Lehrplanmäßige Frauenpreise

Ab Herbst gelten in österreichischen Pflichtschulen neue Lehrpläne, die Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung im Unterricht stärker als bisher verankern.

Am Ende der Grundschule sollen Schüler*innen künftig laut Lehrplan «wissen, dass in den österreichischen Gesetzen das Prinzip der gleichen Rechte für die Geschlechter verankert ist und dass der Staat diese Rechte schützen muss». Am Ende von Mittelschule oder AHS-Unterstufe können Schüler*innen «die Begriffe ‹Frauenbewegung› und ‹Gleichstellungspolitik› mit einfachen Worten erklären und einen Zusammenhang herstellen zu bestimmten Errungenschaften in der Gleichstellungspolitik», gibt der Lehrplan vor.

Mitte Dezember 2022 verlieh Ministerin Raab den Österreichischen Staatspreis für Frauen und «weitere Frauenpreise». Diese Preisverleihung firmierte bis dahin unter dem Namen «Käthe-Leichter-Preise» – benannt nach einer Sozialdemokratin, die sich ihren Zugang zum Studium rechtlich erstritt, für die Rechte von Arbeiterinnen einsetzte und später von NS-Täter*innen ermordet wurde. Leichter hatte 1918 in Heidelberg promoviert, weil man sie in Wien nicht ließ. Im selben Jahr trat in Österreich das Frauenwahlrecht in Kraft, 1919 zogen erstmals acht Frauen in den Nationalrat ein.

Anfang Jänner 2023, zwei Wochen nach der Verleihung der «Frauenpreise», erließ der Bildungsminister Polaschek die neuen Lehrpläne. Nach ihrer Pflichtschulzeit sollen Schüler*innen künftig den Kampf um das Frauenwahlrecht und den gleichberechtigten Zugang aller Geschlechter zu Bildung verstehen. Werden sie Käthe Leichter kennen? Oder Hildegard Burjan, die einzige christlich-soziale Nationalrätin unter den ersten Frauen im Parlament? Grete Rehor als erste Frau im Ministeramt? Hertha Firnberg als erste weibliche sozialdemokratische Ministerin? Johanna Dohnal als Gründungsfigur des Frauenministeriums?

Wie geht es zusammen, in der offiziellen Frauenpolitik Pionierinnen aus der Geschichtsschreibung zu löschen und sie gleichzeitig in den Lehrplan zu schreiben? Welche Verbindlichkeit haben Lehrpläne für politische Entscheidungsträger*innen?

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