Kulturhauptstadt Bad Ischl

Im Frühjahr 2017 haben die Salzkammergutgemeinden ihren Willen bekundet, sich gemeinsam mit dem Flaggschiff Bad Ischl als Kulturhauptstadt2024-Region zu bewerben. KUPF-Aktivistin Julia Müllegger hat den Ischler Bürgermeister Hannes Heide ins Bundeskanzleramt begleitet.
 

7 Uhr, Ebensee am südlichen Traunseeufer, Austragungsort des Festival der Regionen 2015 und der Gamsjagatage 2016. Regen und Nebel.

Radelnd eile ich zum Ebenseer Landungsplatz, um pünktlich zum Bürgermeister ins Auto zu steigen. Gemeinsam wollen wir die Fahrt nach Wien antreten. Unser Ziel ist ein Workshop für interessierte GemeindevertreterInnen im Bundeskanzleramt, der den Bewerbungsprozess für die Europäische Kulturhauptstadt 2024 schmackhaft machen soll. In früheren Diskussionen hat Hannes Heide betont, dass ihn vor allem der Bewerbungsprozess an sich begeistere. Denn vorangegangen ist dem heutigen Workshop bereits ein einjähriger, regionaler Prozess, angestoßen vom Uni-Projekt kulturhauptstadt2024.at. Er möchte, sagt er, durch sein Vorhaben wichtige Impulse für Bad Ischl und das Salzkammergut setzen. In meiner Wahrnehmung waren das bisher vor allem touristische Impulse, doch davon sprechen wir im Sonnsteintunnel nicht weiter.

Auch der Ebenseer Kulturaktivist Klaus Wallinger, den wir in Wien treffen werden, ist auf das Thema aufgesprungen. Seine Idee eines Kulturentwicklungsplans für das Salzkammergut könnte durch den Prozess realisiert werden. Heide und Wallinger hat der Wille vereint, die Region Salzkammergut neu zu definieren. Sie plädieren für ihre Vision, die Region um eine europäische Dimension zu erweitern und sehen im Bewerbungsprozess eine Weichenstellung für viele weitere Entwicklungsmöglichkeiten.

7:30 Uhr, Bezirkshauptstadt Gmunden am nördlichen Traunseeufer, Ö3 laut, leerer Stadtkern, das Zentrum zeitgenössischer bildender Kunst in der Region.

Im Vorbeifahren verweist Heide auf einen ersten Überzeugungserfolg bei der Bürgermeisterkonferenz in Gmunden. Ende März stimmten dort alle BürgermeisterInnen einstimmig für den Bewerbungsprozess. Nicht verneinen kann er dabei die Zurückhaltung der kleinen, wenig touristischen Gemeinden am nördlichen Rand des Bezirks, die sich in Anbetracht der Bewerbungskosten und der Akzeptanz in der Bevölkerung skeptisch zeigen.

7:45 Uhr, Autobahnauffahrt Regau, lauter Ö3 Verkehrsfunk.

Auch die politische Zustimmung von Gemeinden des steirischen bzw. salzburgischen Salzkammergutes sei bereits in Aussicht gestellt, so Heide. Die Bewerbung werde damit ein länderübergreifendes Projekt sein, angeführt von der Stadt Bad Ischl, welche die Einreichung übernimmt. Auch die Teilnahme der Attersee-Gemeinden sei nicht ausgeschlossen, sofern der politische Wille dafür formuliert werde.

Die Region bildet dann vielmehr ein touristisches Salzkammergut ab als einen geologisch oder kulturell gewachsenen Raum. Doch gerade die Neudefinition der Region wird eine wesentliche inhaltliche Herausforderung des Bewerbungsprozesses sein.

8:45 Uhr, Linz, im Vorbeifahren immer noch Stahlstadt. Ö3 laut. Den Prozess von der Industrie- zur Tourismusregion hat das Salzkammergut schon früher gemacht, damit ist bei einer Jury nicht zu punkten.

Welche Voraussetzungen bringt das Salzkammergut für die Bewerbung mit? In der Abwicklung bestimmter kultureller Ereignisse – traditionelle Brauchtumsveranstaltungen, Festivals diverser Sparten, Landesausstellungen – hat die Region Erfahrung. An namhaften internationalen Institutionen oder Erfahrungen fehlt es.

Heide erklärt, dass ein Fokus der Bewerbung auf der Aufarbeitung von Zeitgeschichte liegen müsse, auch Migration sei ein thematischer Brennpunkt, Emigration und Immigration seien in der Region ein ständiges Faktum. Er zeigt sich erschüttert über die Bildungslücken in der Region: „20-jährige wissen nicht, wie die Amis damals der Region geholfen haben“.

9 Uhr, A1 auf der Höhe Mauthausen, Ö3 sehr laut, Nachrichten.

Normalerweise, erklärt Heide freundlich, sei er erst nach 9 Uhr und ein paar Tassen Kaffee ansprechbar und ich versuche, nun eine Weile nicht mehr gegen die Musik anzureden.

10:30 Uhr, Wien, Concordiaplatz.

Ankommen im Bundeskanzleramt, Sektion Kunst & Kultur. Wir verlieren in den nächsten paar Stunden nicht viele Worte. Vorbei am Begrüßungstisch im BKA wenden wir uns beide anderen GesprächspartnerInnen zu. Arno Perfaller, der St. Wolfganger Lobbyist für eine Kulturhauptstadt-Bewerbung, steht Heide schon zur Seite. Ich freue mich, den ehemaligen KUPF-Geschäftsführer Stefan Haslinger zu treffen, der mit einer kleinen Delegation aus Wels anwesend ist. Eine Welser Bewerbung sei, wie er schildert, in weiter Ferne. Zunächst stehe die Umstrukturierung des Kulturamtes an.

11 Uhr, Wien, Bundeskanzleramt. Begrüßung, Workshops, Arbeitsgruppen. Kathrin Kneissl, Oliver Scheytt, Patrick S. Föhl, Ulrich Fuchs am Podium. Etwa 35 TeilnehmerInnen aus dem Salzkammergut, Wels, Bregenz, Dornbirn, Murtal / Judenburg, Krems, St. Pölten und Baden.

Das Thema des ersten Workshops „Kulturstrategie und Evaluierung“ wird durch Patrick S. Föhls Referat aufbereitet und dann auf fünf Arbeitstischen, geleitet von vier Männern und einer Frau, weiter besprochen. Vor allem die Sinnfrage bei der Erstellung von Kulturentwicklungsplänen führt zu kontroversen Diskussionen. Doch diesem Prozess wird keine Bewerbung aus dem Weg gehen können, denn jede Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt muss eine Vision und regionale Entwicklungsstrategie bis zum Jahr 2030 beinhalten. Partizipationsansinnen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen steht die Überzeugung eines autoritär gesteuerten Bewerbungsprozesses gegenüber.

Die Salzkammergut-Delegation teilt sich auf: Heide wandert zum Tisch “BürgerInnenbeteilgung”, Wallinger und ich widmen uns mit Ulrich Fuchs der Beteiligung von Kunst- und Kulturschaffenden und der Frage, welche gesellschaftlichen Gruppen in die Bewerbungsprozesse eingebunden werden.

Zwischendurch, Bundeskanzleramt, Networking vor der Türe, Luft schnappen mit Peter Kowatsch und Rauchen mit Ulrich Fuchs.

Dem Referat von Ulrich Fuchs über „Prozessbegleitung und Ergebnissicherung – Monitoring und Evaluierung für Kulturprojekte“ folgen regional besetzte Arbeitstische, die positive und negative Aspekte der jeweiligen Region zusammenfassen sollen. Mit knappen, sattelfesten Worten trägt Heide, der einzig anwesende Bürgermeister, abschließend seine Punkte für das Salzkammergut vor: Er möchte im Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung Architektur und Baukultur im Salzkammergut im Sinne verbesserter Lebensqualität intensiv bearbeiten. Ein Imagewandel von der Traditions- zur zeitgenössischen Kultur soll sowohl das Überdenken der Tourismusstrategien als auch erhöhte Sichtbarkeit von Jugendkultur ermöglichen. Die Aufarbeitung von Zeitgeschichte und ein Bekenntnis zur Vielfalt seien notwendig. Die zu setzenden Maßnahmen sollen Lebensqualität steigern, die Chancen der Jungen erhöhen, die Abwanderung reduzieren.

Abfahrt pünktlich um 16 Uhr. Es gibt ja noch weitere Termine für den Bürgermeister.

17 Uhr, Ö3 Nachrichten, „Es lebe unser schönes Oberösterreich“. Thomas Stelzer wird neuer Landeshauptmann von Oberösterreich.

19 Uhr, Ankunft in Ebensee. Die Hitparade kenne ich nun auch.

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