Pläne ohne Plan

Andrea Mayer-Edoloeyi mühte sich durch die langerwartete Machbarkeitstudie des Landes OÖ zum Thema Kultur-Internet.

 

Vor drei Jahren, im Sommer 1998, hat der Landeskulturbeirat die Durchführung einer Studie zum Thema Internet und Kultur vorgeschlagen. Nachdem lange Zeit nur gewartet wurde, liegt diese Studie nun endlich vor. Eine Vorabversion vor einem Jahr ließ nichts Gutes ahnen, doch wurden die Befürchtungen kritischer Internetkulturaktivist/innen noch übertroffen. Die KUPF-Zeitung stellt hier die wichtigsten Inhalte der Studie vor, resümiert aber vor allem die Entwicklung in den letzten Jahren zum Thema Kultur und Internet in Oberösterreich, um zu zeigen, daß es auch anders möglich wäre.

Die Anfänge

Innovative kulturelle Aktivitäten, besonders in der zweiten Hälfte der 90-er Jahre ließen in Oberösterreich eine lebendige, vielfältige Internetkulturszene entstehen. Ausgehend u.a. von Kunstprojekten der Stadtwerkstatt (z.B. STWST-TV) entstand – unter Beteiligung der KUPF – servus.at, ein non-commercial Kunst- und Kulturprovider, der sowohl Infrastrukturen (Internet-Zugang, Webspace, …) anbietet als auch selbst im Bereich der Content Produktion aktiv ist. Bei servus.at stehen sowohl für Künstler/innen professionelle High-Tech-Arbeitsmöglichkeiten zu Verfügung als auch für alle Interessierten niederschwellige – kritisch begleitete – Einstiegsmöglichkeiten in Neue Medien. Radio FRO in Linz und das Freie Radio Salzkammergut arbeiteten von Anfang an mit internetbasierten Diensten und insbesondere FRO ist – auch aus einer internationalen Perspektive – Vorreiterin in Sachen Audio im Internet und hat damit neue Perpektiven für Kunstprojekte im virtuellen Raum eröffnet. 1996 wurde das Ars Electronica Center in Linz eröffnet. Mit dem niederschwelligen „Museum der Zukunft“ für alle bietet das AEC mit dem Futurelab Strukturen für professionelle Medienkünstler/innen – insbesonders aus einem internationalen Kontext – im Zusammenhang mit dem Ars Electronica Festival, das es seit 1979 gibt. In vielen Initiativen – auch vielen Mitgliedsinitiativen der KUPF – wurde in den letzten Jahren kulturell und künstlerisch mit dem Medium Internet gearbeitet, ein neues Feld künstlerischer Auseinandersetzung und kritischer, kultureller Arbeit entstand. Die Begriffe Medienkunst, Public Access und Netzkultur finden Eingang in konkrete Projekte, innovative Experimentierplattformen entstehen, Kulturarbeit und HighTech wird zusammengedacht und real umgesetzt.

Positionen und Networking

Im Frühjahr 1998 gab die GFK OÖ die Studie „Medium Internet und die Freie Szene“ (Autorin Sabine Bauer) heraus. Auf Basis dieser Überlegungen entwickelte sich die Debatte weiter. KUPF und servus.at formulierten im Sommer 1998 ein Positionspapier zu „Cultural Highway“ mit der Forderung nach dezentralen Medienwerkstätten in den oberösterreichischen Regionen, dem Ausbau von servus.at als Knotenpunkt und die Schaffung günstiger Einwahlmöglichkeiten ins Internet für Kulturinitiativen. 1998 nahm sich auch der Landeskulturbeirat des Themas an: das Land Oberösterreich gab daraufhin eine Machbarkeitsstudie zum Thema Kultur und Internet in Auftrag. Insbesondere durch Networking-Arbeit wurden die Grundlagen der inhaltlichen Qualität der Internetkulturarbeit weiterentwickelt. In Wien treffen sich im Dezember 1998 im Rahmen von „Netzkultur.Österreich“ Expert/innen aus Kultur, Kunst und Internet. Im gemeinsamen Positionspapier, dem „gelben Papier“, werden Strategien formuliert, wie der Spaltung der Gesellschaft in „User“ und „Loser“, der Entwicklung neuer Machteliten durch Initiativen der freien Szene entgegengewirkt werden kann. Stichworte sind Public Access (offener Zugang), die Schaffung offener Produktionsstrukturen und eine breit-bandige Anbindung der Inititiaven an Kulturnetze, ein Cultural Backbone im Internet. Politik und Verwaltung haben auf die neuen Trends bisher nur sehr beschränkt reagiert. Um dem Abhilfe zu schaffen, wird eine eigene Abteilung für Medienkunst und Netzkultur innerhalb der Bund-Kunstsektion gefordert, die sowohl für Strukturförderung (Investitionen/Personal/Infrastruktur) als auch für Projektförderung und Unterstützung von Contentproduktionen zuständig sein soll. Aktivitäten für einen European Cultural Backbone folgen. Im Mai 1999 findet in Linz die Medienkonferenz statt, ein Netzwerktreffen von Initiativen aus den Bereichen Print, Radio, Internet und Fernsehen. Mit der „Linzer Erklärung“ werden gemeinsame Inhalte und Ziele festgemacht: Medienpolitik wird als umfassend gesellschaftsgestaltendes Politikfeld begriffen und die bewußte Gestaltung von Rahmenbedingungen zur Ermöglichung von Inhalten und Vielfalt von der Politik eingefordert. 2000 formiert sich aus der Virtuellen Plattform, einem losen Zusammenschluss von non-commercial Kultur-Internetinitiativen das Konsortium Netzkultur, in dem die Kunst- und Kulturknoten in Österreich (in Oberösterreich servus.at) zusammenarbeiten und gemeinsam auftreten. Im Mai 2000 überarbeiten KUPF und servus.at ihr Positionspapier zum Cultural Highway und betonen nocheinmal, daß oberste Priorität die Finanzierung von dezentralen Medienlabors ist.

Politik und Verwaltung: „Internet bitte warten!“

Angesichts dieser oben skizzierten Entwicklung möchte man/frau meinen, daß Politik und Verwaltung des „HighTech- und Kulturlandes Oberösterreich“ oder die Bundesebene („eAustria“, …) diese Impulse freudig aufgegriffen haben und Rahmenbedingungen geschaffen haben, die eine innovative, vielfältige Entwicklung von Kunst und Kultur in und mit dem Internet fördern. Dem ist nicht so: in das AEC in Linz wurde investiert, einzelne Projekte von Medienkünstler/innen und in der freien Szene wurden ermöglicht, doch noch immer gibt es keine klaren Förderstrukturen für Internetkulturprojekte beim Land OÖ, noch immer wird (mit einem Kunstbegriff des 19. Jahrhunderts) zwischen Kultur- und Kunstprojekten auseinanderdividiert, noch immer scheint es nicht viel Plan für die Weiterentwicklung seitens der Verwaltung und Politik zu geben.

Die Studie

Da nicht viel passiert ist zum Thema Kultur und Internet beim Land Oberösterreich, haben Kulturaktivist/innen auf die Fertigstellung der Studie „Kultur-Internet-Projekte des Landes OÖ“ gehofft. Sehr lange: 3 Jahre! Autor der Studie war offenbar ein sehr guter Techniker, der aber kaum KnowHow über die spezifischen Konstruktionsmechanismen des Kunst- und Kulturbereichs hat und nur fallweise mit Kulturschaffenden Kontakt hatte. Es gab im Zuge der Erstellung der Studie auch Kontakte mit KUPF und servus.at – doch wurden die inhaltlichen Vorschläge nicht oder kaum berücksichtigt, oder hier aufgeworfene Fragestellungen einfach offen gelassen.

Die Studie trifft zum Thema, wie es mit der Internetanbindung und -projekten der Kulturinitiativen weitergehen soll, keine definitiven Aussagen. Der Begriff Cultural Highway kommt zwar im Zusammenhang mit Kulturinitiativen vor. Es wird nur gesagt, daß es möglich ist, die Leitungsanbindung über gemietete Postleitungen oder ein eigenes Leitungsnetz zu realisieren – was ohnehin immer klar war. Was inhaltlich mit einem dezentralen Cultural Highway oder regionalen Medienlabors geschehen kann – auf Basis der innovativen Entwicklungen der letzten Jahre in Oberösterreich – ist gar nicht Thema. Das Wort „Puclic Access“ kommt zwar im Text vor, wird aber nicht in einer demokratie- und kulturpolitischen Relevanz analysiert. Gänzlich fehlen inhaltliche Überlegungen, welche neuen Möglichkeiten die technische Entwicklung (z.b. Streaming Applications – Liveübertragung von Audio und Video übers Internet) für Kunst und Kultur bietet oder wie für junge MedienkünstlerInnen die benötigten Infrastrukturen auch dezentral und einfach zugänglich geschaffen werden können.

Inkompetente Profilierungsversuche

Anstatt der Entwicklung eines nachhaltigen Konzepts für eine innovative Internetkulturpolitik in Oberösterreich, gibt es in dieser Machbarkeitsstudie Vorschläge, die offenbar dazu dienen sollen, Oberösterreich als innovatives Kulturland zu profilieren. Diese eröffnen aber keine Perspektiven für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der kulturellen und künstlerischen Inhalte. Geschaffen werden soll eine datenbankbasierte Kultur-Website des Landes, die allgemeine Informationen, Adressen und Links zu Künstler/innen/homepages zur Verfügung stellt. Ob diese Site auch Kultur-Termine enthalten soll, geht aus dem Text nicht schlüssig hervor. Für die inhaltlich-redaktionelle Betreuung der Datenbestände soll nicht einmal eine Vollzeitstelle geschaffen werden. Beispiele aus Österreich, aber auch in einem internationalen Kontext zeigen, daß es so sicherlich nicht funktioniert. Wenige kommerzielle Projekte, wie z. B. http://www.events.at, schaffen es mit massivsten Mittel- und Personaleinsatz (Millionen!) halbwegs, Daten aktuell zu halten, wirklich funktionieren aber nur Projekte mit zentralen Datenbeständen, aber dezentraler Datenpflege. Da aber Kulturveranstalter/innen und Künstler/innen selten die Ressourcen haben, alle Daten doppelt, drei- oder vierfach einzugeben und sicherlich auch begründete Bedenken gegen die absolute kommerzielle Verwertung ihrer Arbeit haben, braucht es ergänzend ein flexibles Konzept, so daß zentral in einer Datenbank gelagerten Daten z. B. auch für die eigene Website verwendet werden können. Ein funktionierendes (nicht-kommerzielles!) Beispiel ist hierfür http://www.culturebase.org in der BRD.

Solch komplexe Fragen wie Mehrsprachigkeit für grenzüberschreitende Projekte oder die Entwicklung von Kooperation mit (technisch anders funktionierenden) bestehenden Datenbanken werden überhaupt nicht angesprochen (waren aber im Vorschlag des LKB angesprochen). Bedenklich ist auch, daß laut Studie durch eine „Kooperation“ der OÖN-LiveRadio-OÖ-Online-Konzern mit Geldmitteln der Landes offenbar indirekt gefördert werden soll.

Ändert sich diese Herangehensweise des Landes Oberösterreich nicht, muß man/frau einfach resümieren: Lieber gar nichts als das. Und fragen: Will sich das Land Oberösterreich blamieren?

Einzelprojekte statt Konzepte

Neben dieser Datenbank werden zwei weitere Projekte skizziert: Mobile Internet-Container sollen durch die oberösterreichischen Regionen wandern und Kulturinformationen per Internet vor Ort anbieten oder als Basisstationen für Kunstprojekte dienen. Hier ist vor allem auch aufgrund des fehlenden inhaltlichen Konzepts (kennen wir das nicht von der Musiktheater-Debatte?) fraglich, was das soll. Zudem ist zu bemerken, daß die geplante breitbandige Anbindung per Funkmodem sowieso nur an sehr wenigen (zentralen) Orten funktionieren wird (außer bei extrem teuren technischen Varianten z.B. über Satellit) – also der Wunsch der Dezentralität so einfach technisch nicht machbar ist. Da die Container nur etwa 2 Wochen an einem Ort bleiben sollen, steht auch die Frage der Nachhaltigkeit einer solchen Herangehensweise im Raum. Darüberhinaus soll ein High-Tech Medienlabor geschaffen werden – im Offenen Kulturhaus in Linz. Dazu ist wieder nicht viel im Text zu finden, außer das sowas fast 4 Millionen ATS kostet (wirklich? – die Aktualität der Preise und technischen Konzepte mag bezweifelt werden). Zu fragen ist hier einfach, warum das Land OÖ nicht gemeinsam mit der Stadt Linz das AEC für die Spitzenförderung in der Medienkunst weiter ausbaut, sondern offenbar hier das Rad neu erfinden will.

Offene Fragen

Angesichts der meist unklaren und unkonkreten Inhalte der Internet-Studie des Landes, fragt man/frau sich einfach, wie es weitergehen soll. Viele offene Fragen der Szene an Politik und Verwaltung bleiben unbeantwortet: • Was ist mit dezentralen Medienlabors? Wie funktioniert das technisch? Was passiert da inhaltlich? Gibt’s den Cultural Highway in Oberösterreich? • Wie kann die Zusammenarbeit von Internetinitiativen mit Projekten aus dem Bereich Audio und Video funktionieren? Sind nicht gerade freie Radios und Projekte aus dem Fernsehbereich interessante Basisstrukturen für weitere Impulse? • Reicht das AEC für die Spitzenförderung in der Medienkunst? Braucht es weitere Ressourcen? Braucht es diese Ressourcen auch dezentral und nicht nur in Linz? • Reicht es wirklich aus, Künstler/innen für eine zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit auf Schulungen im AEC, im WIFI und BFI zu verweisen? Oder ist Medienkompetenz vielleicht doch etwas mehr als Email verschicken und HTML können? • Gibt es Veränderungen im Fördersystem des Landes für Medienkunst, Netzkultur und die Vermittlung von Medienkompetenz? Wie schaut aus dieser Perspektive ein Finanzierung-Mix aus Kultur- und Bildungsmitteln des Landes aus? Sind Bildungsförderungen für Kulturinitiativen überhaupt zugänglich? Glaubt wirklich irgendwer ernsthaft, daß ein Internet-Computer auf jedem Gemeindeamt die Bezeichnung „Public Access“ verdient? Antworten gibt es, wenn es den politischen Willen gibt Die freie Kulturszene hat ihre grundsätzlichen Antworten längst formuliert. Die Positionspapiere gibt es, die Inhalte werden laufend weiterentwickelt, in der Praxis erprobt und neu adaptiert. Entscheidend wird sein, Politiker/innen und Beamt/innen zu überzeugen, daß die vorliegende Studie des Landes keine brauchbare Basis ist, sondern daß es Konzepte braucht, die dezentral wirken, die Möglichkeiten eröffnen, die Neues wagen, die der inhaltlich-technischen Entwicklung gerecht werden. Klar ist, daß das etwas kostet und es dafür öffentliche Finanzierungen braucht. Die Frage ist nur: wird Geld ausgegeben für planlose Profilierungsversuche oder gibt es Geld für eine spannende, offene, impulsgebende Weiterentwicklung. Das Land Oberösterreich hätte hervorragende Vorrausetzungen, ein Medienkulturland zu werden, wo nicht eindimensionale Profilierung und Orientierung an Kommerz und Quote im Mittelpunkt stehen, sondern Vielfalt, Diskursbereitschaft und Kompetenz. … also tun wir was …

Die KUPF wird im Herbst das Thema Cultural Highway weiterbearbeiten, Gespräche führen und detaillierte Positionen entwickeln. Das Netzwerk Medienpädagogik (http://www.servus.at/medpaed) arbeitet derzeit in Kooperation mit anderen Organisationen an einer Studie unter dem Arbeitstitel „Medienlabors“. Darin soll es um die technischen, aber vor allem auch inhaltlichen Vorstellungen von dezentralen Medienwerkstätten gehen.

Über Anregungen dazu freut sich die Autorin unter ame@servus.at Die KUPF-Zeitung wird weiter berichten.

Andrea Mayer-Edoloeyi

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