Einfach nur Kunst machen

In Wien gibt es seit einem Jahr eine Genossenschaft für freischaffende KünstlerInnen, die neben Beratung und Service auch die Möglichkeit von Anstellungen bietet. SMart versteht sich als solidarökonomisches Modell und will die soziale Lage von KünstlerInnen verbessern. Auch weil von staatlicher Seite hier kaum Fortschritte zu erwarten sind. Die KUPF hat Andrea Wälzl und Lisa Pointner zum Gespräch getroffen.

Mit welchen Schwierigkeiten kämpfen freischaffende KünstlerInnen in Österreich?

Lisa Pointner: In erster Linie leiden KünstlerInnen unter der oft unsteten Auftragslage. Man weiß nie, wann Aufträge reinkommen. Viele Leute kommen auch mit der Selbständigkeit überhaupt nicht zurecht, das fängt bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) an und hört bei der Steuer auf. Gerade im Theaterbereich ist das Wechseln zwischen selbständig und angestellt sein ganz schwierig, hinzu kommen, etwa durch fehlende Versicherungszeiten, noch Probleme mit dem AMS. Die bestehenden Systeme sind nicht kompatibel mit den Berufsprofilen von freischaffenden KünstlerInnen. 

„Die bestehenden Systeme sind nicht kompatibel mit den Berufsprofilen von freischaffenden KünstlerInnen.“

Wären die Leute gerne angestellt?

Andrea Wälzl: Ja, vor allem, wer schon einmal angestellt war. Das sind auch die Leute, die jetzt zu SMart kommen. Aber viele Junge kennen das überhaupt nicht mehr, waren noch nie angestellt.

Pointner: Besonders die jungen KünstlerInnen wollen von dem ganzen oft einfach nichts wissen und nur ihre Kunst machen. Das führt schon bald zu Problemen, weil man sich irgendwo nicht angemeldet hat oder das nicht geholt hat oder das nicht.

So geht es wahrscheinlich vielen Selbständigen. Oder liegt es auch im Naturell mancher KünstlerInnen, wie man klischeehaft annehmen könnte?

Pointner: Meiner Erfahrung nach stimmt es, dass das «Künstlernaturell» nicht unbedingt dafür geschaffen ist. Das System ist aber auch nicht wahnsinnig entgegenkommend. KünstlerInnen brauchen oft jemanden, der sie an der Hand nimmt.

Was müsste passieren, um die Situation zu verbessern?

Pointner: Ich bin dafür, dass man das ganze System vereinfacht. Es gibt wahnsinnig viel Bürokratie, die in erster Linie Geld frisst, aber niemandem etwas bringt. Man muss ja nicht alles so kompliziert machen. Man kann ab und zu auch ein paar Regeln abbauen und nicht nur neue schaffen.

Besonders die SVA wird immer wieder kritisiert. Habt Ihr da Erfahrungswerte?

Wälzl: Bei der SVA kommt es sehr darauf an, mit wem man gerade zu tun hat. Du kannst Glück haben und jemanden erwischen, der dein Problem einigermaßen kapiert – aber auch das Gegenteil passiert laufend. Die SVA ist nicht gerade sehr serviceorientiert.

Pointner: Die SVA ist europaweit eine traurige Ausnahme, andere Länder sind da flexibler. In Deutschland haben es KünstlerInnen relativ gut mit der KSK, der Künstler Sozialkassa. Alle, die bei der KSK versichert sind, sind hoch zufrieden. In Österreich ist es deshalb so kompliziert, weil je nach Beschäftigungsverhältnis eine andere Kassa zuständig ist. Das ist kompliziert und nicht gerade förderlich für den kreativen Output.

Ihr habt euch entschlossen, die Arbeitsbedingungen für KünstlerInnen und Kreative zu verbessern und eine Genossenschaft gegründet. Warum diese Rechtsform?

Wälzl: Uns gefällt der Gedanke der Mitbestimmung, eine Genossenschaft ist ein demokratisches Modell. Wir bieten sozusagen ein rechtliches Dach, aber die Firma sind die KünstlerInnen selbst. Wir wollten nicht einfach eine Agentur sein und nur Service anbieten. Das wäre der falsche Gedanke gewesen.

Andrea Wälzl beim SMart Genossenschafts-Launch im Juni 2015.
Foto: SMart

 

Die Genossenschaft ist quasi ein Kollektiv von Selbständigen. Holt man auf diesem Weg von beiden Beschäftigungsformen das Beste heraus?

Wälzl: Ja, man muss keine eigene Firma haben, sondern bedient sich der Genossenschaft, um Aufträge abzuwickeln – mit dem Vorteil, dass eine große Firma im Hintergrund steht, man aber trotzdem selbständig an Projekten arbeiten kann.

Was bietet Ihr freischaffenden KünstlerInnen konkret an?

Wälzl: Grundsätzlich kann man für einen einmaligen Betrag von 50 Euro Genossenschaftsmitglied werden. Wir bieten dann Leistungen in zwei Bereichen: Bei SMart Production hat man die Möglichkeit, Aufträge über die Genossenschaft abzuwickeln. Die KünstlerInnen suchen sich die Arbeit nach wie vor selbst, aber wir übernehmen den ganzen Papierkram. Sie können sich voll auf die künstlerische Tätigkeit konzentrieren. Bei SMart Admin hingegen erledigen wir auf Wunsch administrative Arbeiten im Projektbereich – auch für Vereine. Es geht um das gemeinsame Nutzen von Strukturen. Mitglieder können zudem permanent auf unsere Beratungsleistungen zurückgreifen. Wir haben ein Büro mit gut ausgebildeten Leuten, die allen zur Verfügung stehen.

Ist Beratung nicht eigentlich Aufgabe der IGs [1]. Nehmt Ihr euch da nicht gegenseitig die „Kundschaft“ weg?

Wälzl: Nein, gar nicht. Die Arbeit von SMart fängt dort an, wo die Arbeit der IGs aufhört. IGs beraten und das machen sie sehr gut. Die Mitglieder müssen die Ratschläge dann aber selbst umsetzen. Bei SMart machen wir das für sie. Es geht um die enge und laufende Betreuung der Mitglieder.   

„Die Arbeit von SMart fängt dort an, wo die Arbeit der IGs aufhört.“

Bei SMart können sich KünstlerInnen auch anstellen lassen. Wie funktioniert das?

Wälzl: SMart wandelt Werkverträge in Anstellungen um. Wir holen das Geld vom Auftraggeber und die KünstlerInnen werden bei SMart angestellt. Zu uns kommen zum Beispiel Leute, die für das AMS Anstellungszeiten brauchen. Je nach Ausgangslage gibt es die verschiedensten Optionen und wir suchen gemeinsam die beste aus. Die Genossenschaft ist außerdem ein solidarisches Modell. Von der Service-Gebühr geht ein Teil in einen Garantiefonds, der das Gehalt auch dann auszahlt, wenn es Probleme mit dem Auftraggeber gibt. Selbständige fallen in solchen Situationen oft um das Honorar. Wenn ein Auftraggeber erst nach drei Monaten zahlt, ist das das Problem der Genossenschaft und nicht das der KünstlerInnen.

Ihr seid mittlerweile ein gutes Jahr operativ tätig. Könnt Ihr schon eine erste Zwischenbilanz ziehen?

Wälzl: Wir haben zur Zeit um die 50 registrierte UserInnen aus verschiedensten Bereichen wie Musik und Theater, aber auch SprecherInnen und FotografInnen. Das ist für den Anfang okay, muss aber mehr werden.   

„Der Kampf um Verbesserungen im System muss weitergehen.

Jahrzehntelang wurde vergeblich versucht, die Situation der freischaffenden KünstlerInnen zu verbessern. Jetzt regelt man die Dinge quasi selber, arrangiert sich mit dem System und holt das Bestmögliche raus. Entlässt man damit nicht den Staat aus der Verantwortung?

Wälzl: Das ist eine haarige Geschichte und es besteht die Gefahr, dass der Staat sagt, es baucht keine Veränderungen, weil die KünstlerInnen ohnehin zurechtkommen. Deshalb muss der Kampf um Verbesserungen im System weitergehen. Das ist vor allem Aufgabe vom Kulturrat und den IGs. Gleichzeitig ist es aber sinnvoll, schon jetzt den Alltag der KünstlerInnen zu verbessern. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Aber auch mit SMart ist das System nicht optimal.

Das System ist das eine, die Finanzierung von Kunst und Kultur das andere. In Linz sind in letzter Zeit einige größere Projekte über Crowdfunding, Mikrokredite und Mischformen finanziert worden. Gilt dieses Dilemma auch für solche alternative Finanzierungsformen?

Wälzl: Ja, diese Gefahr besteht. Ein gutes Beispiel dafür ist die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden an Kulturvereine. Das war eine langjährige Forderung der IGs. Nun könnte das Ministerium sagen, dass es jetzt leichter ist, private Sponsoren zu finden und dafür können wir die öffentlichen Forderungen zurückfahren. Da muss man höllisch aufpassen, denn viele KünstlerInnen und Institutionen haben auf dem Markt trotzdem keine reale Chance, Finanzierungen aufzutreiben.

Danke für das Gespräch.

[1] bundes- und landesweite Interessenvertretungen, etwa IG Kultur Österreich & ihre Ländervertretungen oder Kulturrat

Andrea Wälzl hat gemeinsam mit Sabine Kock die Genossenschaft SMart gegründet, Lisa Pointner ist Mitarbeiterin.
smart-at.org

 

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