Geheime nachträgliche Weihnachtsgeschenke

Manch sinnvolle Fördermaßnahmen werden gerne in stillen Kämmerchen getroffen, vermutet Andrea Mayer-Edoloeyi

 

Zufällig stolpere ich beim weihnachtlichen Websurfen über einen Blogeintrag – und kann es erst gar nicht glauben: Weihnachten und Ostern zugleich für die Freie Szene? Ein radikaler Kurswechsel in der Linzer Kulturpolitik? Die Stadt Linz fördert ab 1.1.2009 Werke, die unter freien Lizenzen lizensiert sind, mit zusätzlichen 10% und will auch vermehrt freie Software in der Verwaltung nutzen. Es gibt eigene Förderrichtlinien1 dafür und der einzige Wermutstropfen ist, dass KünstlerInnen, die bereits Mitglied einer Verwertungsgesellschaft wie der AKM oder Austro Mechana sind, von dieser Förderung ausgeschlossen sind, was aber auch nicht an der Stadt Linz, sondern an der rückwärtsgerichteten Politik der Verwertungsgesellschaften liegt. Freie Lizenzen wie die Creative Commons2 bieten AutorInnen die Möglichkeit, der Öffentlichkeit Nutzungsrechte an ihren Werken, wie zum Beispiel Texten, Bildern, Musikstücken usw., einzuräumen – ähnlich wie bei Freier Software, aber eben nicht nur auf Software beschränkt. Für KünstlerInnen und andere Kulturschaffende ist das besonders interessant, weil damit ein freier Umgang mit »kreativen« Inhalten unterstützt wird – denn Kunst und Kultur entsteht nie im luftleeren Raum, sondern nimmt – oftmals unvermeidlich – Anleihen an schon Dagewesenem3. Ohne eine Statistik bei der Hand zu haben, möchte ich zu behaupten, dass diese Fördermöglichkeit besonders für AktivistInnen aus der Freien Szene von Interesse ist, weil sich hier eine Arbeitsweise der Kultur des Teilens entwickelt hat, die Voraussetzung ist für die Nutzung freier Lizenzen.

Als eine, die die Förderpolitik der Stadt Linz schon seit Jahren verfolgt und die mühsamen Kämpfe um jeden Euro für die Freie Szene kennt, kann ich mich nur wundern, was hier passiert ist. Erstmals wird offenbar im stillen Kämmerchen eine sehr sinnvolle Fördermassnahme im Gemeinderat beschlossen und dann von der Verwaltung mit Detailrichtlinien umgesetzt. Und uuups, sie ist da – und niemand weiss davon, weil niemand die Betroffenen informiert, geschweige denn im Vorfeld gefragt hätte. Also gilt es nachzuforschen, was hier passiert ist, denn die Kulturpolitik der freien Szene kann sich wohl nicht auf weitere Weihnachtsgeschenke verlassen. Die Erklärung für diese dubiosen Vorgänge ist schnell gefunden: Der Vorschlag für die Fördermaßnahme stammt aus dem Buch »Freie Netze. Freies Wissen«4, herausgegeben von Leonhard Dobusch und Christian Forsterleitner. Ersterer heißt nur nicht zufällig so wie der Linzer Bürgermeister und zweiterer ist Gemeinderat und Bezirksgeschäftsführer der SPÖ Linz-Stadt. Offenbar gibt es da andere Zugänge zu den politischen EntscheidungsträgerInnen und -prozessen, auch vorbei am ÖVP-Kulturstadtrat, als sie die Freie Szene je haben wird. Darum muss auch vorab niemand mit Initiativen, die seit Jahren in diesem Bereich arbeiten, reden, allen voran sei hier servus.at – Kunst und Kultur im Netz oder das Projekt Common Resources for Social Change von Social Impact genannt. Aber auch das Offene Forum Freie Szene (kartell) oder die KUPF als Vertreterin von 26 Linzer Kulturvereinen wären AnsprechpartnerInnen gewesen. Vielleicht wären dann jetzt auch nicht soviele Fragen offen: Gilt diese Fördermöglichkeit auch für Vereine? Woher kommt das Geld, wenn das Kulturbudget nicht mehr wird? Gilt diese Förderung auch für Sonderförderprogramme wie Linz Impuls, Linz Export oder Stadt der Kulturen?

Ich bin schon neugierig, ob sich die SPÖ auf Landes- oder Bundesebene auch für eine ähnliche Fördermöglichkeit stark machen wird – oder ob das angesichts anderer Mehrheitsverhältnisse als in der Stadt Linz viel zu anstrengend ist und Kulturschaffende viel zuwenig Potential als WählerInnenschaft mitbringen. Daran und an der Einbindung der Betroffenen in diese weitere Entwicklung in Linz wird sich zeigen, ob es der SPÖ wirklich um die Sache geht. Dann sind die 10% Zusatzförderung nur ein erster Schritt, denn in Sachen Creative Commons und der damit verbundenen Debatte, wie sich Kulturschaffende existenzsichernde Einkommen generieren könnten, gibt es viel zu tun.

Trotz der schiefen Genese: Nutzt das Weihnachtsgeschenk!

Andrea Mayer-Edoloeyi, Vorstand KUPF und KUPFakademie. http://www.andreame.at

1 http://www.linz.at › Startseite › Bürgerservice › Service A – Z › Förderungen › Kunst- und Kulturförderungen › Spezielle Förderkriterien – Kultur 2 Einen sehr guten Überblick zum Thema bietet die freie Enzyklopädie Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons 3 Das Kunstprojekt »productplacements« von Johannes Kreidler treibt diese Problematik auf die Spitze: Für 33 Sekunden Musik hat er 70.200 Formulare mit Einzelnachweisen für die deutsche Verwertungsgesellschat GEMA ausgefüllt und diese mit Lastwagen angeliefert. http://www.kreidler-net.de/productplacements.html 4 Infos und Download unter http://www.freienetze.at

 

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