Eine Bürgerin mietet sich einen Container

Virtuelle Container vs. Vernetzte Communities

 

Manchmal begegnet einem eine „Innovation” in Form eines Online-Anmeldeformulars. Im Fall des Linz Public Space Server fragt das Formular die Interessentin nach Name und Adresse, anschließend müssen die AGB akzeptiert werden, dann fehlt nur noch ein letzter Klick auf send. Danach heißt es zurücklehnen und auf den per Post zugestellten Brief warten, der das Passwort und eine automatisierte Email-Adresse enthält. Mit dieser unspektakulären Aktion hat sich die Bürgerin einen virtuellen 1 GB Webspace gesichert und kann dort seit letzten Herbst kostenlos eigene Homepages, Wikis, Blogs etc. platzieren. Das Konzept des Public Server beruht auf dem 2007 erschienenen Buch Freie Netze. Freies Wissen. Die Hauptprojektleiter Leonhard Dobusch und Christian Forsterleitner liefern damit eine Recherche zu den Themen Freie Software, Open Source, Partizipation und Freiheit im Netz auf verständlichem Niveau. Der Public Server ist Teil des Ziels, die Stadt zur Open Source-Region aufzubauen. Essenz des Open Source-Gedankens ist der offene Quellcode. Richard Stallman, Gründer des GNU-Projektes und nicht abgeneigt, mit Flöte zu performen, kritisiert die Open Source-Bewegung, da sie sich auf technische und wirtschaftliche Fragestellungen konzentriere und sozialethische Aspekte vernachlässige. Open Source ist perfekt kompatibel mit Kapitalismus in industriell hoch entwickelten Ländern. In Linz wird der Public Server als Freies Netz und kostenlose Dienstleistung analog zu den Hotspots lanciert. Parallel dazu wurden schon in der Antragsbegründung zur „Open Source-Offensive” wirtschaftliche Interessen der Linzer Stadtverwaltung und von Unternehmen, vergleichbar mit LiMux in München, verfolgt. Jedoch scheint mit dem Projekt Public Server der Zusammenhang von Wissen und freien Netzen etwas widersprüchlich auf die kommunale Ebene übertragen worden zu sein. Zumindest kann die suggerierte Freiheit der Userinnen des Public Server angezweifelt werden, denn es stellt sich die Frage, wer durch den Zugang zu Daten an deren Verknüpfung interessiert ist, und wie transparent diese Daten für Polizei, Meldeamt und Passamt sind. Der Verein servus.at kritisiert, dass staatlich verordnete Freiräume keine selbstgewählten Freiräume, sondern maximal Kontrollräume erster Instanz sind, und, dass ein Meldezettel darüber entscheidet, ob dieser installierte Freiraum überhaupt benutzt werden darf, entspricht nicht gerade einem offenen Zugang. Und kann die sogenannte digitale Kluft mit gratis Access zu einer zentral geführten und lokal begrenzten Serverstruktur tatsächlich verringert werden?

Virtuelle Container vs. vernetzte Communities

Das Netz als Medium für künstlerische und medienkulturelle Produktion zu begreifen und gemeinschaftlich zu teilen, ist für viele Kulturvereine längst usus: Radio FRO und das Cultural Broadcasting Archive, das Projekt Community TV DORF oder Funkfeuer Initiativen sind entsprechende Communities, die auch gemeinschaftlich vernetzt sind. In Bad Ischl hat sich in den letzten Jahren ein Freies Netz entwickelt. Der Verein Funk Feuer Bad Ischl hat 2008 mit dem KUPF Innovationstopf ein Projekt finanziert; dann entwickelt Funkfeuer Linz ein autonomes Netz hier in der Stadt. Solche Netzwerk-Strukturen ermöglichen den nicht-kommerziellen und offenen Zugang ins Netz und eigene Kommunikationskanäle. Funkfeuer ist ein selbstorganisiertes und partizipatives Netzwerk, das sich nicht als Erweiterung oder Konkurrenz zu den Hotspots und auch nicht einfach nur als gratis Internet versteht. Freie Netze folgen dem Leitbild der Netzwerk-Allmende. Es geht dabei weniger um technische Netze als Träger von Informationen, sondern um die Möglichkeiten menschlicher Handlungsoptionen: den realen Austausch mit seiner Community oder mögliche Optionen, um beispielsweise dem Monopol, also der kommerziellen Überformung des Internet, entgegenzuwirken. Provider regulieren den Zugang in einer Weise, die einer offenen Kommunikation entgegensteht; diese Strukturen enthalten technisch und finanziell die Vorstellung einer Konsumentin, die aus dem Internet Informationen herunterlädt und selbst nichts beisteuert. In Freien Netzwerken ist kein Platz für Konsumentinnen und homogene Zielgruppen. Der Wert des Netzes wächst mit jeder Userin, die sich ins Netz einbringt; eine so organisierte Gemeinschaft ist ihr eigener Provider (Vorratsdatenspeicherung wird nicht betrieben). Aber falls Sie eine ordentlich gemeldete Bürgerin sind, mieten Sie sich einen Webspace der Stadt Linz; es kostet ja wie gesagt nichts; doch allzusicher, dass unsere virtuellen Container tatsächlich auch nach 2011 online sind, sollten wir uns nicht sein, denn der Linz Public Space Server hat ein Ablaufdatum, sagen die Nutzungsbedingungen.

Links: http://www.servus.at/VERSORGER/76/main.html http://www.linz.at/Politik/GrSitzungen/index.asp?S_ID=37#10 http://www.ooe.spoe.at/9782+M51dc84c7d94.html http://public.linz.at/ http://ischl.funkfeuer.at/content/wir-sinddas-netz-0 http://linz.funkfeuer.at/

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