Am Anfang standen eine schwarz-gelbe Straßenbahn und Nackte auf Plakaten mit Kofferradios im Arm. Die Privatradio-days hielten am 1. April in Linz mit einer wenig zimperlichen Werbekampagne Einzug. Aufs Aug´ wurde geknallt, was das Ohr sich über die freigegebenen Frequenzen reinziehen sollte: „Mehr Hits, mehr Abwechslung“ und „mehr Power“. Nun ja.
von Eugenie Kain
Den 2. April verbringe ich im Spannungsfeld von Ö3, Life Radio und Welle 1. Um 7 Uhr in der Früh kommen Arbeiter, die Lärmschutzfenster einbauen, damit es schneller geht, reißen sie alle alten Fenster auf einmal heraus, damit es leichter geht, schalten sie ihr Radio ein. Im Hof hallern die schnellen Sprüche von Ö3. Ich verlasse die Baustelle und geh ins Lentia 2000 einkaufen. Im Merkur haspelt das firmeneigene Radio Max Preise herunter, im Libro nervt Ö3 noch immer mit hektischer Fröhlichkeit. In der Passage verteilen smarte junge Damen und Herren in gelb-schwarzen Overalls bunte Zettel und Zuckerl, vor dem Einkaufszentrum bemüht sich Life Radio via Lautsprecherwagen mindestens so fröhlich zu wirken, wie der Monopolsender. Alle Passanten machen einen weiten Bogen um das freundlich in den Weg gehaltene Mikrofon. Die Arbeiter sind fertig. Die Lärmschutzfenster sperren die vertrauten Straßengeräusche aus, was irritiert. Nicht nur der Autolärm, auch das Amselgeschrei und die Kinderstimmen sind weg. Eine Ö1-Stammhörerin gibt ihre Speicherplätze nicht unbedingt für werbefinanziertes Mainstreamradio frei, aber hineinhören möchte sie doch, zumindest beim Aufwischen, in die ungewohnten Klänge auf bis dahin stummen Frequenzen. Neu sind sie nicht, die Klänge und ungewohnt ist allein die Unbeirrbarkeit, mit der ignoriert wird, daß auch das Ohr ein sehr komplexes Sinnesorgan ist. Anfangs ist es ganz schwierig, die Jingles von Welle 1 und Life Radio auseinander zu halten – beide klingen wie die Kennmelodie von Ö2; konturloser Chorgesang, ebenso passend für das Anpreisen von Blumendünger und WC-Enten. Geworben wird auf beiden Sendern, was das Zeug hält. Und weil es sich sowohl auf 92,6 als auch auf 100,5 um regionale Größen handelt, werden der Honda-Händler vom Harter Plateau und der Opel-Händler von Dornach zu Werbezwecken auf die Zuhörerschaft losgelassen. Terror. Am Abend treffe ich auf einen ratlosen Wirten. Stavros hat Post von der Welle 1 bekommen. Es geht um das Angebot einer Gratiseinschaltung. Zu diesem Zweck müßte er einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen und nicht nur Bier- und Schnitzelpreise angeben, sondern auch allerhand ankreuzeln. Treffen sich an seinem Stammtisch Hobbyfußballer, Fischer oder Jäger? Gibt es Kegelabende oder Dartabende? Hat er „sonstige Aktivitäten?“. Er holt ein Radio, stellt den Sender ein und wir horchen. Die Geräusche des Tages verdichten sich im Kopf zu einem diffusen Klangteppich, optisch umgesetzt eine Art high-tech-Nadelfilz, pflegeleicht, clean, überall dazupassend, dämpfend und gerade deswegen scheußlich. Beide Sender betonen ihren Service-Charakter. Service, das heißt Staunachricht, Radarwarnung, Schwarzfahrerinformation, Radarwarnung, Staunachricht… Dazwischen gibt es Wetterberichte, Werbung und immer wieder den Hinweis auf Name und Frequenz des Radios, wahrscheinlich wegen der Verwechslungsgefahr. Sonstige Wortbeiträge variieren nach Tageszeit. Ach ja, die Musik. Wie gesagt: „Mehr Hits! Mehr Abwechslung! Bei Mainstreamradioservern kann das mitunter zu 3 mal Eros Ramazotti oder 5 mal Freddy Mercury pro Tag führen. Zur Kuschelzeit schlägt auch altgedienten Austropoppern die Gunst der Stunde: „Und manchmal wax ma zamm“. Nach 3 Wochen Privat-Radio kenne ich den Unterschied zwischen news und Nachrichten. News werden 5 Minuten vor der vollen Stunde verkündet, heißen „Nachrichten aus Oberösterreich, Österreich und der Welt“ (Life Radio) und während des Verlesens sind spielautomatenähnliche Hintergrundgeräusche zu hören. Es klingelt, summt und dudelt, der Newssprecher hechelt im Telegrammstil vom 18 jährigen Dieb aus Linz-Land zu einer Bill Clinton-Meldung in die Welt und verabschiedet sich dann mit folgender Standardbehauptung: „Life Radio Nachrichten. Ich bin Oliver Cerny und Sie sind gut informiert.“ In den 3 Wochen, in denen ich bestrebt war, mich stundenweise in beiden Programmen umzuhören und insgesamt auf eine Zeitspanne von 6 Uhr 30 bis 4 Uhr 30 gekommen bin, habe ich das Wort Kultur kein einziges Mal vernommen. Gut, könnte man sagen. Aber da ist dann noch die schwarz-gelbe Straßenbahn, das Werbemonster von Life Radio. Die Fenster wurden mit einer schwarzen feingelochten Folie zugeklebt. Von außen sieht das aus wie ein Riesenradio. Von innen ist´s die Perspektive aus einem Hasenstall. Gut informiert? Ich will freie Sicht auf die Landstraße, freie Sicht auf Linz!