Resumée über eine Tagung zum Thema Grundsicherung.
von Heidi Ambrosch
Immer wieder wurden in den letzten Jahren verschiedene Modelle von Grundsicherung und Grundeinkommen als Alternative zu den jetzigen sozialen Netzen diskutiert. Besonders heuer, im internationalen Jahre des „Ehrenamtes“, wird diese Thematik wieder verstärkt von der Politik aufgenommen.
„Ehren“wert ist die im allgemeinem Verständnis freiwillige, nicht auf Entgelt ausgerichtete Tätigkeit im sozialen Bereich – das Ehrenamt. Im traditionellen Arbeitsbegriff, der Arbeit nur als bezahlte anerkennt, bleibt dieses „Amt“ wie auch das Haus- und Familien“management“ unsichtbar, obwohl es sich um gesellschaftlich notwendige Arbeit handelt. Zuschreibungen wie Freiwilligkeit oder Selbstbestimmung sind Verklärungen, um die Frage nach Einkommen und vor allem auch sozialrechtlicher Absicherung nicht aufkommen zu lassen.
Die Bandbreite der mit dem Ehrenamt gemeinten Tätigkeiten ist groß. (Siehe Kupf 90/1/01 Boeker/3.Sektor). Die damit vor allem verbundene Arbeit in der Jugend-, Sozial- und Altenhilfe sowie im Gesundheitswesen wird fast ausschließlich von Frauen geleistet. Bereits 1996 hat die ehemalige Leiterin der Frauengrundsatzabteilung (eine mitlerweile aufgelöste Abteilung im Sozialministerium) Inge Rowhani aufgeschlüsselt, dass 300.000 Frauen in ehrenamtlichen Tätigkeiten in einem Umfang beschäftigt sind, der 150.000 Vollzeitarbeitsplätzen – bei vollem Lohnverzicht – entspricht. Und diese Zahl wird sich unfreiwillig erhöhen, wenn der Umbau des Versicherungs- und Gesundheitssystems vollzogen ist und Kinder, Kranke, Pflegebedürftige der privaten „Vor- und Fürsorge“ anheim gestellt sind.
Ehrenamtlich und privat wird soziale Verantwortung übernommen, die im neoliberalen mainstream von der gesellschaftlichen auf die individuelle Ebene abgeschoben wird. Konservative Politik untermauert dies damit, dass sich nicht alle Frauen im Beruf verwirklichen könnten und wollten, sondern ihre Zufriedenheit in der Familie, im Unternehmen Haushalt fänden. Aber auch Mr. Giddens, Berater des Vertreters sozialdemokratischen Neoliberalismus Toni Blair, formuliert: „Die Familie ist die grundlegende Einheit der Zivilgesellschaft.“ Modernisiert und vor allem der Realität steigender Scheidungszahlen Rechnung tragend, werden weitreichende Freizügigkeiten über die möglichen Formen des Zusammenlebens zugestanden, Hauptsache selbstverantwortlich.
Nur in der Frage der Kinder brauche es Verpflichtung und Verantwortung. Nein, auch nicht gesellschaftlicher, sondern mittels eines „Elternschaftsvertrags“. Unverheiratete und verheiratete Väter hätten dabei die gleichen Rechte und Pflichten ähnlich der „gemeinsamen Obsorge“? Auch in der sozialdemokratischen Umdeutung von Familie und Betonung der Zivilgesellschaft geht es um den Rückbau des Sozialstaates und damit um die Zementierung der geschlechtshierarchischen Arbeits- und Einkommensteilung.
Grundsicherung – akuter Handlungsbedarf Nicht die Arbeit geht uns aus, das wissen Frauen am besten, nur die Einkommen eines Großteils der Arbeitenden werden geringer oder fehlen ganz, obwohl der Reichtum wächst. Notwendig wäre die Erfassung aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit und ihre Verteilung auf alle, bei entsprechenden Mindesteinkommen. Dass Armut in den reichsten Ländern der Welt zum akuten gesellschaftlichen Problem geworden ist, bestreitet zwar niemand mehr, dennoch bedarf es großer Anstrengungen, der Individualisierung des Problems, des gegenseitigen Ausspielens, der Sozialschmarotzerdebatte entgegen zu treten. Der Sozialdarwinismus des Fleißigen, Tüchtigen, Schönen dominiert den herrschenden neoliberalen Konsens. Die dazugehörende Mutterkreuzideologie folgt bei Fuß mit einer Gebärprämie für alle – ausgenommen eines Teils der Migrantinnen.
Die Notwendigkeit einer zweigleisigen Strategie – qualifizierte Berufsarbeitsplätze und Mindestsicherung – wurde auf einer Tagung zum Thema „Grundsicherung als Modell“ im Bildungshaus St.Virgil Anfang des Jahres unterstrichen.
Grundsicherung wird als Überbegriff aller Modelle verwendet, die entweder als Grund- oder als Basiseinkommen unabhängig von Erwerbsarbeit, jedenfalls unabhängig von vorhandenem Einkommen, ausbezahlt werden oder die als Mindestsicherung, als Sozialleistung konzipiert sind, die nur an jene ausbezahlt werden, deren eigene Mittel nicht ausreichen. Warum reicht das vorhandene Netz nicht? Warum versagen Notstands- und Sozialhilfen in der Armutsprävention? In erster Linie, weil es keinen Rechtsanspruch und keine existenzsichernden Mindestgrenzen gibt. Überfällige Forderungen sind ein bundesweit einheitliches Sozialhilfegesetz sowie die Abkoppelung aller Leistungen von PartnerInneneinkommen.
Derzeit wird von einer Armutsschwelle von 7000,- (Netto-Pro-Kopf-Einkommen der Haushalte) ausgegangen. Jeder weitere Erwachsene wird mit 0,7 und Kinder bis zum 15. Lebensjahr mit 0,5 gewichtet (in Anlehnung an die Methode des Statistischen Zentralamtes). Zwei Erwachsene plus ein Kind müßten demnach 15.400,- an Mindestsicherung erhalten bzw. bei vorhandenen geringeren Einkommen die entsprechende Ausgleichszulage. Der große Streitpunkt: unabhängig von möglicher Erwerbsarbeit und Einkommen? Denn sofort drängen sich Fragen auf wie: Für wieviele lohnt sich dann Arbeiten noch, bei geringfügiger Beschäftigung oder Teilzeitarbeit z.B.? Unterstützt das nicht den Verdrängungsprozess von Frauen?
Andererseits verstärkt sich der Druck am Arbeitsmarkt in Richtung Zwangsvermittlung in mieseste Jobs, ohne Rücksicht auf Betreuungspflichten? Diese Fragen machen deutlich, dass es um ein Bündel von Maßnahmen gehen muss, vor allem muss es auch – wieder auf das Ehrenamt zurückkommend – um den massiven Ausbau kommunaler und sozialer Infrastruktur gehen, wo mindestens 150.000 bezahlte Erwerbsarbeitsplätze zu schaffen wären, wahrscheinlich sogar um ein Vielfaches mehr, hat man die Gesamtpalette dieser Arbeit vor Augen.
Mindestsicherung wäre durch Umverteilung finanzierbar, dem kann allerdings nur folgen, wer neoliberale Prämissen und Nulldefizitmythen nicht als gottgegeben hinnimmt. Die Bandbreite der staatlichen Einflussnahme ist trotz Einschränkungen durch die EU-Währungsunion noch immer sehr groß. Dass z.B. die Regierung Kapital- und Vermögenssteuer nicht auf dem durchschnittlichen EU-Niveau einhebt, multinationale Konzerne de facto keinerlei Gewinnbesteuerung unterliegen, war und ist die Entscheidung Österreichs.
Fazit: Erwerbsarbeit und Mindestsicherung, damit sich „Ehre“ auch lohnt.
Heidi Ambrosch
Die Tagung „treffsicher an frauen vorbei? grundsicherung als modell“ fand im Februar in Salzburg statt. Eine Dokumentation ist als Tagungsband mit Berichten und Positionspapieren der Parteien zum Thema Grundsicherung ab Ende Mai im Frauenbüro des Landes Salzburg erhältlich.
Bestellungen unter: Büro für Frauenfragen und Gleichbehandlung des Landes Salzburg Hellbrunnerstr. 7, 5020 Salzburg Tel: 0662-8042-3400