Katja Frey über Awareness-Arbeit
Lange Zeit dachte ich, das Herausforderndste an Awarenessarbeit in einer Kulturinitiative seien gewaltausübende Personen bei Konzerten. Mein heutiges Ich lacht im Nachhinein ein bisschen darüber. Die größte Challenge kam bereits viel früher: in der internen Vereinsarbeit. Statt mich mit Awarenesskonzepten und -teams, Aufklärung und Hilfe bei Übergriffen auseinanderzusetzen, bin ich seit Beginn zum Großteil damit beschäftigt, alten weißen cis-Männern die Hand zu halten, ihre Befindlichkeiten zu ertragen und Argumentationen à la „Früha homma sowos a ned braucht“ entgegenzusetzen.
Fasziniert betrachte ich die immense Gegenwehr dem Thema gegenüber. Plötzlich werden ungeahnte Kräfte entwickelt, um gegen zu viel Veränderung zu protestieren. Reflexion reicht dann doch nur bis zur eigenen Gartengrenze, aber „Ja, wir sind ‚offen‘ und ‚feministisch‘ und natürlich ist Awareness super, solange wir uns selbst nicht ändern müssen“.
Also sitze ich am Vereinstisch, an dem konstruktive Diskurse blockiert und Budgets nicht freigegeben werden. Hier muss sich Awarenessarbeit erst einmal beweisen, bevor über die weitere Relevanz diskutiert wird. Ich bin einfach fucking erschöpft.
Denn neben der Abwehr fällt vor allem auf, welche Erwartungen an mich gestellt werden. Nämlich die, permanent im “Dienst” zu sein. Immer ein offenes Ohr für alle Meinungen und Befindlichkeiten zu haben, geduldig zuzuhören, sachlich und verständnisvoll zu diskutieren, Lob zu verteilen und dabei das immer süße Lächeln nicht zu vergessen.
Deswegen hier in aller Deutlichkeit: Ich stehe nicht 24/7 im Dienst der Awareness, sondern bin auch ein Mensch, der eigene Emotionen, begrenzte Energie und Grenzen hat. Ich möchte keine Diskussionen mehr mit Menschen führen, denen es wichtiger ist, mich bei einem „Fehler zu erwischen“, als strukturelle Probleme anzuerkennen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Ein Wandel in Vereinen ist zähflüssig und langwierig – okay, gecheckt! Aber müssen wir uns echt so im Weg stehen, gegenseitig Energie rauben, nur um das eigene Ego nicht zu verletzen? Können wir da nicht drüber stehen und uns auf das Wesentliche konzentrieren? Das würde uns alle voranbringen.