0,0… % Kulturausgaben

Kulturpolitikerinnen und Journalisten stellten sich am 29. Juni 1998 auf Einladung der KUPF – Kulturplattform Oberösterreich in der Linzer Stiftergalerie der Diskussion zur Zukunft der EU-Kulturpolitik. Mitdiskutiert haben: Angela Orthner (Erste Präsidentin des OÖ. Landtags), Dr. Hilde Hawlicek (Europa-Abgeordnete, Vizepräsidentin des Kulturausschusses im Europäischen Parlament) sowie Mag. Michael Jungwirth (Journalist, Brüsselkorrespondent mehrerer österreichischer Tageszeitungen)

 

von Sylvia Amann

Das Projekt „EG“, das nach dem Zweiten Weltkrieg initiiert wurde, hat sich die letzten Jahrzehnte als Wirtschaftsunion etabliert. Letztere wird nun als Währungsunion komplettiert. Erst seit dem Maastrichter Vertrag hat man sich gesagt, daß die Europäische Union doch mehr sein sollte. Die Mitgliedsstaaten haben sich für diesen Weg entschieden, und keinesfalls ist es Brüsseler Eurokraten zu verdanken, daß nun die Art. 128 (Kultur) und Art. 126 (Bildung) Aufnahme in den Rechtsbestand der Europäischen Union gefunden haben. Ziel dieser neuen Kompetenzen ist nicht eine einheitliche Kulturförderung für ganz Europa, die Förderung für Kunst und Kultur bleibt zum großen Teil in den Mitgliedsstaaten. Das zugrundeliegende Prinzip ist die Vielfalt der Kulturen. Die Kulturprogramme der EU bieten hier nur eine zusätzliche Möglichkeit. Frau Orthner unterstreicht seitens des Landes Oberösterreich diesen Status quo. Die EU-Förderung eines Kulturprojektes wäre daher auch eher als eine besondere Anerkennung zu sehen. Und für die kleineren Projekte müsse man sich überlegen, ob der Aufwand EU-Mittel in Anspruch zu nehmen, sich rechtfertigt. Dies braucht viel Konsequenz und Durchhaltevermögen. „Bei den kleineren Kunst- und Kulturprojekten“, schließt die Landtagspräsidentin, „sind die Länder, Gemeinden und Sponsoren vor Ort gefordert, diese besonders zu fördern.“

Der Stellenwert der Kultur innerhalb der Union ist äußerst gering, wie Frau Dr. Hawlicek sehr deutlich macht: „Den Stellenwert eines Bereichs kann man nicht an den Sonntagsreden der Politiker messen, denn dann hätte die Kultur eine relativ große Bedeutung. Den Stellenwert des kulturellen Bereichs muß man schlicht und einfach an den Budgetzahlen messen.“ Die Kulturausgaben der EU betragen 0,03 Prozent der Gesamtausgaben, womit der Stellenwert von Kunst und Kultur bereits sehr eindrücklich beschrieben ist. Ein Anteil, der auch mit dem neuen Rahmenprogramm für die Kultur nicht beträchtlich steigen wird, falls es der österreichischen oder deutschen EU-Präsidentschaft nicht doch noch gelingt, das Ruder in Sachen Budget herumzureißen.

Wenig Kompetenzen – Kleines Budget

Michael Jungwirth gibt hier zu bedenken, daß eine Erhöhung des Budgets von Brüsseler Seite automatisch auch immer die Frage nach Kompetenzabtretung aufwirft. Die Frage würde sich also insgesamt anders stellen: Wollen wir in Europa, daß die EU in der Kultur mehr mitreden soll? Hilde Hawlicek, die stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses im Europäischen Parlament, sieht die Gefahr einer alleinigen Kulturkompetenz der Union noch bei weitem nicht gegeben. Wenn man weiß, daß derzeit nur rund 15 Prozent der eingereichten Projekte im kulturellen Bereich auch wirklich eine Förderung der EU erhalten. Eine Erhöhung des gesamten Kulturbudgets von 0,03 auf beispielsweise 0,04 Prozent der Ausgaben würde wahrscheinlich wenig Kompetenzausweitung für Brüssel bedeuten und dennoch viel für Kunst und Kultur ermöglichen. Kunst und Kultur sind nun also seit wenigen Jahren ein Thema, mit dem sich die Union beschäftigt, wenn auch nicht sehr ausgiebig und nicht sehr grundsätzlich. Immer wieder wird Kritik laut, daß sich EU-Kulturpolitik viel zu wenig mit dem Aspekt „Kultur als Sinnstifter“ beschäftigt. Kunst und Kultur werde von der Union immer nur zur Funktion degradiert und somit instrumentalisiert. Kultur solle einen Beitrag zur Erreichung wirtschaftlicher Ziele leisten oder zum „Europa der Bürger“ beitragen.

Instrumentalisierung oder Kultur als Wert an sich

Frau Hawlicek möchte dies differenzierter betrachten und betont, daß im neuen Kultur-Rahmen-Programm „Kultur 2000“ sehr wohl die Kultur als Wert an sich im Zentrum stehen würde. Dennoch gibt es auch bei der Kultur nicht nur „l’art pour l’art“. Die Einbeziehung von kulturellen Projekten in den Bereich der Regionalentwicklung, wie derzeit von der Kommissarin für Regionalpolitik Monika Wulf-Mathies geplant, ist deshalb ebenfalls als positiv zu bewerten. Die gleiche Stoßrichtung wird auch seitens des Landes Oberösterreich eingeschlagen, dessen Vertreter im Ausschuß der Regionen eingefordert haben, daß jedes Regionalförderprogramm in Zukunft auch einen kulturellen Schwerpunkt aufweisen soll. Aber warum wollen Politiker der Kultur zu größerer Bedeutung verhelfen? Geht es darum, die Strahlkraft des eigenen, politischen Projektes oder der eigenen Person zu erhöhen, geht es darum Kreativität und Auseinandersetzung, Austausch der Ideen zu ermöglichen oder doch um eine Senkung der Arbeitslosenziffern mittels der boomenden Kulturindustrien? Gunther Trübswasser, der Kultursprecher der Grünen im OÖ. Landtag, der im Publikum intensiv mitdiskutiert hat, meint: „Ich glaube, das Programm des Kulturmonats (Anm. d. Red.: ‚in Linz‘) nimmt vieles vorweg, was dieses Kulturförderungsprogramm der EU vorgeben soll. Nämlich die Förderung der Eventkultur oder die Dominanz der Eventkultur. (…) Ich halte es tatsächlich für eine verfehlte Kulturpolitik, die immer darauf aufbaut, was publikums-, fernsehwirksam, was sozusagen in die Welt getragen werden kann, (…).“

Kulturelle Versuchungen der Politik

Der Kulturausschuß des Europäischen Parlaments geht hier argumentativ in eine ähnliche Richtung. Die Gefahr innerhalb des neuen Kultur-Rahmen-Programms wird im Schwerpunkt auf die Förderung von Großprojekten gesehen. Wie auch innerhalb der nationalen Kulturpolitiken stürzen sich Politiker gern auf sogenannte Megaevents. Für diese werden dann Millionenbeträge in der Hoffnung auf Popularität und Wiederwahl ausgegeben. Auf der anderen Seite fehlen dann kleinere Beträge. Frau Dr. Hawlicek gibt in diesem Zusammenhang darum auch ein Plädoyer für die Gießkanne ab, „denn nur wenn man gießt, sprießen die Samen und dann haben wir ein riesiges Feld“. Gunther Trübswasser setzt dem eine Gießkanne mit Gießrand entgegen, nämlich konzentriert auf bestimmte Themen, die als förderungswürdig angesehen werden. Die Kritik am Förderprogramm „Kultur 2000“ müsse darum auch an der dadurch intendierten Mainstreamförderung ansetzen, bei der dann die Wirtschaft die zentralen Akzente setze und nicht die Kulturpolitik. Womit eines der derzeit heißesten Eisen der EU-Kulturpolitik angesprochen ist, und zwar das Förderprogramm „Kultur 2000“. Das neue Kultur-Rahmen-Programm soll ab 1. Jänner 2000 in Kraft treten und insgesamt fünf Jahre Gültigkeit haben. Die Konzentration auf ein einheitliches Förderinstrument wird von den Diskutanten grundsätzlich positiv beurteilt. Angela Orthner spricht in diesem Zusammenhang von einem guten Weg. Dennoch betont sie, daß der Zielkatalog mit dem Maßnahmenkatalog noch nicht wirklich auf einer Stufe stehe. Hilde Hawlicek hofft auf eine rasche Einigung. Eines der Hauptprobleme sieht sie in der geringen Budgetausstattung, die derzeit für „Kultur 2000“ vorgesehen ist.

Verbesserung mittels Mitgestaltung

Die Entscheidungen für neue Kulturförderprogramme fällen die nationalen Kulturminister der Mitgliedsstaaten. Generell gesagt: Schimpfen auf Brüssel ändert gar nichts an der europäischen Kulturpolitik. Gunther Trübswasser und Michael Jungwirth bringen in diesem Zusammenhang die Schlüsselargumente innerhalb der Diskussionsveranstaltung auf den Punkt: „Jetzt sind wir dabei, aber jetzt wollen wir die EU auch mitgestalten, von innen“ (Gunther Trübswasser). Brüsselkenner und -korrespondent Michael Jungwirth ergänzt: „Wenn Ihnen das ‚Kultur 2000‘ – Programm ein Anliegen ist, dann müssen Sie Lobbying betreiben, und zwar in Wien beim zuständigen Kulturminister, weil der sitzt mit am Tisch, wenn dann die Entscheidung fällt. So funktioniert die EU.“

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