Die kulturpolitische Dividende der Steiermark

Die KUPF-Zeitung startet eine Rundschau über die kulturpolitischen Gegebenheiten in den anderen Bundesländern. Am Beginn steht eine Analyse der steirischen Situation nach einem Wechsel in der Leitung des Kulturressorts.

 

von Edith Zitz

Drei Phänomene, die feinstofflich den Körper Steiermark mitbestimmen, liegen meinen Überlegungen zugrunde.

Die Entöffentlichung des Raumes

Die herrschende Politik verengt kollektives Territorium. Der Versuch einen Paragrafen „Unfugabwehr“ einzuführen, der Jugendliche, die sich beim „Kulturgut“ Erzherzog-Johann-Brunnen am Grazer Hauptplatz aufhielten, bestrafen sollte, verbildlicht das unschlagbar. Und Kulturpolitik ist die Burg in der Burg der Landespolitik. (So heißt der Regierungssitz tatsächlich) Unnahbar und zugleich intimisierend mit einzeln erwählten AkteurInnen handeln die Kulturlandesräte. Von Krainer über Schachner bis Hirschmann. Förderungsvergabe erfolgt ebenso freihändig wie einstimmig in der Drei-Parteien-Proporzregierung. Mehrjahresverträge, Standard in Wien und Graz, überfordern die steirische Kammeralistik. Das Areal für Analyse und Konfrontation wird systematisch ausgedünnt bzw. domestiziert. „Keine talking heads“, heißt es. Ohne Ausbildungsangebote gehen junge Leute aus der Steiermark weg – und bleiben weg. ÖS 8 Mio. wurden an den ORF als „Filmförderung“ für pure Steiermark-Hommagen vergeben – das 16-fache der tatsächlichen Filmförderung.

Zugleich wurde der Diagonalepreis wegen eines regierungskritischen Inserats im Katalog ausgesetzt. Interessenvertretungen, die aus einer kritischen Öffentlichkeit hinein in die kulturpolitische Burg agieren, bleiben unerwünscht. Die Fragmentierungen gerade der freien Szene dadurch forciert. Macht macht sich noch behaglicher ihren Raum.

Der rasende Stillstand dank Events

Die Zeitgestaltung schlägt raffiniert zu: zuerst verzetteln, dann mit Druck und ent-öffentlicht umsetzen. Der ehemalige Kulturreferent Schachner übernahm nach einem Wahlsieg der SPÖ 1995 das Kulturressort. Sein Profil: Großevents zwischen traditionellem Jazz und Gauguin, organisiert von gleich zwei Kulturabteilungen (ein österreichweites Unikat). Die jährlichen Landesausstellungen, die inclusive PR etwa öS 100 Mio. benötigen, obwohl vorrangig der Regionalförderung und Revitalisierung dienend, werden absurderweise aus dem Kulturbudget finanziert. Schleichend destruktiv entsteht der Keil zwischen „Hochkultur“ und „Volkskultur“. Mit dem Ziel zu entwerten: die virtuelle Hochkultur als elitär, teuer und unnahbar, die virtuelle Volkskultur als dumpf, gratis und marktschreierisch. Auch Graz als europäische Kulturhauptstadt 2003 steht unter diesem Druck. Die Finanzierung des Kunsthauses in Graz, seit 15 Jahren strittig, steht übrigens erst durch eine punktuelle Kooperation der ÖVP und der Grünen.

„How to transform desire into law“

Diese Anleihe bei Augusto Boal zeigt den Zug vom Impuls zur Verrechtlichung. Das Kulturförderungsgesetz ist mit seinen 15 Jahren wertvoll. Historisch wertvoll. Freie Radios, neue Medien, Spartenübergreifendes kennt es nicht. Die freie Szene fällt ins Leere, vom goodwill einzelner BeamtInnen abhängig. Der Kulturbeirat erhält öS 18 000 im Jahr, kann seinen Auftrag als Schrittgeber hin zu einer zeitgemäßen, fortschrittlichen Kulturpolitik kaum erfüllen, mangels Kompetenzen. Ausformuliertes, wie bei der Kulturförderungsenquete 2000, bleibt ohne Konsequenz. Und: Kulturpolitik steht zunehmend unter dem Verwertungsdruck der Standort- und Wirtschaftspolitik. Das ist zweischneidig. Neben dem Kompliment des auch „woanders“ Wahrgenommenwerdens, kocht ein unzumutbarer Legitimationsdruck in Richtung Martkfähigkeit und Verquotisierung hoch.

Diese drei Elemente formen ein spezielles Amalgam. Für Irritierendes, Nachdenkliches, Leidenschaftliches statt Oberflächenveredelung fällt die steirische Dividende mager aus. Noch.

Edith Zitz

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