Grundrecht in Gefahr?

Die AfD und ihr völkischer Flügel haben die Kultur als Kampffeld entdeckt. Was bedeutet das für die Kunstfreiheit? Anna Fessler hat Madlyn Sauer, Künstlerin und Gründerin des Instituts für BESSERE Staatspolitik dazu befragt.

Anna Fessler: Wie stark ist die Kunstfreiheit derzeit in Gefahr?

Madlyn Sauer: Die AfD ist auf jeden Fall eine große Bedrohung, weil sie eine ganz andere Vorstellung von Kultur- und Kunstpolitik hat.

Anders als…?

Als die Auffassung, dass Kunst und Kultur offene Ausdrucks- und Verhandlungsräume sind, die von, mit und für Frauen, POCs, Migrant*innen, Transgender, Geflüchteten, Homosexuellen (also alle, die vormals keine Zugang und keine Teilhabe hatten) gestaltet werden. Die Einnahme einer Multiperspektive abseits ,traditionsreicher’ Kunst.

Du hast im Juni 2019 das Institut für bessere Staatspolitik gegründet, ein Think Tank für politische Kunst, Diskurs und Zivilgesellschaft. Was war der Beweggrund?

Zum einen beschäftige ich mich seit Jahren künstlerisch mit der neuen Rechten, anderseits suchte ich immer wieder nach passenden Formaten. Das IfBS umfasst diverse künstlerische Mittel, neben Satire auch politische Bildung mittels Akademien und Publikationen. Unsere erste Veröffentlichung AHU! verhandeln wir an einer Leipziger Oberschule im Deutsch- und Kunstunterricht. AHU! ist eine fiktive Collage verschiedenster Erfahrungen von Schüler*innen an einer rechten Schule in Sachsen.

Der Künstler Philipp Ruch meinte, mit Rechten reden bringt nichts. Wie könnte man doch einen sinnvollen Dialog führen?

Schwierig. Mir würde keine Sprache dafür einfallen. Allein die Begriffe sind ein Problem. ‚Neue Rechte‘ ist sehr beschönigend, das klingt nach Revolution, Aufstreben. Die meisten davon sind Neonazis. Auf welches Vokabular einigt man sich, wenn sie von ‚Entsiffung‘ sprechen, wie will man sich politisch unterhalten, wenn für diese Menschen Angela Merkel links ist? Ich würde zustimmen, dass es momentan einfach nichts bringt.

„Man hätte sich mutiger fühlen können“

Der Maler Axel Krause wurde nach Bekanntwerden seiner AfD-Nähe von der Jahresausstellung in Leipzig (die jährliche Schau des Vereins Leipziger Jahresausstellung e.V.) ausgeladen, bevor die Veranstaltung erst ab- und dann wieder zugesagt wurde. Müsste man ihn im Sinne der Kunstfreiheit nicht auch ausstellen lassen?

Man dachte den Rahmen nicht halten zu können, befürchtete Eklats. Ich finde es sehr schade, dass nicht mehr Mut aufgebracht wurde. Es hätte ein Desaster werden können, aber man hätte sich mutiger fühlen können es zu probieren, denn der Gewinner dabei ist Axel Krause.

Durch die ihm zuteil gewordene Öffentlichkeit?

Natürlich. Das alles hätte in der Ausstellung verhandelt werden können. Zukünftig wird es durch das Auftreten der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Kulturstiftung ohnehin mehr derartige Situationen geben. Man wird dann öfters mit rechten Künstler*innen konfrontiert werden. Und dann gibt es unzählige Auffassungen davon, was Kunstfreiheit ist. Die AfD versteht Kunstfreiheit im Sinne einer Einbahnstraße. Alle Freiheiten für Rassismen, Nationalstolz, Heimat und völkische Identität, keine Freiheiten, keine Räume, Gelder und Aufmerksamkeit für alles andere und alle anderen.

Was würde ein Ende der Kunstfreiheit für eine demokratische Gesellschaft bedeuten?

Die Kunst- und Kulturbereiche sind unsere Repräsentations- und Ausdrucksräume. Wenn diese fehlen und es nur noch eine völkisch-deutsche Monoperspektive gibt, wie wollen wir uns dann noch untereinander verständigen?

Wie würde es in Dresden aussehen, wenn die AfD ihr Verständnis von Kunstfreiheit durchsetzt?

Die meisten Vereine, Initiativen und Projekträume, die ich kenne, würden nicht mehr bestehen. Das Festspielhaus Hellerau würde die AfD am liebsten schließen. Es gäbe keinen Cent für politisch motivierte Kunst, das Musik- und Sprechtheater würde wieder nationaler. Fördergelder würden nur noch für das verwendet, was mit Heimattradition und Identität in ihrem Sinne zu tun hat.

„Was kommt noch, wenn die AfD an der Macht ist?“

Warum ist dieser Diskurs gerade jetzt zentral?

Weil man jahrelang nicht darüber gesprochen hat. Man hat verpasst, sich darüber zu verständigen, was Kunst heute überhaupt bedeutet, was es heißt, einen diskursiven Raum zu bauen und zu erhalten. Und warum brauchen wir überhaupt diese diskursiven Räume? Ganz einfach, weil es die Politik nicht leistet. Aber viele sehen diese vermittelnde, Diskurs schaffende Arbeit nicht als Kunst an.

Gibt es positive Entwicklungen?

Naja, wenn gegen gegen die Künstler*innengruppe ,Zentrum für politische Schönheit’ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt werden kann, was kommt dann noch, wenn die AfD an der Macht ist? Ich würde mir wünschen, dass dieses Ereignis, diese Ermittlung, mehr besprochen wird, das hat viel zu wenig mediale Aufmerksamkeit bekommen! Es wird ja schon an den Kunsthochschulen nicht über Kunstfreiheit diskutiert und dort wird immerhin ein Teil der Kunst- und Kulturschaffenden der nächsten Generation ausgebildet…

Wird das eigene Schaffen an den Kunsthochschulen nicht kritisch genug hinterfragt?

Das Eigene schon, aber es wird nicht von der subjektiven und vereinzelten Ebene auf eine Größere, eine gesellschaftliche gehoben. Was ist Kunst in dreißig Jahren, wo möchte man als Kunsthochschule hin, wo möchte man die Kunstfreiheit dann sehen?

Wo möchtest du die Kunstfreiheit dann sehen?

Ich hätte sie gerne an einem ähnlichen Punkt wie jetzt, gut geschützt, aber noch weiter ausgebaut. Der Kunstbegriff soll sich erweitern, wie er das schon die letzten Jahrzehnte kontinuierlich gemacht hat. Ich wünsche mir, dass Kunst, Politik, und gesellschaftliche Themen einen diskursiven Raum finden, dass man viel mehr Denk- und Verhandlungsräume schafft.

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