Grundstruktur der Förderpolitik überdenken!

Freie Szene Linz fordert raschere Umsetzung des Kulturentwicklungsplans.

 

von Andi Wahl

Im März ’00 wurde nach langer Diskussion der Linzer Kulturentwicklungsplan (KEP) vom Gemeinderat einstimmig angenommen. Die Schwerpunkte der kulturellen Entwicklung von Linz sollen laut KEP fürderhin die Bereiche Technologie und Neue Medien, Offene Räume und die Freie Szene bilden. Im Dezember ’00 lud das „Offene Forum – Freie Szene Linz“ zu einer Podiumsdiskussion, um nachzuprüfen, wieweit das ambitionierte Vorhaben KEP bisher gediehen ist.

Mit dem im März 2000 einstimmig im Gemeinderat beschlossenen Kulturentwicklungsplan (KEP) verpflichtet sich die Stadt Linz zu einer verstärkten Förderung der Freien Szene. Dieser geht allerdings die Umsetzung der im KEP geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation freier Kunst- und Kulturarbeit zu schleppend voran, und es wird befürchtet, dass den schönen Worten nicht die entsprechenden Taten folgen werden. Daher lud die Interessengemeinschaft „Offenes Forum – Freie Szene“ die Politik zu einer Podiumsdiskussion über die kulturelle Zukunft der Stadt in die Räumlichkeiten des „transpublic“ am Alten Markt. Am Podium saßen Gemeinderätin Ute Klitsch (FP), Kulturstadtrat Dr. Reinhard Dyk (VP) und Gemeinderat MMag. Klaus Luger (SP) drei VertreterInnen der Freien Szene gegenüber.

Geleitet wurde die Diskussion von der Kulturkritikerin und Kuratorin Stella Rollig (Wien), die in ihrer Einleitung auf den guten Ruf, den Linz in kulturellen Dingen genießt, verwies und sich anschließend mit der Frage „Wie machen sie das?“ sowohl an das Podium als auch an die KünstlerInnen im Publikum wandte.

„Oftmals unter großer Selbstausbeutung und dem Verzicht auf sozialrechtliche Absicherung“ eröffnete Just Merit von der Kunst- und Forschungsgruppe times up die Diskussion. Auch Gabi Kepplinger (Stadtwerkstatt) und Sabine Funk (Labor III) verwiesen in ihren Einleitungsstatements auf gravierende strukturelle Mängel in der Ausstattung freier Kunst- und Kulturgruppen in Linz. Schuld daran sei vor allem die mangelnde finanzielle Unterstützung von Seiten der Stadt, die sich zwar national und international mit der Freien Szene brüste, aber nicht bereit sei, die entsprechenden Fördermittel bereitzustellen. Sabine Funk beklagte überdies die mangelnde Bereitschaft für junge, nicht etablierte KünstlerInnen „Risikokapital“ zur Verfügung zu stellen.

Bereits vor der ersten PolitikerInnenrunde schalteten sich auch die zahlreich anwesenden KünstlerInnen und KulturaktivistInnen in die Diskussion ein. So verwies ein Aktivist der Kulturhauses KAPU darauf, dass zahlreiche KulturarbeiterInnen in Linz trotz oder eigentlich wegen jahrelangem Engagement am Rande des Existenzminimums leben. Ein anderer forderte von der Politik klare Aussagen, ob sie nun gewillt sei, in Kunst und Kultur zu investieren und dafür sorgen werde, dass es in Linz annehmbare Arbeitsbedingungen geben wird oder nicht, damit man wisse, ob man in dieser Stadt weiterarbeiten könne oder sich nach anderen Wirkungsstätten umsehen müsse. Auch Just Merit warnte vor einer intellektuellen und kreativen Austrocknung und der Abwanderung junger KünstlerInnen, wenn es nicht gelingt, die Arbeitsbedingungen wesentlich zu verbessern. Dazu müsse aber die Grundstruktur der Kunst- und Kulturförderung neu überdacht werden.

Kulturstadtrat Dyk, nach eigener Einschätzung ein großer Freund der Freien Szene, hielt diesen Anwürfen entgegen, dass der Kulturentwicklungsplan eben mittelfristige Zielsetzungen enthält und nicht alles bereits im ersten Jahr umgesetzt werden könne. Zudem bat er darum, die 9,4 Mill. freie Fördermittel für die Freie Szene nicht nur an den eigenen Wünschen zu messen, sondern auch Städte wie Salzburg und Graz als Vergleich heranzuziehen. In Relation zu deren Förderpraxis gebe es in Linz ein „durchaus respektables Budget“.

GR MMag. Luger drängte auf eine interne Umschichtung im Kulturbudget und rief Dr. Dyk dazu auf, zu überlegen, ob die 3 Mill. für das Linzfest nicht besser in der Freien Szene angelegt wären. Im übrigen schloss er sich der Einschätzung, dass die Breite der Linzer Szene nicht auf die Politik der Stadt Linz, sondern auf die Eigeninitiative der Freien zurückzuführen sei, an. Mmag. Luger verwies auch auf die Ungleichbehandlung, die Linz von Seiten des Bundes und des Landes erfahre. Als einzige Stadt müsse Linz für die Kunstuni (Bundesangelegenheit) und die Musikschule (Landesangelegenheit) bezahlen.

GR Klitsch bekräftige ebenfalls ihr Bekenntnis zur Freien Szene, meinte aber, dass auch die Wirtschaft verstärkt in die Finanzierung von Kunst und Kultur eingebunden werden müsse.

In weiterer Folge der Diskussion wies das Publikum die anwesenden PolitikerInnen und Beamten noch darauf hin, dass eine Konzentration der Kulturförderung auf Neue Technologien, wie es im KEP festgeschrieben wurde, nicht mit 2 oder 3 Millionen zu machen sein wird. Hier bedürfe es Etats von 50 oder 100 Millionen, um wirklich in die Reihe der „big player“ aufrücken zu können. Ansonsten werde die High-Tech-Stadt Linz bald eine nostalgische Erinnerung sein.

Pfeffer in die Diskussion streuten auch drei Migrantinnen der Initiative MAIZ, die auf ein eklatantes Missverhältniss innerhalb der derzeitigen Förderpraxis hinwiesen. Obwohl in Linz etwa 10% MigrantInnen leben werde nur 1% der Mittel für Basisinitiativen von MigrantInnenprojekte ausgegeben. Auch der Freien Szene warfen sie mangelndes Problembewußtsein für dieses 1:10 -Verhältnis vor und beklagten die mangelnde Solidarität innerhalb der Freie Szene und Weigerung, sich mit diesem Fördergefälle auseinanderzusetzen.

Der Forderung des Offenen Forum nach jährlich zusätzlichen 20 Mill. für Strukturförderung konnte Stadtrat Dr. Dyk nicht entsprechen, stellte aber einen Innovationstopf in der Höhe von 1 Mill. in Aussicht. Bemerkenswert und bezeichnend dafür, wie weit die Positionen bei dieser Podiumsdiskussion auseinanderlagen, ist, dass Dr. Dyk für diese Million Budgetaufstockung nur verhaltenes Murren erntete. Seine Einladung an die Migrantinnen zu einem Gespräch wurde allerdings allseits goutiert.

Andi Wahl

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