Günther Ziehlinger verrät uns, was eigentlich in einer Bikekitchen gekocht wird.
Es gärt in der mobilen Gesellschaft. Der Benzinpreis steigt, die Straßen stauen, Straßenbaudenkmäler wachsen nicht mehr automatisch aus dem Boden, und in den Städten kommen scheinbar immer mehr Fahrräder zu Tage. Die Critical Mass (vgl. KUPFzeitung Nr.135) erobert die Städte, und mit ihr erfasst eine weitere kalifornische Idee die Fahrrad-Gemeinde. Die Bikekitchen.
R adfahren wird nicht nur verkehrspolitisch immer relevanter. Radfahren wird auch immer kultiger. Die Idee, das eigene Rad aufzumotzen und mit skurrilen Aufbauten zu experimentieren wird in der Bikekitchen perfektioniert. In radfahrbegeisterten Städten, zunächst in Los Angeles, gründeten sich diese Non-Profit Organisationen, um mit möglichst wenig finanziellem Aufwand den Radfahrgenuss zu steigern, aber auch, um als technischer Support anderen Radfahrerinnen zur Seite zu stehen. Dabei versteht sich eine Bikekitchen als Küche zum Mitkochen und Kochen Lernen. Nicht jedoch als Restaurant. Soll heißen: Die Bikekitchen bietet Know- How und Werkzeug zum selber Reparieren. Ein Reparier Service gegen Bezahlung ist die Bikekitchen aber nicht. Mittlerweile hat sich die Idee, nicht zuletzt im Umfeld der Critical Mass, weltweit ausgebreitet. Ja und richtig geraten, in Linz hat sich auch schon so eine Fahrradküche eingenistet. Die Linzer Bikekitchen hatte bereits im Rahmen der Subversiv Messe in der 09-Hafenhalle ihren ersten größeren Auftritt. Gemeinsam mit den befreundeten Radfreaks aus Wien wurden diverse Errungenschaften der Bikekitchen präsentiert. Denn mit einfachem Patschenpicken und Kranzlputzen erschöpft sich deren Tätigkeit nicht. Der Spaß beginnt erst mit dem Zusammenschweißen einzelner Fahrradteile zu sogenannten Tallbikes und anderen Fahrzeugkonstruktionen. Tallbikes, aus zwei, drei oder sogar sieben Rahmen hergestellte Riesen Fahrräder eignen sich hervorragend fürs Fahrrad-Polo oder für Ritterturniere. Bike- Bungee und Bike-Rodeo sind andere Kreationen, die aus der eigenwilligen Küche kommen. Mittlerweile erfreut sich diese Bewegung auch hierzulande vermehrten Medieninteresses. Österreichweit wurde der Wiener Bikekitchen von der Internetabteilung des ORF ein groß aufgemachter Artikel gewidmet. Die selbst geschweißten Vehikel werden darin als »VW Polos der Generation 2.0« bezeichnet. Mediale Beachtung fand auch ein Aktionstag der Linzer Kolleginnen. Der Regional Fernsehsender LT 1 berichtete vom Fahrradreparatur Workshop am Lohnsdorfer Platz, der auf Einladung des Büro Stadtteilarbeit Franckviertel zustande gekommen war. Ruhm und Anerkennung waren bis dato aber nicht die Folge dieser ersten Medienpräsenz. Die Situation wurde nach dem Auszug aus der Werkstatt im ehemaligen Autohaus Nisslmüller in den letzten Monaten überaus prekär. Lange Zeit konnte der Bauwagen, der alles Werkzeug und Materialen beherbergt, am Parkplatz vor der KAPU verweilen. Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, die das Parken solcher Vehikel betreffen, musste der Wagen den Ort wechseln. Für einige Zeit wurde am Areal des ehemaligen Frachtenbahnhofs ein neues Zuhause gefunden. Doch für ein lebendiges Fahrradbasteln mit regem Zustrom war diese Location ein maximal abträglicher Platz. Kein Vergleich mit der zentralen Lage in der Kapuzinerstraße, wo die Bikekitchen sich wachsenden Besucherinnenzustroms erfreute. Zu allem Überfluss wurde dann auch noch in den Bauwagen eingebrochen und das Werkzeug gestohlen. So kurz vor dem Winter hat sich nun aber doch wieder einiges zum Guten gewendet. Ein neuer Abstellplatz in zentraler Lage wurde gefunden und die gestohlenen Werkzeuge konnten durch Spenden ersetzt werden. Das Unternehmen Bikekitchen Linz wird auch über den Winter aktiv sein. Wer sich lieber erst wieder im Frühling auf das Fahrrad schwingt, kann sich in der Zwischenzeit ja auf der Homepage: http://bklinz.nospace.at umschauen. Dort ist auch zu erfahren, wo genau die Bikekitchen aufzufinden ist. Wer weiß, wann sich die Adresse wieder ändern wird. Vielleicht gibt es ja in absehbarer Zukunft einmal eine beständige Lösung in optimaler Lage. Das Potenzial für Zukunftstauglichkeit ist jedenfalls da und sollte auch erkannt werden.
Günther Ziehlinger ist aus Linz. Hauptamtlich in der Kapu tätig, aber auch Stadtsoziologe, Musiker und Radfahrer.