Die Skala der Kultur

Am 01. Juli 2003 übernimmt Reinhard Mattes die Leitung der Landeskulturdirektion von Manfred Mohr. Anlass genug für die KUPF, beide zum Gespräch zu bitten.

 

von Udo Danielczyk und Inge Proyer

KUPF: Herr Hofrat Mohr, was waren besondere Erfolge für Sie in Ihrer Laufbahn in der Landeskulturdirektion?

Mohr: Als besonderen Erfolg in diesem Managementbereich werte ich die Übernahme der Studienbibliothek des Bundes und deren Umwandlung zu einer wissenschaftlichen Landesbibliothek, die sich in den letzten Jahren ganz hervorragend eingeführt hat. Weiters die Gründung, Neustrukturierung und Umwandlung des Offenen Kulturhauses als Begegnungsstätte mit internationaler Zeitkultur im weitesten Sinne. Es ist eine Neupositionierung erfolgt im Bereich des Stifterhauses als Literaturhaus, also nicht nur der Stifterforschung sondern auch der Begegnungsstätte mit den zeitgenössischen Literaten.

Gibt es etwas, das nicht so gelungen ist? Mohr: Ja, der Bau des Musiktheaters ist nur bis zur Bauverhandlung gediehen, aber nicht zur Umsetzung. Die Bauverhandlung ist allerdings positiv abgeschlossen, darauf können wir stolz sein.

Gibt es etwas, das liegen geblieben ist, das Sie noch gerne erledigt hätten? Mohr: Ja, das ist ein zeitlicher Faktor, da ist mir meine Pension zuvorgekommen, die Ausgliederung des Theaters und des Orchesters, das sind noch reine Formalakte. Den letzten Teil darf ich meinem Nachfolger Dr. Mattes in die Hände legen, und ich weiß, dass das in kürzester Zeit erledigt sein wird.

Herr Hofrat Mattes, gibt es auch bei Ihnen etwas, das nicht ganz so geglückt ist? Mattes: Da bin ich sicher. Bei vielen Projekten darf ruhig einmal etwas passieren oder nicht funktionieren, man soll nur – Grundregel Nummer eins – die selben Fehler nicht mehrmals machen – und das hoffe ich, dass ich das nicht getan habe. Man sollte Projekte so anlegen, dass ein Scheitern im Einzelbereich nicht das Gesamtunternehmen in Frage stellt. So gesehen, hab ich sicherlich – wie viele andere – Fehler gemacht, aber ich könnte nicht sagen, dass irgend etwas gescheitert wäre.

Sie sind zum neuen Leiter der Landeskulturdirektion ernannt worden, in der Endausscheidung waren 8 Kandidaten. Was glauben Sie, hat den Ausschlag gegeben für Sie? Mattes: Eigentlich bin ich nicht befugt, diese Frage zu beantworten, das obliegt den Beurteilern – Assessoren, wie das so schön heißt. Vielleicht habe ich den Vorteil der längeren Erfahrung in der Szene. Wo ich ab Juli tätig sein werde, bin ich schon seit 1979. Diese Erfahrung, plus Erfahrungen, die ich außerhalb des Hauses im Zusammenwirken mit anderen Kultureinrichtungen, in anderen Funktionen, gesammelt habe, mag vielleicht den Ausschlag gegeben haben.

Ihre Ernennung könnte interpretiert werden als eine Entscheidung für Konstanz, Stabilität, Kontinuität und vielleicht weniger als eine Entscheidung für Erneuerung, Impulse, Veränderungen. Wie sehen Sie das? Mattes: Das ist legitim, wenn man es so sieht. Ich war beim Assessment-Center mit einer ähnlichen Frage konfrontiert, meine Antwort damals war genau dieselbe wie jetzt: Den selben Dienstgeber, die selbe Dienststelle zu haben, heißt nicht immer das selbe zu denken und zu tun. Der eine ist innovativ, indem er immer wieder wo anders hingeht, der andere ist in der selben Dienststelle innovativ, indem er sich neue Aufgaben sucht. Ich habe hier im Haus viele Stationen und unterschiedliche Tätigkeiten gehabt, habe darüber hinaus 10 Jahre als Kulturpolitiker eine Gemeinde mitgestaltet. Ich suche Innovation – wenn schon nicht beim Dienstgeber, dann in der Aufgabenstellung.

Herr Mohr, gäbe es so etwas wie einen letzten Ratschlag an Ihren Nachfolger? Mohr: Nein, es muss sich jeder die Nase selber ein bisserl anhauen – das habe ich auch machen müssen, das war zum auch Teil vergnüglich, weil man daraus lernt: Ich habe bei den letzten Verhandlungen, die wir schon gemeinsam geführt haben, gesehen, dass Dr. Mattes in einer neuen Zeit anders agieren muss und kann, als es zu meiner Zeit notwendig war. Es haben sich die Strukturen und das Umfeld in den letzten Jahren sehr stark gewandelt.

Herr Mattes, Sie haben ja Herrn Mohr lange Jahre in der Landeskulturdirektion begleitet, hätten Sie an seiner Stelle vielleicht so manches anders gemacht? Mattes: Rückblickend ist immer jeder gescheiter – nein, ich glaub nicht. Jede Zeit hat auch ihre Methoden, ihre Herausforderungen und auch ihre Antworten darauf. Dass andere Generationen, andere Zeiten immer auch anders reagieren liegt auf der Hand. Und eine hervorragende Periode ist diese Zeit jetzt von der Ernennung bis zum Amtsantritt. Dieses „Duumvirat“ mit Manfred Mohr ist etwas unheimlich Bereicherndes, es ist eine Lernperiode um all das noch nachzuholen, was bisher noch nicht in meinem Erfahrungsschatz gelegen ist.

Wo sehen Sie in der Zukunft ihre wichtigsten Aufgaben, wo würden Sie gern Schwerpunkte setzen? Mattes: Der Schwerpunkt ist mehrfach: Zum einen liegt er in der Funktion, dass ich ein Koordinator, bin, einer der die Kommunikation aufrecht halten, befördern und fördern muss zwischen den Kultureinrichtungen des Landes selbst, und unserer Einrichtungen mit den freien Kultureinrichtungen, die es im Lande gibt. Das zweite sind Sachaufgaben: von großen wie das Musiktheater bis zu kleineren hinunter wie die Ausgliederung. Und natürlich gibt es auch eine Schwerpunktbildung innerhalb der kulturpolitischen Vorgaben des LH Pühringer: einerseits mit den Kultureinrichtungen des Landes zusammen Themenfelder zu besetzen, im Zusammenspiel der unterschiedlichen Landeseinrichtungen. Und das Institut für Kulturförderung (IKF) als finanzielle Fördereinrichtung zu belassen und dieses Standbein in keiner Weise zu schwächen. Daneben aber es auszubauen: als Serviceeinrichtung im Sinne von Projektbegleitung, -beratung und -unterstützung. Das ist keine neue, das ist eine permanente Aufgabe.

Wenn Sie frei wären von Vorgaben, sei es finanzieller oder politischer Natur, was wäre Ihre große Vision? Mattes: Das problemlose, offene Zusammenspiel aller an der Kultur Interessierten: der Kreativen, der schöpferisch Tätigen, der Konsumenten, der Kulturpolitiker, der Finanziers, der Sponsoren. Alle zusammen von Kultur so durchdrungen, so begeistert, dass ein Wort, ein Zuruf, ein kleiner Wink genügt, und Kultur lebt und wird ermöglicht. Das ist die Vision, der Weg dorthin ist die Arbeit.

Sie waren der erste Sachbearbeiter für Kulturinitiativen. Wie beurteilen Sie jetzt in diesem Feld die Entwicklungen in den letzten 20 Jahren? Mattes: Die Entwicklung ist gigantisch, das kann man ja linear gar nicht mehr ausdrücken, Das waren am Beginn 50.000 ATS pro Jahr für die „alternative Szene“, so hat das damals geheißen. Heute sind das in Schilling ausgedrückt zweistellige Millionenbeträge. Ich schätze diese Entwicklung auch als eine positive, denn mit diesen Mitteln ist ja was passiert. Die sind ja nicht als Gießkanne, als Schweigegelder an eine kritische Szene ausgeschüttet worden. Die wurden umgesetzt in konkrete Kunstprojekte, in Investitionen einer gewissen kulturellen Infrastruktur, sowohl in der Stadt als auch im regionalen Umfeld, oder umgesetzt in große Motivations- und Bewegungsschübe, wenn ich das Festival der Regionen (FdR) als solches bezeichnen kann. Nur die Linie der Kurve wird nicht linear weiterführbar sein, es wird ganz offensichtlich Verflachungen geben müssen, wie wir in den letzten Jahren schon gesehen haben. Beide Seiten – die kreative Szene und die Förderszene – werden danach trachten müssen, bei hoher Qualität und bei hohem Finanzniveau, in etwa diese Standards und diese Höhen zu halten, die wir derzeit haben.

Beim Kulturbudget gehen über 85% der Mittel in Landeseinrichtungen. Wie viel Spielraum gibt es da überhaupt noch um Schwerpunkte zu setzen. Mattes: Prozente sind eine wenig aussagekräftige Zahl. Man muss hier schon von Geldbeträgen reden, und da ist das frei verfügbare Budget in der Kulturabteilung bei ca. 28 Mio. Euro. Da habe ich einen relativ hohen Spielraum. Ich kann das nicht in Vergleich setzen mit den anderen Beträgen, wo das Theater und Musikschullehrer dabei sind, das sind Fixposten. Aber die Szene oder die Künstler, die Kreativen haben bei uns einen höheren Spielraum, als in allen anderen Bundesländern. So gesehen kann man eigentlich sehr optimistisch gestimmt an unsere Budgetlage denken, und sollte nicht unbedingt das eine mit dem anderen vergleichen oder gar die fixen Einrichtungen gegen die freie Szene ausspielen.

Die Problematik ist, dass für die Landeskulturinstitutionen und das Personal dort völlig klar und normal ist, dass es Steigerungen geben muss, im Bereich der Freien Szene ist das nicht so. Der Budgetansatz für KI’s ist 2003 sogar unter den Stand von 2001 gesunken. Mattes: Es sind alle die konkreten Vorhaben, alle die großen Projektwünsche, die an uns herangetragen wurden, im Budget berücksichtigt. Dass insgesamt auch die Sache gesunken wäre, ist für mich nicht nachvollziehbar. Weil 2003 haben wir das Festival der Regionen, und das ist wieder entsprechend dotiert. Im Vorjahr war das nicht.

Ich habe auch gerade gegenüber 2001 verglichen. Mattes: Wir haben in jeder Form auf die Bedürfnisse reagiert, so wie sie an uns herangetragen wurden oder wie sie mit den Veranstaltern, wie dem FdR, vereinbart sind. Dem liegen ja auch langfristige Absprachen und Planungen zugrunde. Es gibt natürlich mehrere Szenen: Es gibt ihre, die der Kulturplattform, der so genannten Freien Szene, es gibt auf dem anderen Ende der Skala der Kultur die Denkmalpflege, die Museen, die Volkskultur, es gibt die Bildende Kunst, die Literatur, Theater. Jeder will jedes Jahr eine Erhöhung. Jedes Jahr alle zu erhöhen ist eine Kunst, die weder der Finanzreferent noch ein Kulturdirektor kann. In dieser Zwickmühle, unter diesen äußeren Zwängen halte ich ein Halten dieses Höchststandes aller Kulturbudgets Österreichs für bestens oder für bestmöglich.

Nach Erhebungen der KUPF unter ihren Mitgliedern ist der Bedarf an Landesförderung immer um einiges höher als die Förderung. Insofern ist die Aussage, dass die Budgetierung dem Bedarf entspricht, nicht nachzuvollziehen. Mattes: Nein, sie orientiert sich am Bedarf. Gibt’s mehr Projekte, sehen wir mehr vor. Ein Nachvollziehen, ein Eins zu Eins-Abdecken ist ja undenkbar. Wir leisten überall Zuschüsse, und die sind fast in keinem Bereich auch nur annähernd so hoch wie in der Freien Szene. Das ist auch klar und richtig so, weil da Innovatives gemacht wird, da wird sehr stark projektorientiert ein kreativer Bereich abgedeckt und überhaupt erst ermöglicht. Die 100%ige Kostenübernahme gelingt mir nirgends.

Eine Frage zu den vorher angesprochenen Ausgliederungen der Landeskulturinstitutionen: Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile sowohl für die Landeskulturdirektion als auch für die Institutionen? Mattes: Ich könnte es mir leicht machen und sagen: Das wissen wir nachher, wenn es geschehen ist. Zunächst geht es von der Planung her um Vorteile, die man sich für die Häuser erwartet. Nämlich in der Flexibilität ihrer Aufgabenwahrnehmung, in gewissen Freiheiten mit ihren Ressourcen, und darin, sich selber sozusagen am „Markt der Kultur“ leichter bewegen zu können. Reflektiert auf unsere Situation ist es auch für uns ein besseres Steuerungsinstrument. Nicht Kleinigkeiten mittragen oder mitbeschließen zu müssen, sondern sich einer gemeinsamen Themenstellung annehmen zu können. Wo kann ich Schwerpunkte der Häuser miteinander, aufeinander abstimmen, die dann aber die Selbstständigkeit und Möglichkeit haben, das umzusetzen. Darin sehen wir Vorteile für das Unternehmen, es liegt auf der Hand, dass ein Landestheater und ein Brucknerorchester als kaufmännische Einheit, die sie ja schon sind, noch um einen Schritt leichter, finanziell beweglicher und klarer führbar sind als bisher.

Die Bundestheatern und -museen sind seit einigen Jahren in eigenständige GmbH’s ausgegliedert, es gibt mittlerweile finanzielle Probleme wegen steigender Personalkosten und Budgetdeckelung. Wie sind hier Ihre Pläne? Mattes: Auch bei uns wird es gedeckelte Zuschüsse des Landes als Eigentümer geben. Tatsache ist, dass wir hier zwei Beträge voneinander trennen werden: den Personalzuschuss und alles andere. Wenn ich nur einen Topf habe und das Personal wächst automatisch durch dienstrechtliche Bestimmungen, dann geht das zu Lasten der anderen Hälfte. Das gilt es, durch ein eigenes Reglement des Geldzuflusses zu unterbinden. Wir haben dann noch einen Vorteil: Es handelt sich beim Theater um einen Betrieb mit ganz wenigen echten Beamten oder Vertragsbediensteten, der Rest sind jetzt schon Privatangestellte. Somit ist dieses Problem nicht so schlagend.

Sind die Diskussionen rund um GATS Anlass, die Ausgliederungen neu zu überdenken? Besonders vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland Klagen von kommerziellen Veranstaltern wegen Benachteiligung durch Subventionen gib? Mattes: Stand der Dinge ist, dass sich die Kläger in Deutschland wahrscheinlich sehr täuschen. Die letzten Beschlüsse und Protokolle, die ich mir angeschaut habe, laufen darauf hinaus, dass es nunmehr eindeutig klargestellt wäre, dass genau Kulturbetriebe und kulturelle Einrichtungen, oder Auftragsvergaben im Bereich der Kultur von diesen Wettbewerbsregeln eindeutig ausgenommen sind.

Wir danken für das Gespräch.

Mohr: Ich möchte mich zum Abschluss bei den Medien bedanken, für das Interesse und auch das Bemühen, objektiv über unsere Arbeit zu berichten. Ich möchte mich bei der Gelegenheit bei meinen Kollegen bedanken, vor allem bei meinem langjährigen Begleiter Hofrat Paul Stepanek. Ich wünsche meinem Nachfolger alles Gute und viel Erfolg, in einer sich in der letzten Zeit sehr rasch wandelnden Zeit, die immer wieder neue Anforderungen auch an uns in der Verwaltung stellen wird. Udo Danielczyk Ingeborg Proyer

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