Warum halten wir am Begriff des Museums fest?

Ab 1. April 2020 wird Alfred Weidinger, derzeit Leiter des Museums der Bildenden Künste in Leipzig, Direktor des Oberösterreichischen Landesmuseums. Sigrid Ecker hat ihn zu seinen Plänen für Oberösterreich interviewt.

Sigrid Ecker: Herr Weidinger, wie werden Sie Ihre neue Rolle anlegen?
Alfred Weidinger: Es geht mir darum, einen guten Job zu machen, damit auch wirklich etwas im Land ankommt. Ich habe meine Kindheit teilweise in Seewalchen am Attersee oder auch in Bad Goisern verbracht und vom Landesmuseum nichts mitbekommen. Irgendwie ist das nicht ganz richtig, denn es ist ein Landesmuseum, trägt auch den Namen des Landes und so gesehen ist es wichtig, dass dieses Museum für die Oberösterreicher*innen da ist. Das heißt, wir gehen auch hinaus in die Regionen. Zu erwarten sind einige sehr interessante Konzepte und Projekte, um nämlich genau eines zu verhindern: Dass Menschen sagen, eigentlich ist diese Institutionen an mir vorübergegangen, ich habe nichts davon gehabt. Das ist eine Frage der Wertschätzung. Man fühlt sich verantwortlich, man fühlt sich zuständig.

Die Auslagerung vom Landesmuseum in eine Gesellschaft ist geplant. Wieso, was ist denn der Vorteil einer solchen GmbH?
Ganz einfach: Bestimmte unternehmerische Strukturen schaffen Flexibilität. Wenn zwei, drei Leute krank werden, muss eine Landesorganisation erst einmal in den Personalentwicklungsplan schauen und kann nicht sofort nachbesetzen. Das verlangsamt Entscheidungsprozesse. In einer GmbH kann ich die Ausschreibung bedeutend schneller machen und das ist wichtig. Museen haben sich verändert, sind Dienstleister*innen geworden. Nebenbei bemerkt ist es auch nicht lustig, wenn man Erfolg verbucht, viele Besucher*innen hat, im Museumsshop guten Umsatz macht und am Ende des Tages jeder einzelne Euro, den man verdient, wieder abgeführt wird in die große Kasse des Landes oder des Staates. So gesehen schafft das eine gewisse Mobilität und Motivation vor allem für die Mitarbeiter*innen.

Gibt es Nachteile einer GmbH?
Natürlich ist das Ganze sportlich zu nehmen, denn der Leistungsdruck erhöht sich. Die GmbH erzeugt eine Erwartungshaltung, sowohl von politischer Seite als auch von den Menschen, die in diesem Lande leben.

Welche Auswirkungen wird die anstehende Sanierung für die Mitarbeiter*innen haben?
Es ist ein Umstellungsprozess, der natürlich auch Ängste mit sich bringt, aber die kann man im Gespräch auflösen. Eine GmbH ist keine Gefahr, denn für die Mitarbeiter*innen ändert sich nichts. Sie bleiben in ihrem Gehaltsschema, haben weiterhin alle sozialen Vorteile von Landesbediensteten. Vor allem der Evaluierungsprozess, den wir vorhaben, bringt diverse organisatorische und bauliche Veränderungen mit sich. Die Standorte des Landesmuseums wurden in der Vergangenheit eher vernachlässigt. Im Bereich des Francisco-Carolinum stehen Sanierungen an. Dort werden nahezu zwei Drittel des Gebäudes von der Verwaltung belegt. Das macht keinen Sinn. Das ist ein Haus für die Öffentlichkeit! Daher überlegen wir gerade ganz intensiv, wohin wir die Verwaltung übersiedeln. Ein anderes Beispiel: Unsere grafische und die Foto-Sammlung sind im Dachgeschoß des Francisco-Carolinum. Das ist hoch brandgefährlich. Daher beginnt am 1. April die Übersiedlung. Wir haben ideale Räume gefunden und es ist es uns auch gelungen, den Mitarbeiter*innen jede einzelne Sorge, die zur Umstellung aufgetaucht ist, zu nehmen.

Laut dem Stellenplan des Landes wird sich heuer und nächstes Jahr die Zahl der Personalposten nicht än­ dern. Wird es überhaupt genügend Personal geben?
Ja, die Personalstruktur finde ich sehr gut. In den nächsten zwei bis drei Jahren gehen relativ viele Mitarbeiter*innen in Pension; diese Posten können nachbesetzt werden, was sehr günstig ist. Mit Beginn der GmbH werden wir wahrscheinlich zwei neue Stellen schaffen. Zusätzlich haben wir als GmbH jetzt auch die Möglichkeit, mit Volontär*innen und Praktikant*innen zu arbeiten.

Es wird also keine Abteilungsauflösung geben, es werden keine Standorte zusammengelegt, die Landesgalerie nicht ins Schlossmuseum integriert, etc.? Da hat es ja Gerüchte oder Pläne gegeben.
Klar, die Depots werden aufgelöst. Wir haben ein zentrales Depot und überlegen, eventuell auch noch weitere Räume anzumieten, mit dem Ziel, diese etwa fünf unterschiedlichen Depots an einem Standort zusammenzufassen. Da geht es um Synergien in Hinblick auf Sicherheit und Bearbeitung. Da werden also Arbeitsplätze verlegt.

Hand aufs Herz, jede*r renommierte Museums­ expert*in sagt, dass die KTM Motohall keinesfalls
ein Museum, sondern ein Marketinginstrument ist. Schließen Sie sich dem an?
Es ist beides. Die Museumsdefinition ist veraltet. Diese sogenannten Museumsexpert*innen, die Sie ansprechen, sehen Museen als Institutionen des 19. Jahrhunderts. Das Museum hat sich aber weiterentwickelt. Gestehen wir doch dem Museum viel mehr zu, sind wir doch toleranter! Warum halten wir am Begriff des Museums fest? Wenn Sie fragen, was kann ein Museum sein, dann sage ich: So viel wie möglich. Das Entscheidende eines Museums ist, dass man eine Sammlung zeigt – und die Firmensammlung wird in Mattighofen definitiv gezeigt.

Der wirkliche Skandal in dem Fall war ja nicht der Be­ griff, sondern eben die Förderpraxis.
Ich versuche, da zu trennen. Dass die Freie Szene weniger Geld bekommt, tut mir weh. Ich setze mich auch
in Leipzig intensiv für diese Szene ein. Leipzig ist die schnellst wachsende und jüngste Stadt in Deutschland und sie funktioniert deswegen so gut, weil es eine großartige Freie Szene gibt, die von der Stadt unterstützt wird. Ich denke, dass man als Kultur GmbH hier auch aufzeigen kann. Wie gesagt, wir sind und fühlen uns zuständig, also werde ich schon auch mein Wort erheben. Wenn ich eine Möglichkeit sehe, der Freien Szene zu helfen, sei es durch direkten, persönlichen Kontakt oder durch einen Ratschlag, den ich durchaus auch imstande bin, Politiker*innen zu geben, dann werde ich das machen. Der Dialog ist für mich etwas ganz Entscheidendes.

Dieser Text wurde für die Printversion gekürzt. Nachhören des Interviews in voller Länge auf → cba.media/443601

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