Was Oberösterreich braucht

Die oö. Industriellenvereinigung wird medial oft als ein Motor des schwarz-blauen Arbeitsübereinkommens in OÖ bezeichnet. Zuletzt machte sie mit Forderungen nach radikalen Förderkürzungen im Sozial- & Kulturbereich auf sich aufmerksam. Thomas Rammerstorfer über einen kleinen, aber lautstarken Verein.

Sollten sie sich fragen, was Oberösterreich braucht, dann schauen sie mal auf die Website der Vereinigung der Österreichischen Industrie, aka Industriellenvereinigung (IV). Die weiß es ganz genau: „OÖ braucht ein Standortressort!“, „OÖ braucht neue Impulse!“, “OÖ braucht jede Menge Techniker-Nachwuchs“ tönt es da. In einer Fülle aus Artikeln, Presseaussendungen und Thesenpapieren kommentiert die IV eigentlich einfach alles, von geopolitischen Wirtschaftsstrategien bis zu den Förderrichtlinien der Landesmusikschulen. Kein Thema ist zu groß, keines zu klein.

Dabei ist die IV (im Gegensatz zur Wirtschaftskammer) keine gesetzliche Interessenvertretung, sondern ein privater Verein mit 4.200 Mitgliedern. Die Vorläuferorganisation, der Verein der Industriellen, wurde 1862 gegründet, um die Position der Arbeitgeber in den Auseinandersetzungen mit der ArbeiterInnenbewegung zu stärken. Neben den produzierenden Branchen sind auch Speditionen, Händler und Banken dabei. Sie hat einen Präsidenten, der in der Regel entweder aus Oberösterreich oder aus Wien kommt.

Sie hat ein Büro in Brüssel und dort fast diplomatischen Status: „Das Büro gewährleistet die direkte Repräsentanz der IV und ihrer Mitglieder gegenüber den EU-Institutionen, der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU sowie anderen Entscheidungs- und Interessensvertretern in Brüssel.“ [1] Demokratiepolitisch – sagen wir mal – interessant.

Die IV stellt sich selbst als eine Vereinigung mildtätiger Mäzene und echter Patrioten dar, deren höchstes Ziel die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Bevölkerung ist. Dafür braucht man den Standort. Der Standort ist nur dann sicher, wenn der Gewinn stimmt; stimmt er nicht, dann wandert er nach Tschechien, Rumänien oder China. Öffentliche Gelder sollen in erster Linie der Standortsicherung dienen und weniger in „Bereichen mit wesentlich geringerer Hebelwirkung für Wachstum und Beschäftigung (…) eingesetzt werden.“ [2]

Damit ist auch der Kulturbereich gemeint. Denn wo zu wenig gehebelt wird, da fallen keine Späne:

„Kulturbudgets, Parteienförderungen, Sozialausgaben müssen (…) entlang einer neuen und sinnvollen Priorisierung angepasst werden. Jeder Stein muss aufgehoben, jeder Budgetposten untersucht und optimiert werden.“ [3]

Zudem gab es in den letzten Jahren angeblich „hohe jährliche Ausgabensteigerungen in den Bereichen Kunst/Kultur/Kultus, Unterricht/Erziehung oder Sozialhilfe. Diese sind im Bundesländervergleich an der Spitze während die Ausgaben für Wirtschaftsförderung sogar rückläufig waren. Oberösterreichs Kulturbudget hat im Bundesländervergleich den höchsten Anteil am Gesamtbudget.“ [4]

Dabei übersieht man geflissentlich, dass Ausgaben im Kulturbereich – etwa für Bauten – wohl nicht zuletzt auch der Industrie zu Gute kommen. So richtig knausrig wird man bei den Musikschulen:

„Im Rahmen einer Studie hat die IV OÖ Ausgaben, Förderungen und Wirkungen des Musikschulwesens in österreichischen und deutschen Bundesländern verglichen. Die hohen Gesamtausgaben, die hohen Ausgaben je Musikschüler besonders im Vergleich zu Deutschland, die hohen Ausgaben je Unterrichtsstunde auch im österreichischen Bundesländervergleich und die geringen Eigenmittelanteile und private Unterrichtsbeiträge je Einheit im Bundesländervergleich zeigen auf, dass Einsparungsmöglichkeiten für das Musikschulwesen bestehen, ohne die Breitenwirkung zu reduzieren.” [5]

Abgesehen vom Neoliberalismus gibt sich die IV nahezu erfrischend unideologisch. Die Kulturszene als solche stört sie nicht, allein neidet sie ihr – wie allen anderen Subventionsempfängern – jeden Cent an staatlichem Fördergeld. Die Industriellen gelten als ÖVP-nahe, haben aber auch schon die FPÖ gesponsert. Zu der hat man ein eher zwiespältiges Verhältnis. Als Mehrheitsbeschafferin im Ringen mit der Sozialdemokratie war sie höchst willkommen. Auch teilt man die wirtschaftsliberalen Positionen. Unheimlich ist der IV jedoch der blaue Anti-EU-Kurs, dies führte in den letzten Jahren zu einem gewissen Liebesentzug. Die FPÖ reagierte mit der Gründung bzw. Wiederbelebung des „Attersee-Kreises“ und des „Liberalen Klubs“. Beide, mit staatlichen Förderungen stattlich ausgestattete Vereine, sollen die Industrie von der neoliberalen Nibelungentreue der Freiheitlichen überzeugen. Der „Liberale Klub“ hat deswegen in den letzten Jahren u. a. den Präsidenten der österreichischen IV, Georg Kapsch, die letzten beiden oberösterreichischen IV-Präsidenten Greiner und Pöttinger oder den ehemaligen Präsidenten des Bundes Deutscher Industrie, Hans Olaf Henkel, zu seinen „Klubabenden“ eingeladen. Mutmaßlicher Grundtenor dieser Events: Keine Sorge IV, der Anti-EU-Kurs ist Theaterdonner zum Gaudium des Pöbels, das meinen wir nicht ernst.

[1] iv-net.at/b72
[2] iv-oberoesterreich.at/b883
[3] iv-oberoesterreich.at/b888
[4+5] iv-oberoesterreich.at/b884

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