Refugees welcome

Asylwerberinnen docken bei ehrenamtlichen, zum Beispiel bei Kultur-Initiativen an. Die KUPFzeitung hat nach ihren Herkunfts- und Fluchtgeschichten gefragt und danach, welche Erfahrungen sie mit Vereinen in Österreich machen.

Yosief Tsegay
Lehrer, Eritrea

„Ich komme aus Eritrea und flüchtete wegen der dort herrschenden Diktatur, zuerst in der Nacht und zu Fuß ins Nachbarland Äthiopien. Das war mit einem nicht geringen Risiko verbunden, da die an der Grenze stationierten Soldaten den Befehl haben, auf Flüchtlinge zu schießen. Nach zwei Monaten in einem Camp in Äthiopien, flüchtete ich – ebenfalls zu Fuß – in den Sudan. Dann verbrachte ich acht Tage in einem kleinen Auto, das mich durch die glühend heiße Sahara nach Ägypten brachte. Um von Ägypten weg zu kommen, bezahlte ich $3.000 für die Überfahrt nach Israel. Als illegaler Einwanderer wurde ich an der Grenze beschossen, glücklicherweise ohne getroffen zu werden. Danach wurde ich für drei Monate und 10 Tage inhaftiert. Insgesamt blieb ich fünf Jahre in Israel, bis ich nach Juba (Südsudan) ausgewiesen wurde, da Israel keine afrikanischen Flüchtlinge aufnahm. In Juba fasste ich den Entschluss, die Flucht erneut zu versuchen, doch diesmal nach Europa. Also flüchtete ich zu Fuß nach Uganda, wo ich $ 6.500 für einen Flug in die Türkei bezahlen musste. Von der Türkei aus ging es teils zu Fuß, teils mit LKWs durch Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien, bis nach Österreich. Hier kam ich ins Erstaufnahmezentrum Thalham, anschließend in die Flüchtlingsunterkünfte Fieberbrunn, Bad Kreuzen, Klaffer und Schwarzenberg. Jetzt lebe ich mit meiner Frau Tahgas und meinem einen Monat altem Sohn Yafiet in der Flüchtlingsunterkunft in Stollnberg (Gemeinde Ulrichsberg). Seit mehr als einem Jahr bin ich in Österreich, ob ich bleiben kann ist ungewiss, da ich noch keinen positiven Bescheid habe. Beim Ulrichsberger Kaleidophon 2015 habe ich als freiwilliger Helfer mitgearbeitet – beim Aufbauen vor, und Aufräumen nach dem Festival. Während dem Fest brachte ich den Besuchern zum Teil ihr Essen und Trinken, vor allem aber half ich beim Abräumen der schmutzigen Tische und beim Wegräumen der im Konzertsaal zurückgelassenen Gläser und Flaschen. Die Mithilfe beim Kaleidophon hat mir sehr gefallen, weil ich so mit Menschen aus einer anderen Kultur Kontakt hatte und mit ihnen sprechen, essen und trinken konnte.“ (Foto: Privat)
Aus einem Interview mit Paul Pröll

Wassim Al-Jouda
Zahnarzt, Syrien

„Nachdem mehr als vier Jahre zuvor in Syrien der Krieg ausgebrochen war und kein Ende in Sicht war, flüchtete ich aus Angst um mein Leben aus dem Staat. Meine Flucht begann mit einer Reise von Damaskus nach Beirut (Libanon), gefolgt von einem Flug in die Türkei. In der Türkei erreichte ich einen Küstenort, der für Schlepperaktivitäten bekannt ist. Nach einer Wartezeit von zwei Wochen begann unsere Seereise. Wir waren dreißig Leute in einem Boot, das für vier Personen vorgesehen war. Während der zwölfstündigen Überfahrt Richtung Griechenland plagte uns stets die Angst, dass das Boot kentern könne. Im griechischen Sumpf verweilte ich, nach Fluchtmöglichkeiten suchend, vier Monate lang, bis ich zusammen mit drei weiteren Flüchtlingen in einen Treibstofftanklaster eingepfercht wurde, um nach einer achtundvierzigstündigen Fahrt am 9. Dezember 2014 Österreichisches Staatsgebiet zu erreichen. Am 10. März 2015 wurde ich zu einem Richter vorgeladen, um meine Fluchtgründe vorzutragen, sodass entschieden werden konnte, ob ich bleiben dürfe. Leider habe ich bis heute keine Antwort erhalten. Während meiner Wartezeit habe ich bis jetzt einen Deutschkurs besucht und dabei Unterstützung vieler ortsansässiger Menschen erhalten, denen ich äußerst dankbar bin. Vor einem Monat habe ich einen Erste-Hilfe-Kurs – Sanitätshilfe abgeschlossen und helfe seitdem manchmal freiwillig beim Roten Kreuz mit. Ich wünsche mir, in diesem schönen Land mit seiner hilfsbereiten Bevölkerung eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.“ (Foto: Wassim Al-Jouda beim Radiotag des Freien Radio Kirchdorf; von Elisabeth Neubacher / Radio B138)

Übersetzt aus dem Arabischen

Juan Bayram
Touristiker, Syrien

„Ich bin Juan Bayram, 24, und komme aus Syrien. Dort habe ich Tourismus studiert und in einem Reisebüro gearbeitet. Danach musste ich zum Militär. Im Krieg hätte ich zwei Möglichkeiten gehabt. Töten oder getötet werden, deshalb bin ich geflüchtet. Meine Flucht begann in Aleppo. Drei Stunden bin ich über die Grenze in die Türkei gegangen. Dort habe ich einen Schlepper getroffen und er hat mich mit einem Schlauchboot nach Griechenland gebracht. Das war sehr schwierig, weil das Boot max. für fünf Personen war und wir waren circa 20. Wir fuhren neun Stunden über das Mittelmeer.

In Griechenland waren wir einen Monat im Gefängnis. Wir waren sieben Personen in einem sehr kleinen Zimmer. Danach kam ich zu Fuß und in einem LKW nach Österreich. Ich bin seit August 2014 hier. Ich habe Deutsch gelernt und arbeite viel freiwillig, z.B. in einem Seniorenheim, beim Samariter Bund, in einem Kindergarten und ich habe auch für sechs Monate Deutsch bei House of Hope unterrichtet. Ab Oktober werde ich einen Arabischkurs im luft*raum Linz halten.“
(Foto: Privat)

 

 

Muhammadullah Akakhel
Koch, Afghanistan (seit 2011 in Österreich, 2015 positiver Aufenthaltsbescheid)

„Flüchtlinge verlassen ihre Heimat nicht gerne – ich hätte selbst nie gedacht, dass ich einmal flüchten muss. Auch viele meiner Bekannten, meiner Nachbarn und meiner Freunde sind damals in alle Richtungen aufgebrochen. Die Flucht, meine Geschichte, hat für mich heute zwei Seiten: Ich bin hier sicher, doch ich habe Heimweh. Ich habe mich bemüht, die Sprache hier gut zu lernen, denn das ist ganz wichtig, um die Menschen, die um mich leben, zu verstehen. Mit dem Kulturverein urbanfarm bin ich seit 2013 in Kontakt. Durch diesen konnte ich mit vielen Menschen Kontakt knüpfen. Inzwischen hat sich in meinem Leben viel geändert; ich habe meinen positiven Bescheid, meine Arbeit (Anm.: als Koch bei den Donauwirtinnen in Linz), meine Wohnung – doch trotzdem ist mir ein guter Kontakt zu den Leuten von urbanfarm immer noch wichtig.“ (Foto: Privat)

 

 

Rama Alrefaai
Schülerin, Syrien

„In meiner Heimat herrscht Krieg, doch jetzt bin ich in einem Land mit guten Menschen. Ich besuche hier eine gute Schule, und ich weiß, dass das ist sehr wichtig ist. Das Land ist schön und mir erscheint hier alles besser. Ich lebe hier mit meiner Familie, und in Österreich haben meine Eltern und meine fünf Geschwister die Chance auf eine gute Zukunft. Ich selbst liebe Musik, und mein Traum ist es, professionell Gitarre und Cello zu lernen. Zuvor bemühe ich mich nun, in der Schule mein Deutsch zu perfektionieren. Gemeinsam mit meinem Vater Achmad helfe ich viel mit im Projekt Garten Labor, das der Kulturverein urbanfarm organisiert. Außerdem liebe ich das Nähen in  der urbanfarm Nähwerkstatt, wo Frau Maria uns alle wichtigen Dinge rund ums Nähen zeigt.“

 

 

 

 

 

Hamza Awad
Architekt, Syrien
(seit neun Monaten in Österreich, 2015 positiver Aufenthaltsbescheid
arbeitet als Architekt im Büro ARCHITEKTINNEN SCHREMMER-JELL, Linz)

„Ich kam auf meiner Flucht nach Österreich in der Hoffnung auf eine bessere, lebenswerte Zukunft. Hier mag ich die deutsche Sprache, das Klima – und auch mit den Menschen aus Österreich mache ich gute Erfahrungen. Vielleicht, wenn der Krieg in Syrien zu Ende geht, könnten ich und andere Menschen, die ebenso auf ihrer Flucht hier landeten, die Erfahrungen aus Österreich nach Syrien bringen, damit Syrien mehr wie Österreich wird.
All die Dinge, die wir von den Menschen in Österreich erhalten, möchten ich, wenn ich kann, auch wieder zurückgeben.
AktivistInnen von urbanfarm haben uns, eine Gruppe von Flüchtlingen aus Syrien, Anfang des Jahres in unserem Heim besucht und uns eingeladen. Ich wurde damals neugierig – und habe mich seither in einigen Projekten von urbanfarm engagiert und gemeinsam mit dem Verein viele schöne Erfahrungen gemacht.“ (Foto: Privat)

 

Ahmed und Ali Al-jburi
Automechaniker, Irak

Ali und Ahmed stammen aus dem Irak, wo beide Automechaniker waren. Sie flüchteten wegen dem dort herrschenden Krieg und wegen dem Terror durch die IS, durch die das Land in Chaos versinkt. In der Stadt in der sie lebten gab es nicht mehr viele Häuser, die noch nicht den Kämpfen zum Opfer gefallen sind. Ahmed sagt, dass, als er gesehen hat, dass in seiner Stadt Menschen starben, er gewusst hat, dass er nicht mehr bleiben kann. Außerdem war diese Stadt zum größten Teil von Schiiten bewohnt, während Ali und Ahmed Sunniten sind. Es kamen Leute zu ihnen, die sagten, dass sie als Sunniten die Stadt verlassen müssten, oder sie müssten sterben. Da aber im Irak auch die anderen Städte mehrheitlich schiitisch sind, mussten sie ihrem Heimatland den Rücken kehren.
Also verließen die zwei Brüder gemeinsam am 28.6.14 den Irak, um mit dem Auto die Türkei zu erreichen. Von dort weg brauchten sie teilweise zu Fuß, teilweise mit Autos 21 Tage bis sie in Österreich ankamen. Beide kostete die Flucht 9000$. Als sie ankamen wussten sie erst gar nicht, in welchem Land sie sich eigentlich aufhielten. In Österreich lebten sie zuerst im Erstaufnahmezentrum Thalham, dann in der Flüchtlingsunterkunft in Haslach und jetzt in der Flüchtlingsunterkunft in Stollnberg (Gem. Ulrichsberg).
Ahmeds Familie (seine Frau und zwei Söhne) lebt noch im Irak, wo sie aber nicht auf die Straße können. Ahmed hat seine Familie seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Ahmed kam als erster nach Österreich, um dann seine Familie nachholen zu können. Dazu benötigt er jedoch einen positiven Bescheid.
Beide würden gerne anderen Menschen hier helfen, die bei irgendeiner Tätigkeit Hilfe brauchen, da sie sehr dankbar für die hier erhaltene Hilfe in Form von Kleiderspenden und anderem sind.
Genau das taten sie als freiwillige Helfer beim Ulrichsberger Kaleidophon 2015: Beide halfen schon bei den Vorbereitungen, wo sie beispielsweise beim Tragen der Bierfässer halfen. Und auch während dem Festival halfen sie, die schmutzigen Gläser aus dem Saal wegzuräumen und bei ähnlichen Dingen.
Beiden hat die Mithilfe dort sehr gefallen. (Foto: Privat)
Aus einem Interview mit Paul Pröll

Unsere Forderungen!

Offener Brief der Refugees im ehemaligen Zeltcamp Linz (dieses wurde Ende Juli geschlossen)

Was wir wollen:

1. Dauerhafte und gute Unterbringung unter menschenwürdigen Bedingungen
Beendigung der belastenden Transfers an Orte ohne grundlegende Infrastruktur und Hygiene, wo wir dem Wetter ausgeliefert sind. Schluss mit den Zeltcamps! Öffnung leerer Gebäude! Schluss mit dem Transfer in exterritoriale Lager – wie in die Slowakei! Das Recht zu fliehen und das Recht der Bewegungsfreiheit sind Menschenrechte!

2. Zugang zu Informationen über Aufenthalt, nächsten Transfer und Asylverfahren
Die permanenten Verschiebungen an wechselnde Orte und der Mangel an Informationen schaffen bei uns Verunsicherung; uns fehlt insbesondere die Möglichkeit, Transfers nachzuvollziehen und verständliche Gründe für Grüne Karten mitgeteilt zu bekommen (Grüne Karten bedeuten Beschränkung der Bewegungsfreiheit und einen unsicheren und prekäreren Stand des Asylverfahrens).

3. Zugang zu Rechtshilfe, Übersetzungen und angemessener Gesundheitsversorgung
Wir haben keinen angemessenen Zugang zu Rechts-beratung, es gibt kaum Kontakt zu Rechtsberater_innen oder der Kontakt wurde durch den Transfer abgerissen. Es gibt keine Übersetzer_innen für rechtliche Fragen oder Gesundheitsfragen oder für Fragen des täglichen Lebens. Medizinische Versorgung gibt es nur einmal pro Woche, und diese ist unzureichend. Psychologische Unterstützung fehlt komplett.

4. Schnelle Anerkennungen für unsere Asylverfahren – besonders im Hinblick auf unsere Familien, die noch im Krieg in Gefahr sind
Viele von uns machen sich Sorgen um ihre Familien. Unsere Kinder sind umgeben von Krieg und bedroht von Verfolgung. Wir brauchen schnelle Asylanerkennungen, damit wir unsere Kinder und Ehepartner_innen retten können.

5. Schluss mit dem System der Enteignung und Diskriminierung
Wir mussten verschiedene Situationen der Diskriminierung durch Mitarbeiter_innen des Sicherheitsdienstes erleben. Wir wollen von den Behörden und ihren Angestellten respektvoll behandelt werden. Wir möchten uns um uns selbst kümmern – und für uns selbst kochen, damit wir das haben, was uns gehört.

6. Recht zu gehen und Recht zu bleiben
Wir möchten gerne hier bleiben, und die Chance bekommen, ein respektierter und engagierter Teil der Gesellschaft zu sein. Es muss Schluss damit sein, dass man uns „wie Tiere“ herumverschiebt; wir brauchen Frieden statt der täglichen Gefahr der Abschiebung. Aber da wir fühlen, dass die österreichische Regierung Flüchtlinge nicht willkommen heißt und unsere Situation nicht versteht – Verfolgung, Krieg und fehlende Lebens-grundlagen – und uns so behandelt, möchten wir das Recht haben, uns innerhalb der EU frei zu bewegen und das Dublin-System abschaffen.

facebook.com/refugeeslinz

Hinweis:
Onlineplattform zur Vernetzung von Refugees und ehrenamtlichen Initiativen:
wirsinddabei.at

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