No integration: participation!

Eine Unterhaltung zwischen drei maiz-Mitarbeiterinnen hat Galia Baeva niedergeschrieben.

 

In einer Demokratie, die sich als solche betrachtet, die aber gleichzeitig immer mehr restriktive Gesetze und Bedingungen hervorbringt, die dem Leben der MigrantInnen die Zügel anlegen, hat der Migrantinnenverein maiz in diesem Jahr ein Thema ins Visier genommen, das schon immer präsent und Ziel der Kulturarbeit von maiz war – die Partizipation. In einer Reihe von Ausstellungen, Diskussionen und Workshops stellte maiz Fragen: Gibt es Partizipation heute und ist sie die Basis der Demokratie? In welcher Korrelation stehen die Integration und Partizipation von MigrantInnen? Wo ist sie noch möglich? Wie wird politische Partizipation erreicht?

Eine Unterhaltung zwischen drei maiz-Mitarbeiterinnen …

Galia: Nach monatelanger Reflexion über Partizipation und ihre möglichen Formen – was glaubt ihr, hat sich die Definition von Partizipation geändert?
Christiane: Die Definitionen hängen vom Kontext ab; z.B. der Titel der Veranstaltung „No integration: participation!“: durch partizipative Ansätze wird dem Begriff Integration eine erweiterte Bedeutung verliehen, nämlich die der Transformation der Realitäten. Ich verstehe das Wort Integration durch das Wort Partizipation.

Marissa: Heute bedeutet Integration etwas Schlechtes, weil dieser Diskurs von den PolitikerInnen in Österreich geführt wird und die ganze Palette der Integration – von der totalen Anpassung bis hin zu einer romantisierenden, exotisierenden Multi-Kulti-Gesellschaft – darstellt. All diese Formen der Integration vergessen zu fragen, ob die MigrantInnen sich integrieren wollen – also dieser Diskurs wird noch immer über sie als Objekte geführt. Und wer integriert wen, bitte?
Galia: Bei den Veranstaltungen zu diesem Thema wurde klar, dass die Frauen sehr genaue Vorstellungen von Partizipation haben: Mitwirken, Teilhaben, Teil-Sein, Mitentscheiden, Teilnehmen.
Christiane: Wir alle partizipieren im alltäglichem Sinne: wir sind Mütter, wir arbeiten, wir bezahlen Rechnungen, wir konsumieren, aber damit verändern wir nichts. Das ist keine Partizipation! Die Partizipation der Migrantinnen soll ein Reflex auf die Politik in der Gesellschaft sein. Durch die Einführung des neuen Fremdengesetzes wurde die Existenz vieler praktisch unmöglich gemacht, ganz zu schweigen von Respekt ihnen gegenüber! Aber das System verlangt immer wieder frische Sündenböcke. Und es geht los: die Pensionsreform, die Bildungsreform, all das beinhaltet den Verlust von Rechten.
Marissa: Die Ausschließung von politischer Partizipation und das System des Neoliberalismus stehen fest. Es kommt die Zeit, wo immer mehr Menschen ohne Privilegien bleiben werden und die Kluft dazwischen immer größer wird. Ich sehe meine Arbeit in maiz als politische Arbeit an, in dem ich nicht bitte, sondern souverän sage: “Wir sind da und haben Kompetenz und Rechte!“
Galia: Es geht um einen Kampf gegen die Hegemonie! Welche PartnerInnen haben wir? Im Kulturbereich wurden die Projekte meistens in Zusammenarbeit mit ÖsterreicherInnen durchgeführt.

Christiane: Ich habe ein Projekt* koordiniert und da wurden ÖsterreicherInnen als ReferentInnen eingeladen. Ich bin nicht so sicher, dass man das als Zusammenarbeit bezeichnen kann! Sie haben ein Service geleistet.
Galia: Dein Ansatz spricht über Partizipation im Sinne einer Symbiose – ich bekomme etwas zu meinem Nutzen, ich setzte es um, dafür gebe ich auch was ab. Aus welchem Grund sind solche Menschen zu einer Zusammenarbeit bereit?
Marissa: Ich führe das auf ihre Sensibilität zurück. Nun es gibt solche, die der Tendenz folgen, uns lehren und kulturalisieren zu wollen. Diese Tendenz hängt mit der Sprache zusammen, aber auch mit dem Eurozentrismus des Wissens. Es gibt auch viele MigrantInnen, die sich dominieren und kulturalisieren lassen! Das ist diese Akzeptanzsucht unter den MigrantInnen. Ich will nicht akzeptiert werden! Ich will Respekt!
Galia: Die Arbeit im Kulturbereich von maiz ist eine Affirmation, dass Partizipation möglich ist. Die wird in die Öffentlichkeit projiziert, als Forderung nach Partizipation auf allen Ebenen. Ich gebe mich nicht zufrieden mit der Partizipation innerhalb des Kulturbereiches!
Marissa: Glaubst du, dass die Mehrheit, so lange sie die Privilegien hat, uns Partizipation ermöglicht wird? NEIN! Denn Partizipation ist Kommunikation und Kommunikation ist Alterität. Die Macht zu teilen fällt niemandem leicht.

Christiane: Meine Antwort auf die Frage eines Freundes, warum ich hier arbeite, war: maiz macht eine Arbeit des Widerstandes: Strategien entwickeln, um gesellschaftliche Veränderungen zu provozieren.

Cristiane Tasinato / Galia Stadlbauer-Baeva /Marissa Lobo

*Das Projekt MigraZine ist ein Online Magazine von und für Migrantinnen.
www.migrazine.at

Cristiane Tasinato ist Soziologin, seit Jahren in verschiedenen Projekten von maiz als Teilnehmerin und im Jahr 06 als Koordinatorin des Projektes MigraZine beteiligt.

Galia Stadlbauer-Baeva studierte Kunstgeschichte, seit April 2006 im Kulturbereich von maiz als Projektkoordinatorin tätig.

Marissa Lobo ist Aktivistin, seit 05 als Kulturarbeiterin und Multiplikatorin im Rahmen eines EQUAL-Projektes in maiz tätig.

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