Über die Angst, das Begehren und die Höflichkeit Anmerkungen zur Kulturpolitik des Landes.
Reaktion auf die Kultursprecherdiskussion
von Peter Kraml
Was in manchen oberösterreichischen Kultureinrichtungen wirklich passiert, will er vielleicht gar nicht so genau wissen; – vielfach ist es auch gescheiter nicht allzuviel, vom Hickhack der kleinen Eitelkeiten im laufenden Kulturbetrieb, mitzubekommen. Schliesslich ist es nicht unbedingt die primäre Aufgabe eines Kulturreferenten, resp. K-Landesrates, zusätzlich Personalfragen über den Tisch zu ziehen, zumal es unterschiedliche Personen in kulturpolitischen Funktionen gibt, die sich die Hand drücken. Für LH Dr. Josef Pühringer ist der ‚output‘ wichtig, die politische Relevanz und der reibungslose Ablauf einer Sache, die sich dann auch noch als Kultur bezeichnen lässt. Wichtige Detailänderungen, wenn ein Zug angefahren ist, sind kaum durchzustehen. Die Positionierung der einzelnen Bereiche in der Kulturdirektion (am gegebenen Beispiel des Landes Oberösterreich genauso wie anderswo) ist nicht mehr wirklich zu beeinflussen, denn die Beamten sind am Exerzierfeld des kulturellen Begehrens und der Umsetzungsfähigkeit recht mächtig. Das extremste Beispiel gibt dafür der Bund, wo fast gar nichts ohne die grauen Eminenzen geht. Also muss ein politischer Vertreter, soll ein weithin sichtbares Zeichen gesetzt werden, in anderen Funktionsbereichen tümpeln. Im Bereich der Kultur und Kunst ist daher genauso die Rede von der Masse, ihrer Verwaltung und dem Material als Teilbestand fürs Wirtschaftsleben.
Nicht zuletzt kommt das Frage/Antwortspiel zur Machbarkeit der Kultur als gesellschaftliches Scharnier (und das ist das eigentliche Legitimationsverfahren in der Kulturdiskussion) dann in die Umwälzpumpe, wenn Untersuchungen in Auftrag gegeben werden, deren Ergebnis beweisen soll, dass zum Beispiel das österreichweit beispielhafte oberösterreichische Musikschulwerk auf eine hohe wirtschaftliche Umwegrentabilität verweisen kann. Nicht, dass jetzt (von mir unterstellt) aufgezeigt werden soll, dass im Jahr 1996 zum Vergleichsjahr 1995 fünfhundert Blockflöten mehr verkauft worden seien und damit die heimische Edelholzverarbeitung angekurbelt worden ist, wobei wiederum 15 Arbeitsplätze gesichert werden konnten. Im Bereich der Familienförderung wäre dazu gleichzeitig auch etwas geleistet worden, da nun die Familie verstärkt um den Gabentisch sitzt und der kleinen Renate gespannt zuhört, wie sie das „es wird scho glei dumpa“ heruntertönt. Mit einer wissenschaftlichen Fragestellung und abgesicherten Studie aus dem Umfeld der Kultur wäre, gesetzt den Fall, damit gleich ein umfassendes politisches Rahmen-Programm abzuleiten und plausibel gemacht, warum der Landeshauptmann und Kulturlandesrat Pühringer die Sicherung von Arbeitsplätzen, die ‚gesunde‘ Familie und die Kultur (als persönliches Anliegen) aufs Rennpferd in den Wahlkampf setzt.
In einer Veranstaltung Anfang August, einem ÖVP-Kulturworkshop mit dem Titel „Kultur im Aufbruch – Zwischen Tradition und Avantgarde“im Rahmen des OÖ. Zukunftsforums, war auch einmal mehr die Kultur im Blickfeld einer differenzierten Erörterung: Ist die ÖVP-Kulturpolitik reformbedürftig, oder soll der Wassergraben genommen werden wie bisher? Das stand ängstlich hinter einem jeden Referat, das vom Gastgeber bis zu den eingeladenen politischen Handlungsträgern flüsternd durchgezogen wurde. Zitat frei nach Dr. Peter Marboe, Kulturstadtrat von Wien: „Wir sind seit Jahren am Nippel der Kultur vertreten und müssten das einsichtig machen, dass wir das auch können, …“etc. Dazwischen ein Kickschlag Franz Moraks (ÖVP-Kulturbeauftragter, Mime und mehr) ins Leere, nämlich auf den ehemaligen Kulturminister Scholten und dessen Leute, ein Angstschrei auf den österreichischen Film (sodass es gleich Andreas Gruber, Heroe der regionalen Kulturpolitik, – als ehemaligen Kulturstadtrat von Wels und des österreichischen Trauerarbeit-Films -, aus dem Sessel gerissen hat), der tatsächlich in Österreich nur im Fernsehen stattfinden kann. Als dann Franz Morak weiter anhob und in Richtung Wiener Bundestheater diese radikal entrümpelt sehen will und dazu vorschlug, dass diese Monolithen österreichischer Kultur und also das zu Stein gewordene Kulturerbe, gesundpoliert werden muss, – spätestens an dieser Stelle konnte sich Pühringer entspannt in den Sessel zurücklehnen. Es hat bei Moraks Referat verwundert, dass dieser nicht gleich auf die Krebskrankheit als Bundestheaterkrankheit gekommen ist. Vorsorglich hat er sich über den geradenoch Burgtheaterchef Claus Peymann hinweggeschwindelt und eigentlich nicht gesagt, was eine moderne Kulturpolitik inhaltlich leisten müsste bzw. wie das Profil einer ÖVP-Kulturpolitik auszusehen hat. Insgesamt sind die Gäste aus Wien dann eher doch auf eigenem Wiener Boden geblieben: Zum Beispiel, dass man nun doch bei den tourismusfreundlichen Operetten bzw. Musicals ein paar Millionen ATS einsparen wird können, meinte Peter Marboe. Gesetzt den Fall, sollte es wirklich (und manche glauben ehrlich daran) ein Linzer Musiktheater geben, dann wird man sich auch aus politischer Sicht fragen müssen, welche Träume es sind, die von den Welt-Brettern über den Musikgraben auf das Publikum (und welches) draufgespielt werden sollen. Dass das Linzer Landestheater derzeit eine Nekropole des Begehrens und der grau gepuderten Eitelkeiten ist, muss sich auch ein Kulturlandesrat, gleich mit welcher politischen Farbe er malt, gefallen lassen; auch dann, wenn über die Landesgrenzen hinausgeschaut wird und dort ebenso Museales zu sehen ist.
Tiefer ging es bei Peter Marboe jedoch dann, als er einen alten 68er ‚Schmäh‘ aus dem Köcher geholt hat und von einer urbanen Kulturpolitik an der Basis sprach. Je mehr gepredigt wird, dass die Kultur dezentraler gestaltet werden soll, desto handverlesener wird sie allerdings in Wirklichkeit exekutiert, denn trotz aller ideologischer Einsicht sind auch die Linken der 70er Jahre im Dickicht der Institutionen untergegangen und zu grauen Beamtenexistenzen verstaubt; national gesehen. Aus der oberösterreichischen Sicht konnte nach Franz Morak, Peter Marboe und dem derzeitigen Direktor des Österr. Kulturinstitutes in New York, Wolfgang Waldner (der sich eher statistisch selbst umkreist hat und den Wunsch vermeinte, dass für die amerikanische Kultur nicht nur die Trappfamilie gerade stehen sollte), Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer die erste Geige zum erklingen bringen; das war so zwar nicht ganz ausgemacht, generierte aber doch zum politischen Kalkül für die eigenen Leute. Denn es ist wenig zu sagen gegenüber einer Politik der Zukunft, die eine Gratwanderung zwischen der Tradition und der aktuellen und zukunftsorientierten Kultur beschreitet. Sie gibt und befriedet.
Und tatsächlich hat Pühringer dann eine Perspektive eröffnet wenn er sagt: „Kinder sind uns in der Kulturpolitik etwas wert.“Und weiter aus dem ‚workshop-paper‘: „Kinder müssen in traditionellen Kultureinrichtungen vom Anhängsel-Charakter befreit werden und einen entsprechenden Stellenwert in allen Bereichen erhalten. Jede Zeit muß über passende Formen der Kulturvermittlung nachdenken: Kultur ist mehr als nur das Anhören von Konzerten oder der Besuch von Galerien – zur Sicherstellung einer ausgewogenen Entwicklung unserer Gesellschaft in unserer vertechnisierten Welt, müssen neue Begegnungsformen mit Kunst und Kultur geschaffen und gefördert werden.“ Oder: „Schaffung von Möglichkeiten und Einrichtungen internationaler künstlerischer Begegnung in den Regionen. Erweiterung und Vernetzung des internationalen Kulturaustausches, z.B. die Präsentation österr. Künstler im Ausland verstärken, Setzung gemeinsamer Marketingaktivitäten, etc. Service und Information zur internationalen kulturellen Entwicklung.“ etc. Und schliesslich kann auch keine Kulturpolitik hinter der Entwicklung vor der Informationsgesellschaft halt machen, steht sie doch selber mitten drinnen. Also müssen auch hier Massnahmen gesetzt werden, nämlich „zeitgemäße rechtliche Grundlagen für den Internetgebrauch, der in Österreich viel zu teuer kommt“, schaffen, und bei der „Vernetzung aller bestehenden Netze das nutzen, was da ist. Chat-Foren, den Kulturschaffenden, die selbst ins Netz gehen wollen, mit Rat und Tat zur Seite stehen.“Und natürlich, als Verklammerung der womöglich neuen Kulturpolitik: „Weitere Forcierung dieser neuen Technologie an den Schulen.“ Also Internet für Alle. Das bedeutet, weg mit der Flöte, heraus mit dem PC und los geht’s: FleshFactor – Informationsmaschine Kid.
Kultur für Alle, so könnte das genauso heissen und die Beteiligten, darunter viele Kulturpolitiker aus Österreich strömten in Frieden voneinander. Denn auch in Zukunft wird der Mensch aus Fleisch (Flesh?) und Knochen bleiben. Ich frage jetzt nichts nach!
Weitere Reaktionen auf diese Diskussion: Martin Wassermair Eva Kósa