Über den Frieden in Ottensheim

Anatol Bogendorfer über die Stadtfuzzis, die Landeier und eine neue Spezies, die OheimerInnen.

 

Oberösterreich als Ganzes ist in drei Teile geteilt, von denen den einen die Stadtfuzzis bewohnen, den anderen die Landeier und den dritten jene, welche in ihrer Sprache Oheimer, in unserer Ottensheimer genannt werden.

Mit diesen Worten hätte ein römischer Feldherr namens Caesar vielleicht das hiesige Bundesland beschrieben, würde er im Jahr 2008 noch immer drauflos erobern und mit seinen Kommentaren Stoff für den humanistischen Bildungskanon liefern. So aber langweilen sich die AHS-ler einstweilen noch immer bei der Übersetzung von den ersten paar Zeilen der »Comentarii de bello gallico« und müssen, um die Wahrheit über den gallischen Krieg zu erfahren, im Asterix-Sammelband nachschlagen. Dort taucht auch jenes gallische Dorf auf, mit dem sich eine Gruppe Kulturschaffender in Ottensheim oft verglichen sehen möchte und dessen gemütliche Opposition zu jeglicher Form der kulturhegemonialen Vereinnahmung tatsächlich Gründe dafür liefert.

Das Bemerkenswerte und Wunderbare an dieser Gemeinschaft im Unteren Mühlviertel erschließt sich daraus, dass in Ottensheim selten jemand fundamental sein »Dagegensein« untermauert, sondern viele der dort Ansässigen über die Grenzen der eigenen politischen und sozialen Verortung hinaus lösungskompetent agieren. Typisch Land, möchte man meinen, jedeR kommt mit jedem/jeder irgendwie schon zurecht. So typisch ist das nun aber nicht, denn wo andernorts über Generationen hinweg der Dreck unter den Teppich gekehrt wird, zeugen einige Projekte in Ottensheim davon, wie´s besser gehen könnte. Das Jugendzentrum Ottensheim – kurz JO – ist eines dieser Projekte und schließt in diesen Tagen seine Pforten am Marktplatz von Ottensheim; allemal ein Grund zur retrospektiven Huldigung.

Zu Beginn der 1990er Jahre waren Jugendzentren auch im ländlichen Gebiet schon en vogue bzw. haben ÖVP und SPÖ längst kapiert, dass sich Jugendarbeit nicht mehr allein im Pfarrheim oder im Werkskindergarten verrichten lässt. So äußerte sich auch in Ottensheim der Wunsch nach einem Jugendzentrum, nur dass dort eine Gruppe Jugendlicher einfach selbst ihr Schicksal in die Hand nahm und das JO gründete, welches als eines der ersten und wenigen parteiunabhängigen Jugendzentren in Oberösterreich gelten darf. Die Gemeinde stellte bis auf Widerruf ein Abstellkammerl am Marktplatz umsonst zur Verfügung und schickte mit der Ahnung – »Das gibt´s nicht lang!« – die Jugendlichen ins Abenteuer. Es wurde mehr als nur ein Abenteuer. Gedacht als »Freiraum im Ort…und damit wir nicht immer nach Linz hinunterkoffern müssen« entwickelte sich das JO laut Mitbegründer Wodo Gratt über eineinhalb Jahrzehnte zum Treffpunkt, Konzertort und zur Ideenwerkstätte, hauptsächlich für Jugendliche, aber auch für die mitwachsende alternative Kulturszene. So hatte das JO direkt etwas mit der Gründung des mittlerweile renommierten Open Airs in Ottensheim zu tun, da schlicht und einfach die Räumlichkeit des JOs zu klein für den oft überbordenden Publikumsandrang bei Konzerten wurde. Indirekt entstand aus dem Umfeld des Jugendzentrums (und des Kulturvereins Arge Granit) auch die Partei »Pro O«, ein politisches Phänomen per se, stellt diese Partei doch nach jahrelanger konstruktiver Arbeit im Kleinen nun auch die Bürgermeisterin von Ottensheim. Das machen die OheimerInnen einfach so! Dass ein selbstorganisiertes Jugendzentrum mitten im Ort eine fast genuine Angriffsfläche für manch engstirniges Gemüt bietet, ist klar. Aber trotz diverser Probleme mit AnrainerInnen und Polizei haben die jeweiligen BetreiberInnen (also die Jugendlichen selbst) sich und den restlichen Einwohnern stets bewiesen, wie Organisationskultur und Jugendarbeit jenseits sozialpädagogischer Doktrinen aussehen kann. »Wenn du hineinspeibst, aber das Ganze selber wegputzt, dann funktioniert´s!«

Funktioniert haben die Veranstaltungen, meistens Konzerte, ebenso wie der Austausch und die Vernetzung mit anderen Kulturinitiativen sowie mit Bands und KünstlerInnen aus dem In- und Ausland. Legendär sind so manche Abende im JO, das übrigens nie den Charme des belebten Abstellkammerls verloren hat – legendär, weil mitunter das Publikum seine hemmungslose Freude am Kulturrausch mit einer dem Stadtmenschen bisher unbekannten Form der »Bierschlacht« tätlich manifestierte.

Das Ende des JOs in der jetzigen Form liegt in einer Abmachung mit der Gemeinde begründet, deren Umbaupläne für das Gebäude von Anfang an kommuniziert waren. Dementsprechend lamentierten die AktivistInnen in Ottensheim nun nicht lange herum, sondern nahmen das abzusehende Ende des JO zum Anlass, neue Pläne zu schmieden. Ende 2007 wurde von den mittlerweile der Jugend entwachsenen ein neuer Kulturverein namens KOMA gegründet, der »ohne momentane Ansiedlung« Konzerte, Theateraufführungen und Lesungen im Ort organisiert. Zu dessen Aktivitäten und Plänen wird sicherlich an dieser Stelle alsbald mehr zu berichten sein. Den heute sechzehn- bis neunzehnjährigen schwebt ein neues autonomes Jugendzentrum im Ort vor. Kein Zweifel, dass dies wieder gelingen wird.

So blicke auch ich unbekümmert in die Zukunft und werde dann, wenn mir die Stadt wieder einmal zu groß und das Land zu klein erscheint, Ottensheim als Freund – nicht Eroberer – aufsuchen und kommentieren müssen: JO – I miss you quite a bit!

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