Stefan Haslinger, Susanne Blaimschein und Elfi Sonnberger fragen ob die Kultur Arbeit oder Kunst ist.
Hat es etwas Anrüchiges, von der Reinheit der Kunst zu sprechen? Der Assoziationsrahmen, der damit verbunden ist, ist groß und bedrohlich. Wenn aber nun die Frage nach einer Reinheit der Kunst schon am Anfang steht, ist die daraus resultierende Frage vielleicht jene nach den ‚reinen‘ KünstlerInnen – nach einem Subjekt, welches Kunst produziert um der Kunst willen, ohne gesellschaftliche Thematiken zu verinnerlichen, zu berücksichtigen oder gar zu verarbeiten. Den Diskursen der letzten 10 Jahre folgend ist dies obsolet.
Mittlerweile sind neue Begrifflichkeiten ins Zentrum der Diskussion getreten. Jener der vielleicht als Gegenansatz zu „l’art pour l’art“ am geeignetsten erscheint, ein ‚Kampfbegriff‘ zu werden, ist ‚Transversalität‘. Transversalität als Hilfsbegriff, den grenzüberschreitenden Gestus kultureller Praxen wiederzugeben. Das Durchbrechen von Paradigmen, das Eindringen in Subkulturen, das Durchziehen, Verbinden und Verketten gesellschaftlicher Felder sind die Forderungen, die über den Diskurs der Transversalität an die Kultur herangetragen werden, und so die neuen Arbeitsbereiche der KulturarbeiterInnen, KunstvermittlerInnen und KünstlerInnen definieren.
Die Frage, die dabei aber zu kurz kommt, ist: Zu welchen Bedingungen wird das verwirklicht?
Einerseits ist im Kunst- und Kulturbereich mittlerweile jede/r zeitweise ‚atypisch‘ – also nicht dem Schema des ‚geregelten Arbeitsmarktes entsprechend‘ – beschäftigt. Der Mc Job ist es, der spätestens seit Naomi Klein’s ‚No Logo‘ als Symbol für kurzfristige, schlechtbezahlte und sozialrechtlich unsichere Arbeitsplätze etabliert ist, in welchem sich die ProponentInnen im Kunst- und Kulturbereich unfreiwillig/freiwillig wiederfinden. Diese – im Graubereich zwischen Zwang und freier Entscheidung – angesiedelte Entwicklung wird in Österreich noch durch eine Kulturpolitik der Erschwernis begünstigt.
Laut dem Bericht der Kulturpolitischen Kommission wurden zwischen 2000 und 2002 die Bundes-Kunstförderungsmittel um insgesamt rund 15% gekürzt, einige Bereiche waren mit weit höheren Kürzungen konfrontiert. Aus der angepeilten Künstlersozialversicherung ist nichts weiter als die Einbindung der KünstlerInnen in die Neue Selbständigenversicherung geworden und aus dem ersatzweise geschaffenen Künstler-Pensionsversicherungszuschußfonds lediglich ein Instrument, das zahlreichen künstlerisch Tätigen, die von ihrem Einkommen her dafür in Frage kommen, die KünstlerInneneigenschaft aberkennt und ökonomisch erfolglosere sowie erfolgreichere KünstlerInnen und künstlerische Tätigkeiten überhaupt ausschließt.1
Das heißt weiter, dass diejenigen, die durch einen Abschluss einer Kunstuniversität fast automatisch in den KünstlerInnenstatus fallen, die Unterstützung der Pensionsversicherung durch ihre jeweilige Interessensvertretung (IG Bildende Kunst, IG Freie Theater oder IG AutorInnen) genießen können. Für diejenigen Menschen, die Autodidakten sind oder einen normalen Universitätsabschluss bzw. andere Weiterbildungsformen vorzuweisen haben, gilt, dass sie sich als neue Selbstständige versichern müssen.
Hierbei ergibt sich – selbstredend – eine gewisse ‚Vertretungsproblematik‘ bzw. die Problematik der Zuständigkeit. Es ist unumstritten, dass der – immer größer werdende – Markt für die neuen Selbstständigen adäquate Vertretung benötigt, und diesem Bedürfnis wird – in arbeits- und sozialrechtlichen Belangen – teilweise auch Rechnung getragen. Der Umstand, dass aber PraktikerInnen im Kunst- und Kulturbetrieb darüber hinaus Möglichkeiten der Absicherung und der Vertretung benötigen, wird aber vernachlässigt. Dies resultiert nicht zuletzt daraus, dass die divergierenden Spezifika nicht im Rahmen der ‚normalen‘ Beratung und Betreuung ausgehandelt werden können, und es ein Mehr an Wissen um die Materie bedarf. Bei den unterschiedlichen Interessensvertretungen wäre dieses Wissen vorhanden, hier klafft aber schlussendlich die Lücke in Hinblick auf die Ressourcenfrage auseinander.
Und da die Betroffenen ständig auf der Suche nach neuen Märkten oder Teilmärkten sind, um ihr Überleben zu sichern, gibt es bis dato ohnehin zuwenig Austausch und Ideen möglicher Vertretungsformen und ihrer Aufgaben. Die Ich-AG lässt grüßen! Da aber Kunst und Kultur nach den selben Prinzipien funktionieren wie der immer freier werdende Markt, ist die Freiheit der VertreterInnen von Kunst und Kultur umso mehr gefährdet. Mit unglaublicher Kreativität werden neue Nischen gefunden, um Bereiche, die in keine vordefinierten Berufsschemata passen, in die Grauzone Kultur hineinzustopfen. Somit entsteht die Umkehrung der Transversalität, der Rückzug auf einen selbstkreierten Beruf, ohne das grenzüberschreitende Moment von Kunst und Kultur noch thematisieren zu können.
Dass sich absolute Flexibilität, Verunsicherung und ,zwanghafter‘ Freiraum auch auf die Ergebnisse auswirken, kann an den Tendenzen in Kunst und Kultur gut abgelesen werden. Der Zwang, den künstlerischen Status zu manifestieren, führt auf der Produktionsebene zu einer tendentiellen Konzeptlosigkeit, bzw. werden bestehende Konzepte in das Korsett einer künstlerisch/kulturellen Produktion gezwängt, die Anerkennung zu gewährleisten.
Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, existieren Begriffe wie Sektor 3 oder Cultural Worker. Vor allem dem letzteren mangelt es aber an Definition und Schlagkraft, welche er innezuhaben scheint. Der Cultural Worker – der als KulturarbeiterIn übersetzt zu kurz greifen würde – soll der/die ProponentIn der Transversalität im Kulturbereich werden. Die Veranstaltungsreihe ‚Establish Cultural Worker‘ widmet sich dieser Thematik, widmet sich der Verankerung von Begriffen und wirft gleichzeitig auch Fragen auf, die im Rahmen dieser Reihe aufgegriffen und diskutiert werden müssen: + Sollen die Cultural Worker eine eigene Berufsgruppe werden? + Soll es eine eigene Interessensvertretung geben? Dies würde aber natürlich eine Abgrenzung bzw. Definition der Aufgabengebiete und Arbeitsfelder des/der Cultural Worker erzwingen. + Würde es genügen, Richtlinien und Empfehlungen für gewisse Tätigkeiten auszugeben , welche durch eine Basisplattform formuliert werden? + Kann durch die Definition und Etablierung eine Aufwertung der Arbeit oder des Berufes Cultural Worker stattfinden?
Die Veranstaltungsreihe ‚Establish Cultural Worker’ist programmiert und durchgeführt von Arbeiterkammer Oberösterreich, Kunstraum Goethestraße und Kulturplattform Oberösterreich.
Die Arbeiterkammer, als etablierte Interessensvertretung der ArbeitnehmerInnen übernimmt seit Jänner 2002 Beratungen für atypisch Beschäftigte. Die Atypischen sind bis dato keine Mitglieder der AK, sollen aber in Zukunft auch die gesetzliche Möglichkeit einer Mitgliedschaft bekommen, um den derzeitigen Entwicklungen am Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen.
Stefan Haslinger Susanne Blaimschein Elfi Sonnberger
1 Zitiert nach dem Bericht der Kulturpolitischen Kommission 2002. Die KPK ist eine Plattform unabhängiger Interessensvertretungen aus dem Kunst- und Kulturbereich. In regelmäßigen Treffen werden spartenübergreifende Problematiken aufgegriffen, um gemeinsam und effizient an Lösungsansätzen zu arbeiten.