Eine unbezahlbare Leistung gegen den Fachkräftemangel

Vom Bibliothekenverband und der Bauernkapelle über den Wirtschaftsprofessor zum Landeskulturbeirat herrscht Einigkeit: Es braucht Kultur in Oberösterreich. Wie, warum und wo?

Jakob Kapeller, Elisabeth Leitner, Elke Gross, David Thaller, Sebastian Brameshuber, Johanna Maringer, Mario Friedwagner und Victoria Schuster nehmen Stellung.

 


 

Kultur ist eine Leistung

Kulturelle Leistungen sind ein wesentliches öffentliches Gut – ein öffentliches Gut, das bildet, entspannt und neue Perspektiven eröffnet. Wer das Angebot kultureller Leistungen beschneidet und KulturarbeiterInnen prekarisiert, stellt sich also gegen die Bildung, gegen die Entspannung und gegen das Eröffnen neuer Perspektiven. Soziale Leistungen sind ebenso ein öffentliches Gut – ein öffentliches Gut, das Ausgleich schafft, Absicherung bietet und Menschen auffängt. Wer das Angebot sozialer Leistungen beschneidet und soziale Arbeit prekarisiert, stellt sich also gegen den Ausgleich, die Absicherung und das Auffangen von Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Beides macht unser Land ärmer – geistig ärmer, moralisch ärmer und, letztlich, auch ökonomisch ärmer und zwar dann, wenn die Kürzung und Prekarisierung soweit geht, dass bewährte Leistungen nicht mehr angeboten werden können und erfolgreiche Institutionen der Kultur- und Sozialpolitik durch finanzielle Perspektivenlosigkeit existenziell gefährdet sind.

Jakob Kapeller
Institutsvorstand JKU – Forschungsinstitut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft, Schriftführer Jahoda Bauer Institut

 


 

Ein Sparstift wird zum Radiergummi

Anton Bruckner, Adalbert Stifter, Franz Welser-Möst, Valie Export, Rudolf Habringer sind Teil dieser Kulturlandschaft. Sie sind keine Zufallsprodukte. Wer als Künstler/in nicht etabliert ist, hat es ohnehin schwer, von seiner oder ihrer Kunst zu leben. Das wird nun zum Teil unmöglich gemacht. Viele künstlerische Impulse werden einschlafen, kreative Werkstätten zusperren. Wem nützt das? Wenn der Sparstift zum Radiergummi wird, dann zahlen den Preis dafür wir – und unsere Kinder. Was braucht es für ein gutes Leben? Unbedingt Kultur. Von Anton bis Zechyr. Ohne Minus. Alles andere kostet viel zu viel Geld.

Elisabeth Leitner
Kulturredakteurin KirchenZeitung

 


 

Einfach unbezahlbar

Bibliotheken und regionale Kulturinitiativen sorgen, meist auf ehrenamtlicher Basis, für die kulturelle Nahversorgung, sie machen Orte lebenswerter, setzen sich kritisch mit gesellschaftlichen Verhältnissen auseinander, öffnen Augen, erweitern den Horizont, entwickeln Visionen, ermöglichen persönliche Weiterentwicklung und bauen Brü- cken. Kunst und Kultur sind wesentliche Bedürfnisse der Gesellschaft und leisten einen wichtigen Beitrag zu ihrer fruchtbaren Entwicklung in Freiheit und Verantwortung.

Ähnlich wie Bibliotheken sind auch regionale Kulturinitiativen eben nicht nur das elitäre Hobby einiger TräumerInnen und IdealistInnen, die Kosten verursachen und fast keine Einnahmen zu verzeichnen haben, sondern sie sind viel mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile. Die Emergenz des Systems «Kultur» übertrifft problemlos die Kosten und den Aufwand, die sein Betrieb verursachen. In Summe ist Kulturarbeit einfach unbezahlbar wertvoll und das sollte sich im Budget des Landes als Haltung auch wiederfinden lassen.

Elke Gross
Vorsitzende Landesverband der oberösterreichischen Bibliotheken

 


 

Fachkräfte, Kultur, Mangel

Eigentlich sollte Oberösterreich stolz sein auf sein großes Kulturangebot. Für mich ist es jedenfalls einer der wichtigsten Gründe, meinen Job in Hagenberg auszuüben und nicht wie die Vielzahl meiner BerufskollegInnen in eine Großstadt zu gehen. Aber ein Linz ohne KAPU oder Stadtwerkstatt, ein Wels ohne Schl8hof und ein Freistadt ohne Local-Bühne wären unsagbar fad. Und wenn Oberösterreich schon jetzt mit einem Mangel an Fachkräften im IT Bereich kämpft, dann wird es sicher nicht einfacher, Leute hierher zu holen, wenn das Kulturangebot schrumpft. Ein reiches Land wie Oberösterreich sollte seine Kultur und die dahinter stehenden Vereine unterstützen – was wäre das denn sonst für ein Signal? Am Ende profitieren ja alle von einem reichhaltigen Kulturangebot.

David Thaller
Softwareentwickler

 


 

Kunst in der Verfassung

Oberösterreich ist bekannt für seine ausgeprägte Musikszene, für die vielen ausgezeichneten Nachwuchsmusiker_innen, das breitgefächerte Angebot von Klassik über Volksmusik bis Jazz – was, nicht zuletzt, der (noch bestehenden) Förderung durch das Land zu verdanken ist. Gerade mir als Saxophonistin ist es ein Anliegen, diesen Umstand nicht durch Kürzungen zu torpedieren. Musik, Kultur im Allgemeinen, leistet einen äußerst wichtigen Beitrag zu einer solidarischen, inkludierenden Gesellschaftsentwicklung; ein Bundesland, eine Gesellschaft ohne kulturelle Ambitionen würde einen drastischen Eingriff in unser aller Zusammenleben bedeuten.

In unserer Verfassung, genauer im Staatsgrundgesetz, ist das Grundrecht Kunstfreiheit normiert. Eine Kürzung der Mittel würde durch das der finanziellen Situation geschuldete geringere Angebot eine faktische (Teil)Beschränkung der Ausübung von Kunst bedeuten und daher wohl nicht im Sinne der hohen Standards unserer Verfassung sein.

Johanna Maringer
Musikerin (Bauernkapelle Pilsbach, OÖ Jugend Jazz Orchester) und Jus-Studentin

 


 

Geistige Vorarbeit jenseits der Marktlogik

Durch Austeritätspolitik geraten Ausgaben für Kunst und Kultur europaweit unter Rechtfertigungsdruck. Im Bemühen, den gesellschaftlichen Mehrwert von Kunst und Kultur nachzuweisen, greift der Kulturbetrieb immer öfter auf Argumentationsmuster zurück, die auf eine wirtschaftliche Umwegrentabilität («Bruttowertschöpfung») verweisen. Das ist einerseits gut und richtig. Andererseits darf darüber nicht in den Hintergrund geraten, dass Kunst und Kultur einen gesellschaftlichen Mehrwert generieren, der sich jenseits der Marktlogik entfaltet. Genau dort soll und muss er sich auch entfalten, wenn Kunst und Kultur ihren gesellschaftlichen «Auftrag» wahrnehmen sollen.

Politischen EntscheidungsträgerInnen sei in Erinnerung gerufen, dass es sich bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht um wirtschaftliche, sondern in erster Linie um, auf geistige Vorarbeit beruhende, soziale Errungenschaften handelt, zu deren Erdenken und Erreichen Kunst- und KulturarbeiterInnen maßgeblich beigetragen haben. Wenngleich das gesellschaftliche Zusammenleben in seiner aktuellen Form von vielen als Normalzustand empfunden wird und sich der größte Teil der Bevölkerung nicht in vordemokratische Zeiten zurücksehnt, ist der Status quo eines relativ friedlichen Zusammenlebens in Wohlstand mitnichten selbstverständlich. Er ist auch nicht selbsterhaltend und er bedarf mehr als nur wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Wirtschaft kann eben nicht Selbstzweck, sondern nur Rahmenbedingung sein; eine nützliche Hülle, die aber nicht per se von Sinn erfüllt ist noch vor ideologischem Unsinn schützt, zumal wenn diese Hülle an manchen Stellen dünner wird oder sogar Risse aufweist, weil ungleich verteilter Reichtum und ungleiche Chancen für eine Gesellschaft immer eine Belastungsprobe bedeuten.

KulturarbeiterInnen und KünstlerInnen der unterschiedlichsten Felder und Disziplinen rackern sich ab, um mit den bescheidenen Mitteln, die ihnen die Gesellschaft dafür zur Verfügung stellt, ihre Aufgabe – ihre gesellschaftliche Rolle – wahrzunehmen. Diese Rolle ist nicht vollständig definiert, sie kann und darf es auch gar nicht sein. Mit einer klaren Agenda versehen wären Kunst- und Kulturarbeit wirkungsund zahnlos. Sie bestehen gleichermaßen im Flicken wie im Einreißen sowie einer Vielzahl weiterer konstruktiver wie destruktiver künstlerischer Bearbeitungen jener Hüllen, Blasen und Schleier, welche das gesellschaftliche Miteinander umgeben oder umnebeln. Diese Arbeit entzieht sich meistens und aus gutem Grund der unmittelbare Mess- und Darstellbarkeit mittels Zahlen und Statistiken. Ein schwerer Stand in einer Zeit, die Produktivität und Effizienz sowie deren Messbarkeit zum Maß aller Dinge erklärt hat und in der Ausgaben der öffentlichen Hand mit grundsätzlichem Misstrauen hinterfragt werden.

Doch so, wie der Job einer FinanzreferentIn nicht in Frage gestellt wird, weil sich beim Referieren der Budgetzahlen keine Poesie einstellen will, darf jener einer Kunst- und KulturarbeiterIn nicht in Frage gestellt werden, weil sich ihr Schaffen der trockenen Darstellung in Zahlen widersetzt.

Sebastian Brameshuber
Filmemacher, Vorstandsmitglied dok.at, Vorstandsmitglied Verband Filmregie Österreich

 


 

Kulturelle Nahversorgung und soziale Innovation

Regionale Kulturinitiativen und ihr Angebot bilden das Rückgrat unseres Soziallebens. Von der freien Szene bis zur Volkskultur arbeiten viele OberösterreicherInnen an der kulturellen Gestaltung Oberösterreichs. Eine große und bunte Mischung aus Vereinen sorgt für kulturelle Nahversorgung, für gesellschaftliche Teilhabe und für soziale Innovation im Lande. Jede weitere Kürzung dieses massiv unterdotierten Bereichs führt unweigerlich zu einer Schwächung der Regionen und der Zivilgesellschaft. Lasst uns gemeinsam das Kulturland retten!

Victoria Schuster
Vorsitzende der KUPF OÖ

 


 

Aufschwung

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise wurde uns gesagt, es gäbe keinen Spielraum, um die ohnedies geringen Förderungen anzupassen oder zu erhöhen. Wir wurden stets auf die Zeit des Aufschwungs verwiesen. Nun hat sich die Wirtschaft erholt und für nächstes Jahr prognostiziert die WKO ein Wachstum von knapp 3 % in OÖ. Also, gerade jetzt von Kürzungen in einem ohnedies unterfinanzierten Bereich zu sprechen grenzt an Zynismus! Vielmehr geht sich wohl beides aus, – die Förderungen der Freien Szene zu erhöhen und die Kulturlandschaft für die nächsten Jahre abzusichern. Nicht zuletzt daran wird der neue Kulturreferent in zehn, fünfzehn Jahren gemessen werden.

Mario Friedwagner
Geschäftsleitung Freies Radio Salzkammergut

 

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