Klemens Pilsl im Gespräch mit Michael Schmida*, einem Initiator der Bürgerinneninitiative gegen die Linzer Stadtwache.
»Wer hätte gedacht, dass die Sozialdemokraten so umfallen?« Im Herbst 2009 beschließen in Linz SPÖ, ÖVP und FPÖ, zusätzlich zur Polizei eine sogenannte Stadtwache einzuführen. Dieses Vorhaben sorgte für einigen Widerstand, der vor allem in einer Initiative namens »Linz braucht keine Stadtwache« kulminierte. Und im Vorhaben, ein in der Linzer Stadtordnung verstecktes Mittel der direkten Demokratie, die »Bürgerinneninitiative«, gegen die Stadtwache zu versuchen. Dieses Vorhaben scheiterte letztendlich an mangelnder Beteiligung, produzierte aber einiges an Wirbel, durchaus auch Hoffnung und vor allem jede Menge Erfahrungen. Ausschnitt eines Gesprächs mit Michael Schmida, einem der Initiatoren der Bürgerinneninitiative.
KUPF: Eure Initiative hat sich ja für eine besonderes Instrument des Widerstandes gegen die Einführung der Stadtwache entschieden, nämlich eine Art Volksbegehren auf kommunaler Ebene. Ich als Linzer wusste gar nicht, dass es diese Möglichkeit in meiner Stadt gibt
Michael Schmida: Es gibt auf kommunaler Ebene zwei Instrumente der direkten Demokratie. Zum einen die Volksbefragung, die nur vom Stadtparlament ausgehend initiiert werden darf, zum anderen eben Bürgerinneninitiativen. Formalbürokratisch braucht man 800 Unterschriften wahlberechtigter Linzerinnen, um als Bürgerinneninitiative anerkannt zu werden, diese Unterschriften kann man auch auf der Straße einfach so sammeln. Wenn diese Hürde genommen ist, müssen innerhalb eines Monats 3000 Unterschriften persönlich am Magistrat oder den Bürgerinnenservicestellen geleistet werden. Ist das geschafft, muss der Gemeinderat den Antrag der Initiative behandeln. Das heißt natürlich nicht, dass der Antrag angenommen ist bzw. die kritisierten Beschlüsse zurückgenommen werden, sondern lediglich, dass der Gemeinderat sich erneut damit auseinandersetzen muss. Der persönliche Gang zum Magistrat ist natürlich eine große Hürde, die wir kritisieren. Es sollte eigentlich reichen, wenn man die notwendigen 3000 oder auch 4000 Unterschriften auf der Straße sammelt. Das ist auch eine Forderung, die sich jetzt aus unseren Erfahrungen ergibt.
KUPF: Ihr habt ja problemlos die Hürde zur Anerkennung als Bürgerinneninitiative geschafft, nicht aber die zur Behandlung im Geimeinderat. Wie knapp war es denn?
M.S.: Es waren 1816 Unterschriften. Wir haben das eine Ziel, 3000 Unterschriften zu sammeln, eindeutig nicht erreicht. Wir haben uns aber auch keinen Illusionen hingegeben, dass bei 3000 Unterschriften die SPÖ noch einmal umfallen würde und plötzlich wieder gegen eine Stadtwache ist. Aber es wäre natürlich ein schönes Zeichen gewesen, diese Zahl zu schaffen. Es gibt mehrere Gründe für diesen Ausgang. Zum einen etwa, dass der Linzer Gemeinderat noch während der Phase des Unterschriftensammelns die Stadtwache fixiert und abgesegnet hat. Es wurde uns dann auch von Passantinnen gesagt, dass es ja jetzt eh nichts mehr bringen würde. Kleine Anekdote: eine Parkplatzwächterin erzählte mir, dass sie unterschreiben wollte, weil sie aufgrund der eigenen Erfahrungen um die schlechte Ausbildung solcher Stadtwächterinnen wisse. Aber zufällig hat sie den Bürgermeister getroffen und diesen um seine Meinung gebeten. Das bringe doch nichts mehr, meinte dieser, die Stadtwache sei ja nun schon beschlossen. Zum anderen ist es nicht gelungen, die Breite und die positive Dynamik aus der Gründungsphase in den weiteren Verlauf der Bürgerinneninitiative zu verlängern. Ich würde die kritische Szene und den politisierten Teil der Linzer Bevölkerung größer einschätzen, als es diese 1800 Unterschriften nahe legen. Es ist aber nicht gelungen, dieses Potential umzusetzen. Es ist nicht gelungen, in der Szene ein Gefühl für die Wichtigkeit dieses einen Themas, abseits der eigenen Arbeit, zu entwickeln. Auch in jener Kulturszene, die einen politischen Anspruch artikuliert. Das blieb hinter unseren Erwartungen. Ein Projekt wie die Bürgerinneninitiative benötigt immer auch Prominente, Testimonials. Nicht zuletzt für die Medien, aber auch als Multiplikatorinnen. Das ist uns anfangs auch gelungen, wir bekamen Unterstützung von Gerhard Haderer, Günther Trübswasser oder Rainer Zendron. Es ist uns aber nicht gelungen, das zu halten oder gar auszubauen: bekannte Personen des Stadtlebens, die öffentlich für die Bürgerinneninitiative stehen.
KUPF: Wenn du ansprichst, dass Teile einer politisierten Kulturszene nicht längerfristig mobilisierbar waren, spricht das natürlich nicht für diese Szene. Kann es nicht auch sein, dass es eine gewisse Skepsis gegen dieses neue Instrument der Bürgerinneninitiative gegeben hat? Immerhin klinkt man sich dabei persönlich wie namentlich in einen institutionalisierten Prozess ein, der kaum mit den sonst gewohnten, sehr unverbindlichen Widerstandsartikulationen vergleichbar ist.
M.S.: Das kann wirklich sein. Dennoch glaube ich, dass der Großteil dieses Spektrums unterschrieben hat, aber nicht darüber hinausgegangen ist.
KUPF: Auch wenn die notwendigen Unterschriften nicht erreicht wurden – ihr habt in den letzten Wochen viele Erfahrungen mit diesem Instrument der direkten Demokratie gemacht. Überwiegt die Frustration oder die Freude über das Erreichte?
M.S.: Sehr wohl die Freude. Es gibt ja diesen sehr klassischen, sogar traditionellen Spruch: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Und es ergeben sich ja nun sehr positive Erfahrungen und Erkenntnisse aus dieser Arbeit. Etwa resultierend aus der Breite des Bündnisses, das diesmal nicht nur mit Menschen aus politischen Parteien besetzt war, sondern auch etwa mit solchen aus der Freien Szene. Zumal ja das Thema Stadtwache noch nicht gegessen ist. Sobald diese installiert ist, wird es weitere Aktivitäten dagegen geben. Wir haben dahingehend Aufbauarbeit geleistet, die lässt sich nutzen. Auch unsere Erfahrungen mit dem Mittel der Bürgerinneninitiative: wie schafft man es, dass sich Bürgerinnen in ihre Stadt einmischen? Es liegt ja einiges im Argen, wenn ein Vorhaben wie die Stadtwache auf einen derart fruchtbaren Boden fällt. Diese Mentalität, dass man Konflikte nicht selbst lösen möchte, sondern etwa an eine Stadtwache delegiert. Das Sich-Selbst- Einbringen ist sehr unterentwickelt in dieser Stadt.
KUPF:: Wenn du von Aufbauarbeit sprichst – kannst du dann eine Vorausschau auf weitere Widerstände gegen die Stadtwache geben?
M.S.: Es gibt Überlegungen, im Herbst etwa ein Symposium zu veranstalten. Es weiter mit der direkten Demokratie und Bürgerinnenbeteiligung zu versuchen. Abseits davon gibt’s auch anderes: unter den Preisträgerinnen des heurigen KUPFInnovationstopfes finden sich mehrere Projekte, die sich mit der Thematik sehr kritisch auseinandersetzen. Wir werden auch selbst als Initiative weiter aktiv bleiben, wir haben ja jetzt die Strukturen und die Personen dazu. Im September, wenn die Stadtwache loslegt, wird´s schon wieder was geben. Aber jetzt haben wir erst mal eine Phase abgeschlossen, über den Sommer werden wir uns das dann überlegen.
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*Michael Schmida: von Beruf Lehrer, politisch u.a. in der Kommunistischen Partei (KPÖ) aktiv, unterhielt sich mit Klemens Pilsl weiters über linke Alternativen zu Grünen und Sozialdemokratie, Linzer Augen, deutsche Gewerkschaften und warum eine zukünftige parlamentarische Linke nicht im Gewande der KPÖ auftreten müsse. Nachzuhören im KUPF-Radio via http://cba.media
Klemens Pilsl ist gescheiterter Raumfahrer, Musiker und Drachentöter.Muss sich derzeit als selbstständiger Kulturarbeiter durchschlagen.