Prekariat am Magistrat

Prekariat als Lebensstilfrage?!

Es sind doch immer die anderen, die von Ausbeutung, Erpressung und Arbeitsunrecht betroffen sind. Die Analyse der prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse im Kulturfeld hingegen war stets von einem unternehmerischen Blick geprägt. Es herrschte die Annahme vor, die Arbeits- und Lebensverhältnisse seien selbst gewählt, und deren Gestaltung sei relativ frei und autonom, wie die Autorin Isabell Lorey vor wenigen Jahren noch feststellte. Prekäre Arbeit und abhängige Selbstständigkeit wurden oft als Lebensstilfrage verhandelt, nicht als das was es ist, nämlich das Wesen neoliberaler Wirtschafts- und Sozialpolitiken, somit die soziale Frage des 21. Jahrhunderts und eine der großen Herausforderungen für die neue Organisierung der ArbeitnehmerInnen. Das Job-Wachstum, mit dem sich vergangene Regierungen brüsteten, beruhte in erster Linie im Zuwachs von flexiblen und zum Gutteil prekären Formen der Arbeit. Sie sind keineswegs allein im Kulturfeld zu finden, gerade angesichts der Wirtschaftskrise wird deutlich, dass selbst in den Kernbereichen der Wirtschaft, aber auch in den kommunalen Unternehmen, diese Beschäftigungsformen überhand nehmen.

Die jüngsten Entwicklungen beim Linzer Ars Electronica Center zeigen, dass diese flexiblen und prekären Arbeitsformen nicht nur eine sozialpolitische Dimension haben, sondern eine maßgeblich politische. Weil es eine städtische Einrichtung ist, in welcher soziale und arbeitsrechtliche Standards unterlaufen worden sind. Weil es ein städtischer Betrieb ist, in welchem ein Arbeitsdruck herrscht, der für viele unerträglich geworden ist. Die Fluktuation, ein untrügliches Indiz für geringe Arbeitszufriedenheit in einem Betrieb, ist im AEC exorbitant hoch. Waren die Jobs in städtischen Betrieben früher begehrt, weil sie ein gutes Maß an sozialer Absicherung und erträglichem Arbeitsdruck vorweisen konnten, ist das AEC der Beweis, dass sich auch hier die Verhältnisse in ihr Gegenteil verkehrt haben.

Schändlich niedrige Löhne Als der Linzer Kulturstadtrat Erich Watzl kürzlich in einer Presseaussendung betonte, mit einer neuen Betriebsvereinbarung würde die Erfolgsgeschichte des AEC fortgeschrieben werden und man werde die Zahl der Fixangestellten von 40 auf 162 erhöhen und die Zahl der freien DienstnehmerInnen entsprechend verringern, ist das eine beschönigende Umschreibung der Tatsache, dass bis dato vieles im Argen lag. Und dass dies seit langer Zeit bekannt war, ist ebenso evident. Bereits im Februar letzten Jahres hatte ein Arbeitsrechtler der Arbeiterkammer erkannt, dass viele der freien Dienstverträge im AEC so frei nicht sind, weil die Beschäftigten in die betrieblichen Strukturen eingebunden waren, weil sie fixe Dienstzeiten hatten, weil sie Arbeitskleidung tragen mussten, an Dienstbesprechungen teilnehmen mussten, um nur einige der Punkte zu nennen. Einer mehrmaligen Aufforderung der Arbeiterkammer, dazu Stellung zu beziehen, ist man Seitens des AEC monatelang nicht nachgekommen. Daraufhin entschlossen sich einige DienstnehmerInnen, zu klagen. Wenn die vorherrschenden Medien und die stichwortgebenden Politiker behaupten, dass mit der nunmehr verkündeten Betriebsvereinbarung alles in Ordnung sei, verschweigen sie erstens die Tatsache, dass die Klagen der Beschäftigten zu diesem Zeitpunkt erst verhandelt werden mussten, zum Anderen, dass die Arbeitsbedingungen im AEC aufgrund einer zweifelhaften Personalpolitik auch so äußerst prekär sind und zuletzt, dass auch die aktuelle Betriebsvereinbarung überprüft werden muss, ob sie wirkliche Verbesserungen für die Beschäftigten bringt. Denn, so lautet der Verdacht von Fachleuten, die Betriebsvereinbarung könnte für ehemalige freie DienstnehmerInnen Lohn- bzw. Gehaltsverluste zur Folge haben. Und dies bei den ohnehin schändlich niedrigen Löhnen. Dass in der Zwischenzeit dem Vernehmen nach Vergleiche mit den KlägerInnen ausgehandelt worden sind, heißt freilich nicht, dass zuvor alles in Butter gewesen sei, im Gegenteil.

Dass die Führung des Hauses, samt Eigentümervertreter im Aufsichtsrat, sämtliche Methoden des Auseinanderdividierens und des gegeneinander Ausspielens bestens beherrscht, zeigt sich im Versuch, Beschäftigte verschiedener Abteilungen gegeneinander aufzubringen. Dass die Finanzierung des Futurelabs nicht gesichert ist, soll nun jenen in die Schuhe geschoben werden, die ihre Rechte eingefordert haben. Als ob diese für die Budgetpolitik der Stadt und der Führung des Hauses verantwortlich wären. Dabei hätten genau diese Personen noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Beispielsweise Lohnabrechnungen, bei denen nicht nur eine beliebige Summe angeführt ist. Beispielsweise sicherzustellen, dass bei geringfügig Beschäftigten, welchen zwar ihre Sozialabgaben abgezogen werden, das Anstellungsverhältnis der Gebietskrankenkasse übermittelt wird. Doch angesichts von Linz 09 und den kommenden Kommunalwahlen ist von diesen Missständen nicht mehr die Rede. Vielmehr von einer famosen Erfolgsgeschichte, die sich nicht vielen erschließt. Wenn der Geschäftsführer des AEC, Gerfried Stocker, zu den zweifelhaften Arbeitsverhältnissen meint, »wir haben aber beispielsweise auch Computerfreaks, die gar kein normales Angestelltenverhältnis wollen und lieber frei sind«, so zeugt dies von einer Haltung, die Lernfähigkeit vermissen lässt. Dies sollte auch für die Kulturszene ein Signal sein, dass ohne gewerkschaftliche Organisierung, wie immer diese aussieht, gar nichts verändert werden kann.

Franz Fend lebt und arbeitet in Linz.

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