Zwischen Last und Lust

Wieso Aktivismus für eine Gesellschaft notwendig ist und was wir selbst davon haben. Eine Brandrede von Julia Pühringer.

„The truth will set you free, but first it will piss you off !“, das wusste schon die Feministin und Journalistin Gloria Steinem. Also: Grundzustand oft angepisst. Natürlich bin ich nicht hauptberuflich Feministin. Bin ich überhaupt Aktivistin, wenn ich das nebenbei mache? Und überhaupt: Wie passt der Begriff aktiv dazu, wenn man oft müde und erschöpft ist? Die Themen, mit denen ich mich befasse, sind selten schön, von #metoo-Recherche bis Frauenbilder im Film, die Muster viel zu weltumfassend gestrickt, Feind*innen schlafen nicht und man selbst schläft manchmal einfach ein, wenn man das Kind ins Bett bringt. Vielleicht geniert man sich auch, weil man es besser hat, als die Erste-Welle-Feministinnen, die Ende des 19. Jahrhunderts für einen 12-Stunden-Tag kämpften, vier Kinder großzogen und mit ihren eigenen Parteigenossen das Frauenwahlrecht diskutieren mussten. Es gibt viel, von dem man selbst nicht betroffen ist, und vieles, wo man dazulernen muss, auch daneben haut. Für eine Sache kämpfen ist ein Prozess. Man muss lernen, Verbündete zu sein, zuzuhören. Andere zu Wort kommen zu lassen, auch in den eigenen Artikeln. Sich der eigenen Privilegien bewusst zu sein. Aus Fehlern zu lernen. Und erst so alles anzuzünden, äh, weiterzumachen.
Weitermachen, auch wenn man sich unendlich oft wiederholen muss, die Forderungen auch, und es immer wieder Rückschläge gibt, die es auszuhalten gilt. Denn nein, so wirklich freut man sich nicht, dass man dafür dankbar sein muss, 2024 auch in Vorarlberg in einem Krankenhaus einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen zu können. Das ist der Fortschritt? Wie lang wird das noch dauern mit der Gleichberechtigung von uns allen? Mit menschenfreundlicher Politik und Gesellschaft? „Schau auf dich!“, sagt man den er- schöpften Freund*innen, die noch viel mehr kämpfen, und tut es selbst nur wenig. „Self Care“ – ja eh, aber wann denn das auch noch? Von wegen Doppelbelastung.

Wozu das alles
Auch wenn für aktivistisches Engagement oft immer noch gesellschaftlicher Liebesentzug droht und es dafür nur in bestimmten Kreisen Lob und Anerkennung gibt ( ja, das will man auch, man ist ein Mensch), dann gibt es auch, und dieses Loblied singe ich stets, wenn auch manchmal müde: Die unglaubliche Leiwandesse von Kompliz*innen. Ihre ungemeine Expertise, oft im Kampf errungen. Der Rückhalt, die Geduld, die Hilfe, wenn es kracht, die Verlässlichkeit. Denn „plötzlich“ hat man, ohne es so richtig gemerkt zu haben, unzählige neue Fähigkeiten gewonnen, die man in das ganze restliche Leben mitnehmen kann. Es ist, wie wenn man eine Demo besucht: Natürlich geht man hin, um ein Zeichen zu setzen, etwas zu verändern. Und: Durch das Hingehen, das laut Sein, das Aufstehen verändert man sich gleichzeitig selbst, bestärkt durch das Gefühl von Solidarität und Kompliz*innenschaft. Denkt wieder einmal an Utopien, träumt von einer anderen Welt und bespricht auch gleich, wie sie herstellbar ist. So lernt man beim Erkämpfen neuer Freiräume eine gewisse Furchtlosigkeit, die nur durch’s Tun entsteht. Man lernt das Patriarchat zu erkennen, aber auch zu verlachen, anderen den Rücken zu stärken oder eben auch: Brandreden zu schreiben.

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