Internet ist nach wie vor der Hype – doch Hypes bleiben immer gerne an der Oberfläche und verheißen auch nicht immer Gutes. Kein Wunder also, daß Kultur- und MedienpolitikerInnen überfordert sind, wenn sie mit den Neuen Informationstechnologien konfrontiert werden. Kein Wunder aber auch, daß die Freie Szene noch nicht alle Chancen des Internet für sich nutzen konnte.
von Andrea Mayer-Edoloeyi
Die GFK OÖ hat in diesem Kontext die Initiative ergriffen: herausgekommen ist eine Studie von Sabine Bauer, einer Philosophin und Networkerin aus Wien, erschienen im Mai 1998. Ziemlich theoretisch, so gar kein „Internet-Handbuch für Dummys“, aber spannend – und vielleicht ein bißchen ein Handbuch für EntscheidungsträgerInnen in diesem Bereich. Aber auch Input für die Szene selbst, um die Debatte über Neue Medien zu vertiefen und zu verbreitern. Die Autorin steht den Neuen Medien durchwegs positiv gegenüber, wenngleich sie auch auf die Gefahr von vertanen Chancen hinweist. Die Studie bezieht Position, verlangt ein Umdenken und Weiterdenken der Politik, ist aber sicherlich kein einfacher Forderungskatalog. Gründe, sich für die Durchsetzung einer demokratischen Politik im Bereich Neue Medien stark zu machen, finden sich in der Studie genug!
Kommunikation neu
Die Studie „Medium Internet und die Freie Szene“ geht davon aus, daß Meinungsfreiheit und Mediendemokratie förderungswürdige Werte sind. Die Autorin argumentiert für die politische Gestaltung des virtuellen Raums. Die Möglichkeit, im Internet selbstgestaltend und interaktiv zu wirken, bricht die traditionellen Kommunikationstrukturen auf. Öffentliche und private Kommunikation mischen sich, was insbesonders auf die Rolle der Frauen im Net Auswirkungen hat – Sabine Bauer geht auf die Rolle der Frauen überblicksmäßig ein. Die Möglichkeit der Informationsverbreitung mit dem Internet auch für Gruppen und Intiativen, die bisher wenig Chancen auf Öffentlichkeit hatten, eröffnet neue Perspektiven. Doch noch stellt gerade diese Tatsache für manche ein Problem dar – ist nun mal wirklich eine neue Kultur, wenn da plötzlich passive EmpfängerInnen zu ProduzentInnen werden.
Zugänge gestalten!
Die Studie sucht nach Indikatoren für unterschiedliche Zugänge zum Netz: Geschlecht, Bildungsstand, aber auch Verkommerzialisierung und Konzernbildung. Wird nicht gegengesteuert, können „Mautstellen“ und Zugangsbeschränkungen im virtuellen Raum entstehen. Die öffentliche Hand ist gefordert, darum in eigene Netzwerke zu investieren (z.B. in das ACOnet) und den freien Zugang zu Informationen zum Common Sense werden zu lassen. Es geht aber auch um die Gestaltung von Räumen, die einen qualitativen Umgang mit dem Internet vermitteln können. Die Studie fordert, Jugendzentren und Kulturintiativen, die ohnehin schon knappe Budgets haben, mit den notwendigen Ressourcen auszustatten. Wenn KIs durch den Mangel an finanzieller Unterstützung unterversorgt bleiben, droht die Kommerzialisierung von Kultur. Das kritisch-kreative Potential sowie das innovativ-experimentielle würden zuwenig beachtet. Es braucht eine Preis- und Förderpolitik, die Public Access (Öffentlicher Zugang und Betreuung für alle) ermöglicht.
Medienkompetenz für alle!
Sabine Bauer definiert Medienkompetenz als „eine neue Kulturtechnik erlernen, eine souveräne Handhabe zwischen Informationsselektion und technischen Grundverständnis erwerben“. Dem „Informational-Over-Kill“ kann nur die Emanzipation von der Informationsfülle zur Informationsstrukturierung entgegengesetzt werden. Technologie als Selbstzweck ist zuwenig. „The medium is the message“ klingt zwar gut, doch ist immer mehr Content (Inhalt) gefragt. Unser traditionelles Bildungswesen ist mit der Vermittlung dieser neuen Kulturtechnik größtenteils überfordert – Medienkompetenz muß an Orten außerhalb der Schulen genauso vermittelt werden. Die Autorin spürt hier der besonderen Qualität von Orten nach, wo Kunst produziert wird, wo Kulturarbeit passiert. Verbindend ist hier die Wahrnehmung öffentlicher Themen. Den notwendigen sozialen Kontext, den Orte der Technikvermittlung brauchen, können Orte der Kunst und Kultur leisten: Stichwort Medienwerkstätten als Erweiterung der Funktion von KIs. Soziokultur und Technik verbinden!
Die Freie Szene hat durch die langjährige Praxis Kompetenzen aufgebaut und erworben, die im Kontext der Vermittlung von Medienkompetenz entscheidend sind und ist geeignet, eine VorreiterInnenrolle bei der demokratischen Gestaltung des virtuellen Raums einzunehmen. Nur wenn es gelingt, ein sozio-kulturelles Umfeld mit technologischen Know-How zu verbinden, gelingt der Brückenschlag zwischen kulturellem Engagement, Innovation und integrativ wirkendem gesellschaftspolitischen Potential. Kulturinitiativen proben schon immer neue Formen des Miteinanders, sie können auch im Net ein neues kulturelles Klima entstehen lassen. Die Studie stellt in diesem Zusammenhang fest: „Kulturinitiativen leisten einen wertvollen Beitrag in der Vermittlungsarbeit der neuen Kulturtechnik Internet, in dem sie z.B. sinnhafte Navigationshilfen in Datenlandschaften anbieten und kritisch kommentieren. Kunst- und Kulturschnittstellen etablieren elektronische Räume“. So Projekte wie der Wiener Kulturserver Public Netbase (http://www.tØ.or.at), das oberösterreichische Projekt servus.at (http://www.servus.at) oder das elektromagnetische Kulturmagazin der Virtuellen Akademie Nitscha (http://www.van.at). Auffahrt zum „Cultural Highway“?
KIs in Oberösterreich wurden mittels einer eMail-Umfrage über ihre Erfahrungen mit dem Internet und ihre Forderungen an die Politik befragt. Es gibt viel Know-How und Interesse. Eine Hemmschwelle, warum sich das Internet in den KIs nicht noch mehr durchsetzt, werden die mangelnde Infrastruktur und die fehlenden Ressourcen angegeben. Zwar stellt ein einfacher Internet-Zugang kaum ein großes finanzielles Problem für KIs dar, größere Projekte (Content!) sind aber mit den vorhandenen finanziellen Mitteln nicht leistbar. Sabine Bauer schlußfolgert, daß eine Technologie-Offensive auf dem Papier auch für die KIs zuwenig ist. Um das große Potential an mitgestaltenden Kräften und das visionäre Engagement zu nutzen, braucht es – unabhängig von den bereits bestehenden Subventionen – Förderungen im Bereich Neue Medien für die Kulturszene. Es sollte sowohl Basisförderungen für die Infrastuktur, Projektförderungen, Förderungen von Arbeitsplätzen wie die langfristige Sicherung von Förderungen geben. Eine verantwortungsvolle und ernstzunehmende Förderpolitik muß einen „Cultural Cyberhighway“, die regionale Anbindung von Kulturinitiativen über Kulturserverknoten, unterstützen. Derzeit stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit das ACOnet, der Education Highway und der ASN (Austrian School Network). Um Bildung und Kultur zu verbinden, sollte, so fordert die Autorin, den Kulturservern die gleiche finanzielle Aufmerksamkeit zukommen wie den staatlichen Lerninstitutionen. Schnittstellen zwischen Bildung und Kultur könnten einander bereichern. Konkret heißt das, die Forderung nach der Öffnung der Bildungsnetze und der kostenfreie Zugang zum ACOnet. Darüber hinaus braucht es eine weitere Senkung der Telefontarife im regionalen Raum (50-km-Zone), aber auch eine bewußte Förderung von Public Access Points mittels der Schaffung von Infrastrukturen im Leitungsbereich und durch eine Zusatzförderung für KIs. Bandbreiten sind nötig, um gerade aufwendigere Multimediadaten (Video, Musik, Film) zu übertragen. „Gebt uns endlich schnellere Leitungen!“ Sabine Bauer: Medium Internet und die Freie Szene Informationsgesellschaft und Demokratiepolitik in Österreich Studie im Auftrag der OÖ. Gesellschaft für Kulturpolitik, Linz, 1998