Atypisch

Aussichten auf eine Veranstaltungsreihe der KUPF von Stefan Haslinger.

 

„In ihrer derzeitigen Gestalt erteilen die Menschenrechte kein automatisches Anrecht auf einen Arbeitsplatz, wie gut er auch ausgefüllt würde, oder – allgemeiner gesagt – kein Recht auf Fürsorge und Berücksichtigung aufgrund früherer Verdienste. Lebensunterhalt, soziale Stellung, Anerkennung als nützliches Mitglied der Gesellschaft und das Recht auf die eigene Würde können sich alle miteinander über Nacht und ohne Aufhebens in Luft auflösen.“ Zygmunt Baumann, Unbehagen in der Postmoderne

Diskurs, Diskursreihe, Diskussionsveranstaltung – snip – atypische Beschäftigung, prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse, die neuen Selbstständigen – snip. Primär muss davon ausgegangen werden, dass wir mit Modewörtern arbeiten. Mit Wörtern, deren scheinbare Inhaltsleere durch den repetitiven Gebrauch manifestiert wird. Aber gerade der Mangel an theoretisch / praktischer Auseinandersetzung mit unserer Arbeit, bzw. von Kulturarbeit, war Anstoß für die Initiierung einer neuen Veranstaltungsreihe, die im Herbst dieses Jahres stattfinden wird.

Atypische Beschäftigung im Kunst- und Kulturbereich – so der Arbeitstitel der Reihe – wird sich von mehreren Ebenen der Begriffsbestimmung des Cultural Worker annähern und dieses Thema sowohl von einem ideologischen als auch von einem sozial-rechtlichen Blickpunkt aus betrachten. Als Cultural Worker können jene Menschen bezeichnet werden, die „das Privileg ihres Freiraums der relativen Selbstbestimmung dazu nutzen, geeignete Settings herzustellen, wo die Identifizierung von Differenzen nicht den Verlust von Differenz, die Identifizierung von Schwächen nicht den Verlust der restlichen Stärke bedeutet.“ (Gerald Raunig, Charon. Eine Ästhetik der Grenzüberschreitung)

Alleine an dieser These (diesem Postulat?) kann festgemacht werden, worin ein Großteil der Problematik und somit auch ein Ansatzpunkt der Diskursreihe zu finden ist. Die „relative Selbstbestimmung“, die sich durch sich selbst negiert. Denn! Die Behauptung von Selbstbestimmung bedingt auch die Frage nach der 1.) Entscheidungsmöglichkeit und 2.) Überlebenschance im realen Sinn.

Das heißt! Das „Privileg des Freiraums“ kann zwar ein Selbstgewähltes sein, aber dieser Freiraum ist zuallererst eine Fiktion. Freiräume müssen definiert und in weiterer Folge erkämpft werden. Und! Es muss darum gehen mit jenen Menschen, die sich dieses Vorrecht „nutzbar“ machen wollen, die Strategien für die Durch- und Besetzung desselben zu überdenken. Damit eng verknüpft ist die Frage nach neuen Allianzen, Lebens- und Arbeitsmodellen. Die Frage wodurch die tradierten „9 to 5“-Praxen für obsolet erklärt werden können. Die Frage nach der Grenze zwischen strategischer Allianz und Zweckbündnis? Der/die Cultural Worker muss zurzeit noch als ein idealisiertes Scheinbild gesehen werden. Insofern! Trotz einer Masse an Theorie- und Erklärungsmodellen ist es eine selbstgewählte Bezeichnung und Lebensform – wobei letzteres wiederum eher idealtypisch zu sehen ist.

Ziel der Veranstaltungsreihe ist es diesen „Erklärungssumpf“ auszutrocknen und durch eine – auch praktische – Verlebendigung dazu beizutragen, eine Etablierung des Begriffs herbeizuführen. Die Veranstaltungsreihe ist von September bis November 2002 geplant In einem etwa zweiwöchentlichen Rhythmus sollen ein bis zwei Diskussionen stattfinden. Zum theoretischen Input ist jeweils eine KünstlerIn anwesend. Außerdem werden im KunstRaum KünstlerInnen mindestens zweimal während der Reihe ein Projekt zur Themenstellung realisieren und zur Diskussion stellen. Die angefragten ReferentInnen und KünstlerInnen wurden bewusst aus den unterschiedlichsten Kultur- und Wissenschaftsbereichen gewählt. Was sie verbindet ist die Folie, die über der Reihe liegt. Die Folie des/der Cultural Worker.

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