So seid doch kreativwirtschaftlich!

Wolfgang Brossman berichtet über den kulturellen Sektor im Burgenland.

 

Die alle befriedigende Verbindung zwischen der Kunst und der Wirtschaft? Im Burgenland ist sie wieder einmal neu gefunden: Kreativwirtschaft heißt die trendige Umlegung durchaus alter Modelle, die seit den 1980er Jahren in immer neuen Kostümierungen (Creative Industries, Kulturwirtschaftsberichte, Umwegrentabilitätsstudien) versuchen Argumentationslinien, Entscheidungsgrundlagen und Legitimationsschienen für Kunst und Kulturarbeit aufzubauen.

Trotz der fulminanten Zahlen von 3900 Beschäftigten im burgenländischen Kultursektor, die präsentiert wird und die der Zahl der Beschäftigten im Beherbergungs- und Gaststättenwesen des Bundeslandes entsprechen soll, stellt sich die Frage, ob diese Begrifflichkeit für die Arbeit im Kulturbereich überhaupt sinnvoll verwendbar ist. Das beginnt schon mit der Zuordnung der Beschäftigten, die eine „erweiterte Definition des Kultursektors“ zum Ausgang nimmt: „Entsprechend dieser Definition zählen Kinos, Diskotheken ebenso zum kulturellen Sektor wie Multimedia-Designer und Unterhaltungsparks.“ Klar: Wenn wir den Kulturbegriff noch mehr erweitern, dann arbeiten wohl irgendwann alle burgenländischen Beschäftigten im Kulturbereich? Ist ja nicht so schwer, weil irgendwie ist ja sowieso alles Kultur.

Aber weiter: „Mit dieser Erhebung setzt die Burgenländische Landesregierung einen ersten Meilenstein in Richtung einer langfristigen Entwicklungsstrategie, dessen Ziel die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen für die Kreativwirtschaft ist. Die bestehende Subventionspolitik des Burgenlandes im Kulturbereich ist davon völlig unabhängig zu betrachten.“1 – Was aber ist mit der zukünftigen Subventionspolitik, die sich wohl auch an diesen langfristigen Entwicklungsstrategien orientieren wird? Und: wenn die Kulturvereine oder ein „eingeschränkter“ Definitionsbereich des Kultursektors davon nicht betroffen sind, warum werden sie überhaupt in der Erhebung diesem Feld zugerechnet? Wie werden sie betroffen sein, wenn die „Kreativwirtschaft immer mehr zum wirtschafts- und kulturpolitischen Thema der Regionen und Kommunen wird“2?

Der öffentliche Auftrag, im autonomen Feld „Kunst und Kultur“ zu fördern – wie wird die Verantwortung der KulturpolitikerInnen davon berührt??? Ich sehe sie schon: PolitikerInnen, die – dreht es sich um die Unterstützung kultureller Vorhaben – vor uns auf den Knien liegen und uns händeringend anflehen: So seid doch bitte kreativwirtschaftlich, dann geht eh alles! Nicht immer nur so stur auf euren Standpunkten der Feldautonomie und der gesellschaftlichen Funktion der Kunst beharrend – verlasst doch diesen Elfenbeinturm und seht das ganze nur ein wenig kreativwirtschaftlich.

Eine Gegenposition: „Die Bedrohungen der Autonomie resultieren aus der zunehmenden gegenseitigen Durchdringung der Welt von Kunst und der des Geldes.“3 Bei einer Verlagerung der Eigensicht und der Definition der Arbeit auf die Begriffsfelder der „Wirtschaftlichkeit“ werden die Grundlagen der Feldautonomie aufgegeben und die bisherigen gesellschaftlichen Funktionen der Kunst in Frage gestellt und dem gesellschaftlichen Teilsystem der Wirtschaft untergeordnet. Kunst als das System, das nach seinen eigenen Regeln auch die Themen der Wirtschaft aufnehmen kann und die Möglichkeit hat Kritik zu üben und davon auch Gebrauch gemacht hat, löst sich im allgemeinen Wohlgefallen der Kreativwirtschaft endlich auf.

Vielleicht dreht es sich dabei auch gar nicht nur um mehr Wirtschaftlichkeit für den Kulturbereich, sondern um ein Mehr an öffentlichen Mitteln, die derzeit im Kulturbereich gebunden sind, für die Wirtschaft.

Wo diese Gefahr wächst, ist aber das Rettende auch nicht weit: zum Glück wissen wir und die verantwortlichen PolitikerInnen: nur ein hungriger Künstler ist ein guter Künstler. Und so wird’s für die Kunst- und Kulturschaffenden wohl wieder einmal das asketische Leberkässemmerl der reinen Kunst (vom Kreativwirtschaftskollegen Fleischhauer persönlich eingepackt) statt des Esterhazy-Rostbratens der Kreativwirtschaft – passt schon so.

Wolfgang Brossman

1 Einladung zum Informationsabend „Kreativwirtschaft im Burgenland“ 2 Einladung zum Informationsabend „Kreativwirtschaft im Burgenland“ 3 Pierre Bourdieu, „Die Regeln der Kunst“, S 530, Frankfurt 1999

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