Inkludieren wir uns endlich!

Während politisch inszenierte Abschiebungen, bösartige Unterstellungen und perfide Umdeutungen von christlichen Begriffen für die übliche Dosis Rassismus im Nationalratswahlkampf sorgen, legt der oberösterreichische Landeskulturbeirat ein durchaus ambitioniertes Maßnahmenpaket vor, um die Partizipation von Migrantinnen, ethnischen Minderheiten und Flüchtlingen am kulturellen Leben im Land stärker zu fördern. Das Beste am Paket ist aber seine Überschrift.

Ein neuer Anlauf des Landeskulturbeirats

Fast zeitgleich mit den skandalösen Abschiebungen der pakistanischen Flüchtlinge präsentierte der Vorsitzende des oberösterreichischen Landeskulturbeirats Helmut Obermayr gemeinsam mit Landeshauptmann Pühringer ein „Vorschlagspaket für Interkulturalität und Inklusion“, das durchaus beachtenswert ist. Schon im Oberösterreichischen Kulturleitbild wird die „Teilnahme möglichst aller Bevölkerungsgruppen an kulturellen Entwicklungen“ zum Ziel erklärt. In einem eigenen Abschnitt geht es speziell um die Förderung und Integration von Migrantinnen, ethnischen Minoritäten und Flüchtlingen in das kulturelle Leben der Mehrheitsbevölkerung. So weit, so unverbindlich. Ein Blick in den zweiten Umsetzungsbericht zeigt aber, dass noch nicht viel passiert ist, was auch der Landeskulturbeirat feststellt und von „erheblichen Defiziten“ spricht. Um neuen Schwung in die Sache zu bringen, hat er seine jährlichen kulturpolitischen Empfehlungen in Eigeninitiative um ebendieses Vorschlagspaket erweitert. Und er kehrt dabei auch vor der eigenen Tür, denn die Nichtteilhabe von Teilen der Bevölkerung spiegelt sich auch in der Besetzung des Beirats selbst wieder, in dem keines der 27 Mitglieder den angesprochenen Bevölkerungsgruppen zuzurechnen ist. Die Änderung dieses skurrilen Zustandes ist deshalb die wichtigste und am leichtesten umzusetzende Forderung im Paket. Weiters werden unter anderem mehrsprachige Informationen über Fördermöglichkeiten, die Schaffung von Anreizen zur Teilnahme an kulturellen Einrichtungen, sowie die Aufnahme von Kulturveranstaltungen der Zielgruppen in den Veranstaltungskalender des Landes empfohlen. Die Maßnahmen sind zwar größtenteils wenig konkret, aber geben durchaus eine brauchbare Richtung vor, um zumindest kleine Verbesserungen zu erreichen.

Von der Integration zur Inklusion

Viel bemerkenswerter sind jedoch die gewählten Begrifflichkeiten. Denn in der Überschrift der Presseunterlage findet sich das Wort „Inklusion“, und das ist viel mehr als bloß ein neues Modewort. Es ist vielleicht ein erster Vorbote einer neuen Qualität in der Diskussion um Teilhabe und Ausschluss von Menschen, die nicht in das imaginierte Selbstbild der angeblichen Mehrheitsbevölkerung passen. Inklusion beschreibt das Streben nach einer Gesellschaft, in der die gleichberechtigte Teilhabe von allen Menschen selbstverständlich ist. Eine Gesellschaft, die die Vielfalt der unterschiedlichen Lebensrealitäten nicht nur akzeptiert, sondern als konstituierend und identitätsstiftend versteht und diese Unterschiede damit nicht hierarchisiert. In einer inklusiven Gesellschaft ist es normal, verschieden zu sein. Das unterscheidet Inklusion deutlich von Integration, denn Integration geht von einer einheitlichen Mehrheitsgesellschaft aus, zu der einige aus irgendeinem – von ebendieser Mehrheit definierten – Grund nicht dazugehören und sich deshalb integrieren müssen. Man könnte auch anpassen dazu sagen. Der Schritt von der Anpassung zur Assimilation ist dann oft nur ein kleiner und so manche „echte“ Österreicherin meint letzteres, wenn sie ersteres sagt. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass die Forderung nach Integration in den letzten Jahren immer aggressiver vorgetragen wird und beinahe schon zu einem neuen, rechten Kampfbegriff geworden ist. Aber warum soll sich zum Beispiel ein Jugendlicher, dessen Großeltern vor Jahrzehnten aus der Türkei eingewandert sind, in eine vermeintliche Mehrheitsgesellschaft integrieren? Er ist bereits Teil dieser Gesellschaft. Er war es von dem Tag an, an dem er geboren wurde. Mit seiner Geburt hat sich Österreich, seine Bevölkerung und Gesellschaft ein Stückchen verändert, genauso wie es bei jeder Geburt der Fall ist. Ob man das gut findet oder nicht, spielt dabei gar keine Rolle. Und überhaupt: An wen sollte er sich anpassen? An die Mühlviertler? Und wenn ja, an welche? An den Großbauern aus Rohrbach? Oder doch an die Webdesignerin aus Freistadt? Oder an beide? Der diskursive Schritt von der Integration zur Inklusion akzeptiert die gesellschaftliche Realität und hilft uns bei der Konzentration auf das Wesentliche: Nach den Gründen für Exklusion zu suchen und sie nach Möglichkeit zu beseitigen.   

Eine Aktion der Inklusions-Guerilla?

Ich weiß nicht, wie Landeshauptmann Pühringer über diese Sache denkt und ob er sich viel dabei gedacht hat, als er den Begriff Inklusion bei der Pressekonferenz verwendet hat. Vielleicht war es auch eine geniale Guerilla-Aktion des Landeskulturbeirates, der die Debatte auf eine neue Ebene heben wollte. Eine Schlussfolgerung drängt sich jedenfalls auf: Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind eine gute Sache und können – so sie denn umgesetzt werden – punktuelle Verbesserungen bringen. Solange wir alle aber nicht viel grundsätzlicher über unser Selbstbild und unser Selbstverständnis diskutieren, und die uns verbindenden Elemente jenseits von Begriffen wie Mentalität, Kultur oder Ethnizität suchen, werden wir immer nur an Symptomen herumdoktern und trotz aller gutgemeinten Bemühungen letztlich erfolglos bleiben.  

 

 

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