung des Kulturbudgets sprechen. „Das EU-Parlament fordert daher eine Verdoppelung des Budgets“, gibt sich Hawlicek kämpferisch. Der hohe Anteil für repräsentative Events sei verzichtbar bzw. könnte ohne weiteres von den Nationalstaaten getragen werden, kleinere innovative Projekte müßten hingegen stärker gefördert werden, so die Ex-Ministerin bei einer Parallelveranstaltung zum Ministertreffen im Linzer Ars Electronica Center. Die unbefriedigenden Budgetansätze waren kurz auch Gegenstand der Debatte bei der Publikumsdiskussion zum Thema „Kulturelle Aspekte der Erweiterung der EU“, zu der die österreichische Präsidentschaft alle Interessierten ins Design-Center geladen hatte. Erstmals standen PolitikerInnen im Rahmen einer informellen Konferenz der Öffentlichkeit Rede und Antwort. Was Peter Wittmann als Beitrag zu gelebter Bürgernähe und Demokratisierung der EU-Institutionen präsentierte, verkam im rammelvollen Konferenzsaal zu einer belanglosen Alibiveranstaltung. 18 KulturministerInnen und StaatssekretärInnen aus West- und Osteuropa besetzten ein Podium, dem einzig Österreichs ranghöchster Kulturpolitiker, Viktor „Chefsache“ Klima, ferngeblieben war. Am „News“-Cover ist eben kein Platz für Kulturminister. In unverbindlichen Statements strich man die „kulturelle Identität“ Europas heraus, jene Wortmünze, die einzig geprägt wurde, um die fortschreitende Unterwerfung Europas unter die Hemmungslosigkeit des Freien Marktes zu verbrämen. Stimmung kam lediglich auf, als die drohende Aufhebung der Buchpreisbindung angeschnitten wurde. Schriftsteller, Buchhändler und Landeshauptmann Josef Pühringer warfen sich für das „Kulturgut Buch“ in die rhetorische Schlacht. Ansonsten waren kulturpolitisch relevante Aussagen (wie war doch gleich das Thema der Diskussion?) Mangelware. Die PolitikerInnen erfüllten somit vortrefflich die Nullerwartung der vollzählig erschienen heimischen Kunst- und Kulturszene. Ehe es zum wohlfeilen Buffett ging, sorgte noch ein Grieskirchner Kunst- und Verseschmied für die Lachnummer des Abends. Quintessenz seiner umständlichen Ausführungen: Europa werde Glück und Frieden finden, wenn die MinisterInnen die Einführung der Abtreibungspille zu verhindern wüßten.
Bei einem weiteren Pressebriefing tags darauf war Peter Wittmann wenigstens zu entlocken, daß sich die österreichische Präsidentschaft bemühe, das vorgesehene Budget von 167 Millionen ECU noch anzuheben bzw. eine Kürzung zu verhindern. Selbst der für Kulturfragen zuständige EU-Kommissär, der Spanier Marcelino Oreja, hätte zugesagt, sich für höhere Kulturausgaben in der Kommission stark zu machen. Auch sei man im Verlauf der informellen Gespräche übereingekommen, den geplanten Budgetanteil für Großevents zu minimieren. In der abschließenden Pressekonferenz am Samstag, den 12. September, konnte ein sichtlich erleichterter Staatssekretär auch ein konkretes Ergebnis der Ministerkonferenz vorlegen. Man sei, so Wittmann, übereingekommen, die bereits 1998 auslaufenden Programme „Kaleidoskop“ und „Ariane“ auch 1999 im bisherigen Umfang weiterzuführen. Kunst- und Kulturprojekte von europäischer Relevanz müßten somit nicht bis 2000 auf Fördermöglichkeiten warten (siehe Kasten). Für das Rahmenprogramm „Culture 2000“ sicherte Spyros Pappas, der Leiter der für Kultur zuständigen Generaldirektion (DG X), eine Entbürokratisierung der Förderabwicklung sowie eine transparente Vergabe der Mittel zu. Ein wesentlicher Kritikpunkt vieler Institutionen und Kulturinitiativen wäre somit beseitigt. Als der Grieche Pappas der österreichischen Konferenzleitung schließlich großes Lob spendete, kannte Peter Wittmanns Freude keine Grenzen mehr. Seine Bilanz machte beinahe vergessen, daß – mit oder ohne Erhöhung – das Kulturbudget der Europäischen Union auch im nächsten Jahrtausend im mickrigen Promille-Bereich angesiedelt sein wird. Dies widerspricht nicht nur der vielbeschworenen Relvanz von Kunst und Kultur an sich, sondern auch dem erklärten EU-Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen. Denn ein Arbeitspapier der EU-Kommission selbst belegt das Beschäftigungspotential des kulturellen Sektors: 2,5 Millionen EU-BürgerInnen waren 1995 im Kulturbereich tätig, Tendenz steigend. Leider scheint den KulturministerInnen beim Besuch der „Job-Opera“, der heurigen Linzer Klangwolke, kein Licht aufgegangen zu sein.
EU-Kulturminister und Kommission einig: „Kaleidoskop & Ariane“ auch ’99
Nach langen Diskussionen scheint die Einigung perfekt: Sowohl die EU-Kommission als auch die Kulturminister befürworten die Verlängerung der heuer auslaufenden Programme „Kaleidoskop“ und „Ariane“ für 1999. Besonders erfreulich: die Budgetansätze werden nicht gekürzt, sondern auf dem Stand von 1998 gehalten. Die drohende Förderlücke bis zum Anlaufen von „Culture 2000“ dürfte damit gestopft sein, wenn auch noch die formellen Beschlüsse im EU-Ministerrat abzuwarten sind. Einziger Wermutstropfen: mit einer Ausschreibung der Programme dürfe, laut Staatssekretär Wittmann, frühestens Anfang 1999 gerechnet werden. Förderzusagen werden also erst sehr spät zu erwarten sein, für die Umsetzung der Projekte bleibt wenig Zeit.