Kulturelle Regionalentwicklungskonzepte im Vergleich Ende Mai hatte die deutsche EU-Präsidentschaft zu einem internationalen Austausch über die Bedeutung der Kultur im Kontext der Regionalentwicklung geladen.
von Sylvia Amann
Und der Veranstaltungsort – die Zeche Zollverein in Essen – war gut gewählt. Stellt sie doch eines der herausragenden Beispiele für einen gelungenen Strukturwandel im Ruhrgebiet dar. Kohle und Stahl, die über mehr als 100 Jahre die Region dominierten, wurden in den letzten Jahren, auch mit Hilfe der EU-Strukturförderungen, u. a. in Arbeitsplätze im Kulturbereich umgewandelt. Die Projektleiter geben eine Zahl von 7.500 neuen Unternehmen und sog. neuen Selbständigen an, die durch die Fokusierung auf Kultur im Ruhrgebiet geschaffen wurden. Eine beeindruckende Zahl, wobei aber bei aller Bewunderung nicht auch eine kritische Anmerkung in Bezug auf die neue Selbständigkeit vergessen werden sollte: Die vielgerühmte Selbständigkeit ist nämlich oft mit einem sehr großen Risiko verbunden und wenn das Projekt schief geht, kommt zur Arbeitslosigkeit auch noch ein Schuldenberg dazu. Die Herausforderung der Arbeitsmarktpolitik ist es, die Chancen im kulturellen Bereich zu nützen, aber gleichzeitig für adäquate Bedingungen für die dort Beschäftigten zu sorgen.
Wirtschaft top, Nachhaltigkeit flopp
Insgesamt ist bei dieser Konferenz der Eindruck entstanden, daß Regionalentwicklungsprojekte im Kulturbereich zwar oft durch ihre exzellenten Wirtschaftsdaten beeindrucken. Beim genauer Nachfragen wird dann erst auf die oft nach wie vor prekäre Situation der ortsansässigen Bevölkerung hingewiesen, für die sich die Rahmenbedingungen oft sogar verschlechtert haben. So auch im Fall des Guggenheim Museums in Bilbao. Zuerst aber ein kurzer Exkurs in die Entstehungsgeschichte des Museums: Ende der 80er Jahre war die Guggenheim-Foundation in einer schweren Krise und suchte deshalb Standorte für eine Expansion in Europa. Bilbao kämpfte zur gleichen Zeit mit sehr hoher Arbeitslosigkeit, sozialen Problemen und hatte ein schlechtes Image. Außerdem war eine Diskussion rund um ein Museum moderner Kunst in der Stadt im Gang. Die Verhandlungen zwischen Bilbao und der Foundation wurden 1991 aufgenommen und im Oktober 1997 konnte das Guggenheim Museum eröffnet werden. Und die Bilanz aus wirtschaftlicher Sicht läßt sich sehen: Investitionen von 170 Millionen Dollar stehen 199 Millionen Dollar an Ausgaben der Besucher, 145 Millionen Dollar Steuereinnahmen und 3.816 Arbeitsplätze gegenüber. 76 % der laufenden Kosten trägt das Museum selbst. Gleichzeitig wurden die umliegenden alten Viertel der Stadt abgerissen. Es gibt keinerlei Aktionen des Museums mit der Nachbarschaft in Bilbao Kontakt aufzunehmen. Die Kritik vor Ort betonte vor allem den mangelnden Bezug dieses internationalen Museumsprojekts zur umgebenden Region und zur baskischen Identität. À propos regionale, kulturelle Identität: eine weitere spannende Diskussion, auf die an anderer Stelle noch eingegangen werden sollte.
Ganzheitliche Erfolgsanalyse
Die generelle Frage, die sich aber beim Projekt in Bilbao stellt ist, inwieweit dieses Draufsetzen von Kulturprojekten wirklich einen Beitrag zur ganzheitlichen Regionalentwicklung setzen kann. Zu untersuchen wäre auch, wer finanziell von so einem Projekt profitiert. Ich wage hier die Behauptung, daß soziale Probleme der Stadt Bilbao dadurch sicher nicht gelöst – aber wahrscheinlich vom Zentrum der Stadt an die Peripherie gedrängt werden. Die Höhe der Mieten, die Belastung bestimmter Bevölkerungsschichten durch den Verkehr sowie die von den Einheimischen ausgeübten Beschäftigungen wären hier äußerst spannende Untersuchungsbereiche. Analysen, die übrigens auch sehr fruchtbar für die in Oberösterreich geplanten Erlebnisparks (Wels, Ried, …) sein könnten. Gleichfalls interessant im Kontext der sich leerenden Zentren. Eine Problematik, die ja auch in letzter Zeit bereits dramatisch in Linz zu spüren ist. Stockholm versucht hier Gegenakzente zu setzen. Laut einer schwedischen Analyse sind Mieten ein zentraler Faktor von Kulturentwicklungen im städtischen Raum. Wenn Künstler und Kulturschaffende in der Stadt gehalten werden sollen, dann muß die Kulturpolitik auch dort ansetzen. Für die Administration empfiehlt Jerker Söderlind den Ankauf von Gebäuden, da bei Atelierförderungen das Geld nur an die Eigentümer der Immobilien gehe.
… und im ländlichen Raum?
Wie aus den angeführten Beispielen ersichtlich, kreiste die Debatte hauptsächlich um Problemstellungen der urbanen Entwicklung im Kontext Kultur. Für Oberösterreich stellt sich die Frage, inwieweit diese Erkenntnisse auf Kultur und Regionalentwicklung im ländlichen Raum übertragen werden können. Aber eines ist ganz sicher: Das Thema „Kultur und Regionalentwicklung“ ist noch nie in solcher Intensität wie derzeit auf regionaler und europäischer Ebene diskutiert worden. Auch die EU-Kulturminister, die zur gleichen Zeit in Weimar tagten, forderten die Verwendung von Strukturfonds zur Kulturförderung. Die Chance zur praktischen Anwendung dieser Vorsätze besteht gerade jetzt durch die Einbeziehung des kulturellen Sektors in die Vorbereitung der Regionalförderungen 2000 – 2006.