Die Jurymitglieder Gerhild Trübswasser und Eva Kreissl im Interview, und die Beantwortung eines Leserbriefes
von Martin Wassermair
Gerhild Trübswasser (Sozialwissenschafterin; Salzburg)
Wie hast Du bei der Einladung zur Teilnahme an der diesjährigen Jurysitzung die Idee des Innovationstopfes der KUPF zum Thema „KULTUR-ARBEIT“ aufgenommen? Zunächst möchte ich sagen, daß man von Salzburg aus schon ein bißchen neidvoll nach Oberösterreich blickt, was sich so in der Kulturszene tut. Und die Idee des Kulturtopfes, die Art und Weise, wie er ausgeschrieben ist, das hat mir sehr gut gefallen. Das hat mit meinem Eindruck von der KUPF in den letzten Jahren übereingestimmt. Ich habe mich also über die Einladung gefreut und war neugierig, was da auf mich zukommt. Für diese Neugierde wurde ich belohnt. Bei insgesamt 41 Projektanträgen ist zu vermuten, daß auch Du viele Tage und Nächte bei der Lektüre verbringen mußtest. Welchen Gesamteindruck konntest Du gewinnen, als Du die Projekte, die nicht heterogener hätten sein können, durchgesehen hast? Die Vorbereitung für die Jury war eine sehr spannende Arbeit. Die überwiegende Zahl der eingereichten Projekte erwies sich als interessant und sehr vielseitig. Es war eben eine spannende Auseinandersetzung mit einer aktuellen Szene, mit Gruppen oder einzelnen Personen, die sich im Kulturbereich betätigen. Welche waren Deine persönlichen Kriterien bzw. Entscheidungsmuster bei der letzendlich sehr schwierigen Auswahl der Projekte? Das stimmt, die Auswahl war schwierig und bei der Ausscheidung von einzelnen Projekten hat mir manchesmal wirklich das Herz geblutet. Das war schon in der Vorbereitung so. Ich habe mich entschlossen, bestimmte Kriterien zu finden und die auch offenzulegen. Und zwar ganz subjektive, die meinem Kulturarbeitsverständnis entsprechen. Meiner Meinung nach muß Kulturarbeit immer neu und innovativ sein, unabhängig davon, ob sie sich mit Tradition oder Experimenten beschäftigt. Es muß etwas Neues dran sein. Das hat überhaupt nichts mit modisch zu tun. Ganz im Gegenteil. Mir war auch ein gewisser soziokultureller Anspruch wichtig. Das ist nicht nur Kunstvermittlung, nicht einmal primär Kulturvermittlung, sondern eben ein gewisser soziokultureller Hintergrund. Wichtig war mir auch, wie klar die Zielgruppe definiert ist. Ein Internetprojekt muß zum Beispiel noch nicht neu sein. Das Medium hat der Zielgruppe zu entsprechen. Man kann sich auch mit altmodischen Sachen beschäftigen. Wenn die Zielgruppe stimmt, dann hat es was. Der Gender-Aspekt erscheint mir sehr wichtig, also der geschlechtsspezifische Zugang, der von vielen Projekten berücksichtigt wurde. Überwiegend noch von Frauen. Ich denke, da wird sich noch etwas entwickeln in die Richtung, daß auch definierte Männerzielgruppen vorkommen. Und der letzte Aspekt ist die Nachhaltigkeit. Was hat das für Folgen, wie ist das eingebettet, entweder in Strukturen oder in eine Abfolge. Das waren meine wesentlichen Kriterien.
Eva Kreissl (Kulturwissenschafterin und Gemeinwesenarbeiterin; Trattenbach) Hat die Fülle der Einreichungen in etwa Deinen Zielsetzungen für diesen Innovationstopf entsprochen und wenn ja, in welcher Hinsicht? Ja, vor allem, weil es ein sehr bunt gemischtes Angebot war. Ich hätte niemals erwartet, daß alle Sparten, also Theater, Radio, Stadtteilarbeit, usw. abgedeckt sind, wie man sich das in einem sozialwissenschaftlichen Sample zum Beispiel kaum wünschen kann. Es war wirklich eine reichhaltige Auswahl. Die schwierige Auswahl der Projekte konnte acht Stunden lang in einer erstmals öffentlichen Jurysitzung mitverfolgt werden. Kannst Du verraten, welche Kriterien Du Deiner persönlichen Entscheidung zugrundegelegt hast? Zuerst muß ich sagen, daß so etwas sehr schwierig ist. Als ich das noch alleine am Schreibtisch bearbeiten mußte, dachte ich mir, daß ich so etwas nie wieder machen würde. Man kann nur ungerecht sein, wenn man dabei nur nach der Papierform geht. Sehr schön war dann das Zusammentreffen mit den anderen JurorInnen. Ich habe dann gesehen, so alleine stehe ich mit meiner Meinung gar nicht da. Daß fünf völlig unterschiedliche Leute gleich urteilen oder sehr ähnlich, mit verschiedenen Vorlieben, hat mich dann doch bestärkt, daß es vielleicht nicht so ungerecht ist, wie man glaubt. Meine persönlichen Auswahlkriterien waren zweigeteilt: Einmal in einen formalen Aspekt, bei dem ich mir gedacht habe: Wenn das mein Geld wäre, wem würde ich das zur Verfügung stellen? Also wie sicher ist es, daß daraus wirklich etwas gemacht wird und daß es auch nachhaltig ist. Der zweite Aspekt war ein inhaltlicher. Da habe ich dann gefragt, ob das wirklich etwas Innovatives ist. Geschieht etwas Neues? Ist die Gemeinnützigkeit, die ich bei diesem Innovationstopf sehr wichtig empfand, gewährleistet oder ist davon nur eine kleine Gruppe betroffen? Eine Schlüsselfrage war auch, ob das Projekt Spuren hinterläßt. Was ist, wenn dieses Projekt durchgeführt wird? Ist dann die kulturelle Szene anders als zuvor? Danach habe ich entschieden, obwohl es trotz dieser Kriterien sehr, sehr schwierig war.
Steyr, 8. Februar im Jahr der Frau
Liebe KUPF-Kollegen und Kolleginnen, lieber Andi Wahl!
Wir haben Eure schriftliche Benachrichtigung über die Ablehnung unseres Projektes beim Innovationstopf 1999 erhalten. Sicherlich keine leichte Aufgabe in dieser Situation noch motivierend für jene zu sein, die nichts bekommen haben. Die Aufmunterung den Kopf nicht hängen zu lassen ist nett gemeint, aber trotzdem nicht so einfach umzusetzen, da wir in unser Projekt in den vergangenen vier Jahren tausende ehrenamtliche unbezahlte Stunden (also Kulturarbeit) investiert haben. In meiner bislang 22-jährigen Tätigkeit als Musiker habe ich auch gelernt, Niederlagen einzustecken und immer wieder von vorne zu beginnen. Ich verstehe das Dilemma der kulturpolitisch hochkarätigen Jury bei der Vergabe der Geldmittel, bin mir auch sicher, daß viele förderungswürdige Projekte eingereicht wurden und trotzdem habe ich ein eigenartiges Gefühl im Herzen. Der kurze Auszug aus dem Sitzungsprotokoll zeigt mir, daß einige grundlegend wichtige Dinge über unser Projekt scheinbar nicht gelesen worden sind. Der Finanzplan beinhaltet nicht nur Honorare von ProduzentInnen, sondern auch ca. 100.000,- für notwendige Personalkosten, damit dieses Projekt in der Zukunft überhaupt überleben kann. Jede Geldsumme wäre für uns hilfreich gewesen. Die von uns angebotenen Inhalte können aufgrund der Internationalität, der Professionalität und auch der dafür notwendigen flexiblen Organisationsform keineswegs von den staatlichen Musikschulen abgedeckt werden. Hier sehe ich das Projekt Musikwerkstatt absolut falsch verstanden, zumal diese Argumentation mittlerweile auch schon öfters von öffentlichen Förderstellen als Ausrede verwendet wurde. Ein Vorschlag für die Besetzung zukünftiger Jurymitglieder wäre, neben WissenschaftlerInnen und Vorsitzenden von kulturellen und sozialen Interessensgemeinschaften doch auch fachkundige Künstlerinnen oder Künstler einzubinden. Ich habe aufgrund der jetzigen Erfahrung entschlossen, meine ehrenamtliche Projektbeschreiber-Karriere zu beenden und diese Zeit lieber in künstlerische Arbeit oder in die Förderung von jungen KünstlerInnen zu investieren. In Zeiten, in denen viele in Begleitung ihrer Lobby auf dem kulturpolitischen Projekt-Highway dahinrasen und einem die Events nur so um die Ohren knallen, werden wir versuchen im AKKU eine international ausgerichtete Kommunikationsbühne für Kunst und Kultur am Leben zu erhalten. Wenn wir nicht an unserer Ehrenamtlichkeit ersticken, können wir damit vielleicht auch dazu beitragen, den meiner Meinung nach immer größer werdenden Abstand zwischen den Problemen und Notwendigkeiten der „Basis“ und der Linzer KUPF-Zentrale etwas zu verringern. Abschließend möchte ich Euch und auch die Jurymitglieder des KUPF-Innovationstopfes 1999 zu einer unserer nächsten Masterclassveranstaltungen einladen, um einen Eindruck davon zu vermitteln, was bei uns so abgeht.
Mit freundlichen Grüßen aus Steyr! Helmut Schönleitner, AKKU
Lieber Helmut,
der Auszug aus dem Sitzungsprotokoll zeigt vor allem, daß in der gebotenen Kürze die Argumentationsvielfalt nicht festzuhalten ist. Tatsächlich wurde der Projektantrag des AKKU Steyr sehr genau gelesen. Der freudige Eindruck, daß durch Selbstorganisation in einer Kulturinitiative neue Wege der Musikvermittlung beschritten werden, stand letztlich dem Zweifel einer Mehrheit in der Entscheidungsfindung gegenüber, ob der Innovationstopf das geeignete Instrument darstellt, die Defizite unserer Musikschulen auszugleichen. So ist es eben. Die KUPF hat jedenfalls in der Zusammensetzung der Jury dafür gesorgt, daß in derart schwierigen Fragen fachkundig entschieden wird. Mit Wolfgang Zinggl wurde ursprünglich ein Künstler eingeladen, dessen Qualifikation durch seine Tätigkeit als Bundeskunstkurator in gewissem Maße nachgewiesen ist. Nach seiner Absage konnte Gerald Raunig, der Obmann der IG Kultur Österreich, zur Teilnahme gewonnen werden. Daß er den Vorsitz einer Interessenvertretung im Kulturbereich übernommen hat, läßt sich wohl auch durch seinen biographischen Hintergrund als Musiker erklären. Du siehst, wir haben damit erfüllt, was als Empfehlung für die Zukunft an uns herangetragen wird. Und wenn die KUPF-Zentrale nicht an ihrer Ehrenamtlichkeit erstickt, dann wird sie das Erfolgsprodukt Innovationstopf für ihre Initiativen weiterführen und dafür kämpfen, daß das Finanzvolumen vielleicht eines Tages verdoppelt wird …
Liebe Grüße nach Steyr Martin Wassermair, KUPF