Graue Theorie und der grüne Baum der Praxis

Kulturförderungsgesetze im Vergleich. Ein Beitrag von Juliane Alton.

In den Kulturförderungsgesetzen der Bundesländer (alle außer Wien haben eines) wird eine Aufgabe aufgegriffen, die den Ländern aufgrund der Kompetenzartikel der Bundesverfassung quasi automatisch zufällt. Alles, was nicht dem Bund oder den Gemeinden ausdrücklich überantwortet ist, bleibt den Ländern überlassen [Artikel 15 Bundesverfassungsgesetz].  – Die Länder greifen diese Aufgabe im Rahmen ihrer Privatwirtschaftsverwaltung auf, mit ihren Fördergesetzen verpflichten sie sich zur Förderung.

Das erste diesbezügliche Gesetz hat sich erstaunlicherweise Vorarlberg 1976 gegeben, doch als zweites Bundesland folgte gleich Oberösterreich. Nur um den Geist der 1970er Jahre in Vorarlberg (und Österreich) zu beschwören, sei hier der damalige Kulturbegriff des (mittlerweile außer Kraft getretenen) Gesetzes zitiert: «Kulturelle Tätigkeit im Sinn des Absatz 1 ist die geistige und schöpferische Erfüllung und Gestaltung der Welt des Menschen, die über das Notwendige und Nützliche hinaus geht […].» (Hervorhebung durch die Autorin).

Man ging damals also davon aus, dass Kultur weder notwendig noch nützlich sei! Dennoch fühlte man sich verpflichtet, sie zu fördern. Im oberösterreichischen Kulturförderungsgesetz geht es im Gegensatz dazu schon zeitgemäß zur Sache. In der ausführlichen Präambel heißt es: «Kultur schafft Lebensqualität und ist die Basis für ein menschenwürdiges Dasein.» Oder, wie der Kulturmanager und Linz-09-Mitarbeiter Ulrich Fuchs sich bei der Vorarlberger Kulturenquete im Landtag (26. 2. 2015) ausdrückte: «Der Unterschied zwischen bloßer Existenz und wirklichem Leben ist die Kultur.»

Was ist Kultur laut Gesetz?

Um einen Vergleich der jetzt geltenden Gesetze zu ermöglichen, werden im Folgenden drei Fragestellungen auf ausgewählte Gesetze angewendet. Gewählt wurden die neueren oder neulich novellierten, nämlich jenes aus Tirol (2010 novelliert), jenes aus Vorarlberg (2009 neu), aus der Steiermark (2005 neu und 2012 novelliert) und aus Niederösterreich 1995. Die Fragestellungen lauten:
• Wie ist Kultur definiert? Welcher Geist spricht aus der Kulturauffassung?
• Wie erfolgt die Beurteilung, welche Verfahren werden angewendet?
• Welche Besonderheiten hat das jeweilige Gesetz?

Tirol verzichtet auf eine Definition seines Kulturbegriffs, so wie im Übrigen auch das Bundeskunstförderungsgesetz (1987) ohne Definition des Kunstbegriffs auskommt.

Vorarlberg verzichtet nicht, spricht aber nur vom «kulturellen Leben», das gefördert wird: «Das kulturelle Leben erstreckt sich auf Kunst, Wissenschaft, Bildung und Pflege des kulturellen Erbes. Es wird getragen von den Kulturschaffenden und von Personen, die in den genannten Bereichen vermitteln.»

Die Steiermark definiert ihren Kulturbegriff so: «Kulturelle Tätigkeiten im Sinne dieses Gesetzes sind geistige und schöpferische, produzierende und reproduzierende Leistungen sowie die Auseinandersetzung mit ihnen. Kulturelle Tätigkeiten sind unverzichtbar für die Entwicklung der Gesellschaft, geben der Gesellschaft und der Wirtschaft wesentliche Impulse und tragen ein starkes Innovationspotenzial in sich. Kultur im Sinne dieses Gesetzes ist ein offener, durch Vielfalt und Widerspruch gekennzeichneter gesellschaftlicher Prozess von kultureller und künstlerischer Produktivität und Kommunikation.»

In Niederösterreich klingt es so: «Kultur sollte ein auf individueller Kreativität und gesellschaftlicher Toleranz beruhender offener Prozeß sein, durch den menschliche  Lebensbedingungen, Verhaltensweisen und Lebensformen vermittelt, gestaltet oder zukunftsbezogen entwickelt werden.»

Tatsächlich ergibt sich der Kulturbegriff, dort wo er nicht definiert ist, auch implizit aus den Förderzielen. Oftmals werden da einfach die bekannten Sparten aufgezählt (wie in Tirol), mitunter wird das Thema der Zeitgenossenschaft hervorgehoben und dem kulturellen Erbe gegenüber gestellt (Vorarlberg, Steiermark). Auch die Prozesshaftigkeit der Kultur ist ausdrücklich in Niederösterreich und in der Steiermark ein Thema. Auseinandersetzung, Widerspruch, Spannungsfelder und kritische Öffentlichkeit werden in Vorarlberg, in der Steiermark und in Niederösterreich als produktiv gewürdigt. Die Fragen der Vermittlung und der Teilhabe werden im Lauf der Zeit wichtiger und sind mittlerweile in fast allen Gesetzen ausdrücklich genanntes Förderziel.

Die Eigenheiten

Die Steiermark war das erste Bundesland, das explizit auf seine eigenständige Fördertätigkeit verweist, unabhängig von der Förderwilligkeit anderer Gebietskörperschaften. Im Gegensatz dazu verweist Tirol ausdrücklich auf das Prinzip der Subsidiarität in der Förderung, also darauf, dass eine Fördertätigkeit der Gemeinden erwünscht, wenn auch nicht Voraussetzung ist, wobei die Gemeinden keine Verpflichtung zur Kulturförderung trifft.

Die Verfahren müssen alle den Grundsätzen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes) standhalten. Sie müssen also gesetzlich geregelt und für die dem Gesetz Unterworfenen nachvollziehbar sein sowie eine zweckmäßige und sparsame Verwendung öffentlicher Mittel gewährleisten. Insofern wäre es nicht notwendig, solche Grundsätze im Kulturförderungsgesetz zu wiederholen. Das geschieht aber vorzugsweise in jenen Gesetzen, die auch darauf hinweisen, dass auf die Förderung kein Anspruch besteht.

Beiräte für das Formulieren von Förderempfehlungen an das zuständige Regierungsmitglied gibt es in jedem der hier behandelten Bundesländer außer in Niederösterreich, hier wird auf das Fachwissen von Expert/innen inner- oder außerhalb der Landesregierung vertraut, sowie immerhin die Möglichkeit der gremialen Beurteilung eingeräumt. In Tirol wird die Zahl und die Themenstellung der Beiräte klar festgelegt, es besteht kein Spielraum. Vorarlberg zählt eine Reihe von notwendigen Beiräten auf und überlässt es der Regierung weitere einzurichten (was bereits geschehen ist in Bezug auf «Landeskunde»). In der Steiermark ist ein übergreifendes Kulturkuratorium eingerichtet, das sich wiederum durch Fachexpert/innen beraten lassen kann.

Was ist wirklich entscheidend?

• Wer beurteilt und nach welchen Grundsätzen werden die Gremien bestellt?
• Erfolgt die Mitteilung über die Förderhöhe bzw. die Absage inhaltlich und nachvollziehbar begründet?
• Gibt es die Möglichkeit, vor einer Absage ein Vorhaben dem Beurteilungsgremium vorzustellen? (Steiermark!)
• Sind die inhaltlichen Kriterien, nach denen beurteilt wird, offen gelegt? (Meist zu wenig!)
• Gibt es die Möglichkeit zum (regelmäßigen) Austausch mit den Gremien? (Vorarlberg)
• Werden zeitnahe Berichte über die Fördertätigkeit veröffentlicht und welche Ansprüche an den Bericht gibt es? (z.B. Aufschlüsselung nach Geschlecht in Vorarlberg)
• Sind mehrjährige Förderverträge vorgesehen? (In Vorarlberg ja, aber ohne praktische Bedeutung).

Was ist in Oberösterreich besonders?

Oberösterreich nimmt mit seinem Kulturförderungsgesetz seit langem eine besondere Position ein. Kultur wird in einer umfangreichen, philosophisch anmutenden Präambel definiert und wertgeschätzt. Oberösterreich nimmt für sich in Anspruch, unabhängig von anderen Förderstellen seine eigene Förderpolitik zu betreiben und strebt nur Abstimmung an (in der Praxis wird die Abstimmung jedoch wichtig genommen – zum Schaden der unabhängigen Förderposition).

Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass kein Rechtsanspruch auf Förderung bestehe. Dazu ist zu sagen, dass Kulturförderung zwar privatrechtlich erfolgt (also nicht hoheitlich, nicht bescheidmäßig), dass den Förderwerber/innen aber dennoch ein Rechtsanspruch erwachsen kann, nämlich dann, wenn sie sonst in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt werden.
Zur Frage mehrjähriger Förderungen gibt es keine Regelung, in der Praxis besteht lediglich ein mehrjähriger Fördervertrag für das Musiktheater in Linz. Ähnliches wäre für die Freie Szene anzustreben. Die Praxis der Steiermark mit mehrjährigen Fördervereinbarungen belegt die Vorteile für alle Seiten. Der oberösterreichische Landeskulturbeirat scheint produktiver zu sein als andernorts, immer wieder gehen Projekte von ihm aus. Das liegt möglicherweise am Bestellungsmodus, in den die Kulturschaffenden mit einem Vorschlagsrecht eingebunden sind.

Gesetz und Förderrichtlinien

Viele entscheidende Fragen für die Bewältigbarkeit von Förderansuchen sind jedoch nicht in den Gesetzen, sondern in den dazugehörigen Förderrichtlinien festgelegt, die durch Regierungsbeschluss (ohne öffentliche Landtagsdebatte) geändert werden können. Von ihnen hängt beispielsweise ab, wie aufwändig Ansuchen und Abrechnungen sich gestalten und wie schnell oder zögerlich Überweisungen erfolgen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein gutes Gesetz wichtige Impulse zu geben vermag, dass Papier jedoch geduldig ist und ein gutes, ein Einzelbereichen wegweisendes Gesetz wie das steirische, nicht unbedingt dazu führt, dass die Fördertätigkeit in vorbildlicher Form erfolgt. Sowohl ideologische Haltungen als auch fachlich- andwerkliche Mängel können die Dynamik eines vorbildlichen Gesetzes untergraben. Immerhin ermöglicht es den Kulturschaffenden, sich darauf zu berufen und den positiven Geist des Gesetzes zu «beschwören».

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Juliane Alton, Jahrgang 1966, ist Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg und langjähriges Vorstandsmitglied der IG Kultur Österreich. Am Vorarlberger Kulturförderungsgesetz hat sie auf Einladung des damaligen Kulturreferenten Markus Wallner wesentlich mitgewirkt. → igkultur.at

 

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