Liebe Ruhige, Dauerbeschallte, Unruhe-Stifter*innen und Pause-Suchende!

Es gibt Tage, an denen die Welt zu laut wird. Schlagzeilen, Push-Benachrichtigungen, Krisen – alles schreit nach Aufmerksamkeit.

Da scheint Ruhe wie ein seltener Luxus. Ein Gegenentwurf zu einer Gesellschaft, die Beschleunigung und das Laute als Norm verkauft und Stille überhört. Doch was bedeutet Ruhe in einer Welt, die niemals schläft? Ist sie Rückzug? Privileg? Widerstand?

Ruhe ist für uns Menschen wichtig und auch in unserer Leistungsgesellschaft gibt es Personen, die sie im Alltag leben. Sie sind nicht immer sichtbar und laut, aber wenn wir hinsehen, finden wir sie. Aber nicht jede*r kann sich Ruhe leisten. Prekarisierung, Mehrfachbelastungen, gesellschaftliche Unsicherheiten – all das macht Rückzug oft unmöglich. Für manche Menschen ist Ruhe sogar überlebenswichtig – etwa für Care-Arbeitende, Neurodivergente, Menschen mit Behinderungen, Introvertierte. 

Gerade im Kulturbereich sind diese Spannungsfelder spürbar. Wir arbeiten in einer Branche, die häufig von Lautstärke, Ehrenamt und Selbstaufopferung geprägt ist und gleichzeitig sind wir als hauptamtliche Kulturtätige mit den gleichen Herausforderungen wie viele Arbeiter*innen, Angestellte und Selbstständige konfrontiert: Wie planen wir Pausen zwischen Meetings? Wo braucht es Ruhezonen? Wie Reizüberforderung verhindern und Lärm(schutz) einsetzen? Welche Konzepte für Arbeitsgesundheit und Achtsamkeit wir etablieren können, ohne uns über sie als einen weiteren Punkt auf der To-Do-List zu ärgern, zeigt Carmen Bayer (Seite 7). Wieso wir denken, noch mehr Produkte und Veranstaltungen anbieten zu müssen, hinterfragt die Kritikkolumne (Seite 10). Und wie wir Kunst und Kultur ruhiger konsumieren können, regt Hannah Stuck im Leitartikel an (Seite 5).

Durch Kunst und Kultur geprägte Veranstaltungen oder Prozesse werden häufig als Orte wahrgenommen, an denen wir atmen, hören, fühlen können. Aber was, wenn Bühnen leer bleiben? Wenn Stimmen nicht mehr gehört werden, Diskurse und Meinungsvielfalt verstummen, kulturelle Räume verschwinden, Fördertöpfe gestrichen und Budgets gekürzt werden (Seite 12)? 

Bleiben wir ruhig, sichtbar und laut!
Ella Kronberger und Tamara Imlinger

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