Wüst?

Von Blumen und Wildkräutern und Josef Pühringers zwanzigjährigem Dasein als Kulturpolitiker.

Zwanzig Jahre ist es her, dass Landeshauptmann Josef Ratzenböck seinen Landesrat Josef Pühringer gefragt hat: „Wüst de Kultur?“ Dieser wollte. Zwei Dekaden sind es schon. Nein, eigentlich 38 Jahre, wie der Altlandeshauptmann unterstreicht, denn zusammen mit seinen 18 Jahren als Kulturreferent ergibt dies beinahe vier Jahrzehnte Kulturpolitik „aus einem Guss.“ Grund genug für den jetzigen Landeshauptmann und seinen Vorgänger, eine Pressekonferenz abzuhalten und in einer knappen Landhaus-Viertelstunde Bilanz zu ziehen. Alleinstellungsmerkmal der oberösterreichischen Kulturlandesräte ist, dass sie gleichzeitig auch Finanzlandesräte sind. Oder doch umgekehrt? Josef Ratzenböck ruft mit süffisantem Unterton ins Gedächtnis, dass dies auf Bundesebene heißen würde, Maria Theresia Fekter wäre Österreichs oberste Kulturpolitikerin. Da haben wir doch noch mal Glück gehabt. Und schon kiefle ich an Josef Pühringers kulturpolitischem Credo: „Liebe zum Alten und Mut zum Neuen.“ Müsste dies nicht eher umgekehrt sein: Mut zum Alten und Liebe zum Neuen. Nein, da fehlt dann auch was. Irgendwie geht sich dies gerade nicht ganz aus. Nochmals: Liebe zum Alten und Mut zum Neuen. Durch einen zweiten Denkwaschgang und die Presseunterlage des Landes wird einiges klarer: „Offenheit, Toleranz, Liberalität und eine produktive Spannung zwischen Tradition und Innovation: das kennzeichnet das Kulturland Oberösterreich.“ Noch besser offenbart es mir Josef Ratzenböck, dessen Fähigkeit, die Dinge in ihrer Blumigkeit anschaulich zu machen, ungebrochen ist: „Kulturpolitik heißt, die vielen, vielen bunten Blumen zu betreuen und auch die Wildkräuter zu hegen und zu pflegen.“ – Also: Liebe zu den vielen bunten Blumen und Mut zu den Wildkräutern. Doch es blühen mitunter auch neuartige Blumen auf den schwarzen heimischen Kulturwiesen, die im Prinzip durch die Gießkanne beehrt und genährt werden. Also mit den Credos ist das so eine Glaubenssache, da komm ich nicht ganz dahinter. Vielleicht bin ich zu wenig gläubig und eine Gießkanne ist kein Gnadenstrahl. Eines ist aber sicher: Oberösterreich ist ein Kulturland, eben auch durch eine 38 Jahre andauernde Kulturpolitik aus einer Gießkanne. Kultur ist der Kitt der Gesellschaft. Kultur ist das, was vom Menschen bleibt, erläutert Josef Pühringer seinen Kulturbegriff. In der Kulturpolitik sei ein permanenter Doppelschritt notwendig: Zum einen müsse das kulturelle Erbe in einer zeitgemäßen Form weitergegeben werden. Zum anderen sollten den unruhigen kreativen Kräften einigermaßen ruhige Räume des Arbeitens und Existierens ermöglicht werden. Diese Kulturpolitik changiert demnach zwischen Heimatstube und Zulassungsbehörde: Ein Schritt nach vorn und ein Schritt zurück und umgekehrt. Klingt nach auf der Stelle treten. Stimmt irgendwie auch, aber den Kulturpolitiker Pühringer nur als auf und ab wippenden Bewahrer und Ermöglicher zu sehen, wäre doch zu kurz gegriffen. Oberösterreich ist noch immer eine selige Kulturinsel. Der Vergleich macht erst recht und weit und breit sicher. Das Elend des Vergleichens ist (nicht) nur, dass man auf der Stelle zu treten beginnt, Visionen Visionen sein lässt oder das Bewährte fest einzementiert. Die Kulturbauaktivität ist im Moment vermutlich die höchste in ganz Europa. Neben den Großbaustellen Musiktheater und Bruckneruni sind der Wiederaufbau des Ursulinenhofes, zahlreiche einmalige Musikschulbauten, der Südflügel oder die neue Landesbibliothek zu nennen. Interessant bleibt, wie sich die beiden im Bau befindlichen Kulturbaustellen inhaltlich aufrichten werden. Während die Bruckneruni zur Zeit unter ihrer Rektorin kopflos und befindlich vor sich hin mäandert, ist das Theater immer mehr mit neuen gesellschaftlichen Realitäten konfrontiert und die große Frage ist, wie das neue und das alte Haus befüllt werden sollen? Das Geld ist knapp. Die Infrastruktur der kulturellen Institutionen verlangt viel Geld. Das Kulturbudget ist zwar von 72 Millionen Euro im Jahre 1992 auf 170 Millionen Euro im Jahre 2011 gestiegen, aber ein genauerer Blick zeigt, dass die Pflichtausgaben im Steigen und die Ermessensausgaben im Sinken begriffen sind. Der Spielraum für die „Spielräume“ wird immer enger, genau diese aber müssten in unseren Zeiten ganz weit offen gehalten werden. Liebe zu den Wildkräutern wäre angesagt. Deren Wirkung ist notwendiger denn je.

 
 

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