Du bist seit 12.8.02 offiziell Geschäftsführer der Radio FRO GesmbH. Dein Lebenslauf weißt eigentlich nichts „radiospezifisches“ auf. Wie bist du dann zum Radio gekommen?
Mit meinem Vorgänger Alexander Baratsits habe ich seit mittlerweile drei Jahren zu tun. Zu Radio FRO bin ich letztes Jahr im Mai gestoßen, als Verantwortlicher für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit.
Hast du vorher schon Radio Erfahrung gehabt? Nein. Mit dem Medium Radio habe ich mich vorher nur am Rande beschäftigt. Aber bei meinem ersten Kulturprojekt war ich an einer Piratenradiosache im Bregenzerwald beteiligt. Das war 1993. Seit vier Jahren bin ich jetzt in Linz.
Ist das nicht ein relativ grosser Sprung vom Marketingbeauftragten zum Geschäftsführer eines der grössten freien Privatradios Österreichs? Gibt es da konkrete Zielvorstellungen dir gegenüber bzw. von dir an Radio FRO? Am Anfang geht es sicher darum, die Arbeit, die Alexander Baratsits gemacht hat, und die Arbeit, die bisher vom Team geleistet wurde, weiterzuführen. Die Vorgaben sind nicht gering, die Messlatte von Haus aus nicht gerade niedrig. Es ist einiges in Arbeit, das sehr wichtig ist für die nächsten Jahre von Radio FRO, wichtig für das Programm, für die Schwerpunkte, die wir setzen wollen, und für unsere Präsenz und Position in der Öffentlichkeit. Der Sprung vom Marketing zur Geschäftsführung ist in den letzten Monaten fließend gegangen, indem ich sozusagen schrittweise die Agenden von Alexander Baratsits übernommen habe.
Radio FRO hatte immer eine VorreiterInnenrolle inne, was den Bereich der freien Radios in Österreich betrifft. Spürst du hier einen Leistungsdruck den man als Radio FRO hat, ist der „Zwang“ IdeenvorreiterIn zu sein?
Dieser Punkt liegt mir sehr am Herzen, weil es sicher nicht nur darum geht sich darauf zu beschränken, das Projekt Radio FRO laufen zu lassen und die nächsten Jahre Verwaltungsarbeit zu machen. Es geht nach wie vor um Strategien, Ideen und Visionen, um diese „VorreiterInnenrolle“ auch in den nächsten Jahren ausfüllen zu können. Wir möchten wieder vermehrt das „Medium Radio FRO“ für inhaltliche Arbeit nutzen. Mit neuer Technik und vor allem personellen Erweiterungen sind wir nach der Krise von 2000 jetzt wieder dazu in der Lagen. Und wir möchten mehr präsent sein, also auch mehr Leute erreichen. Hier gilt es – vor allem was die Programmreform betrifft – intelligente, kreative Lösungen zu finden.
Stichwort Programmreform. Mit Herbst soll ein neues, reformiertes Programm starten. Was ist der Anlassfall bzw. der Hintergedanke, was wird damit erreicht?
Konkreter Anlassfall ist einerseits, dass die Zusammensetzung des Programms für die HörerInnen sehr schwer nachvollziehbar ist. Die breite Palette an unterschiedlichen Sendungen ist nicht nur ein Vorteil von Radio FRO. Es ist sehr schwer, sich als HörerIn punktuell etwa genau die halbe Stunde im Monat heraus zu picken, die für jemanden interessant ist. Ein Ansatzpunkt ist also ein in bestimmten Bereichen und Themen durchgehendes, hörbares und nachvollziehbares Programm. Auf der anderen Seite wollen wir mit der Aufwertung der Frozine-Redaktion (täglich von 18:00 bis 19:00, WH 12:30 bis 13:30) einen inhaltlichen Schwerpunkt setzten. Also vermehrt kritische und engagierte journalistische Arbeit machen.
Freies Radio wird oft als DienstleisterIn für eine offene demokratische Gesellschaft definiert. Was du angesprochen hast ist sozusagen die Kehrseite der Medaille, dass es schwer fällt so etwas wie eine corporate identity innerhalb eines Senderkonzeptets zu etablieren.
Ich glaube, die Idee einer Corporate Identity ist hier nicht griffig. Da denke ich sofort an eine Art „alternatives“ Life-Radio. Das hat für mich keinen Sinn. Die unglaubliche Vielfalt – auch der Identitäten – ist ja gerade das Interessante an Radio FRO. „Open Access“, freier Zugang zum Medium Radio, dass ja einer der Grundpfeiler vom Projekt Radio FRO ist.
Heute klingt es ja schon sehr widersprüchlich Radio als ’neues Medium‘ zu verkaufen. Ist es noch möglich, in der zunehmenden Medialisierung und der Fokussierung auf eine schnelllebige Medienwelt, Radio als kulturpolitisches Element zu sehen, als einen Schwerpunkt in der Medienwelt, oder muss man sich eingestehen, dass das überholt ist?
Also aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass es stimmt: Radio ist ein ‚veraltetes Medium‘. Aber auf der anderen Seite können wir mit diesem ‚traditionellen‘ Medium unser zur Zeit wahrscheinlich interessantestes und wichtigstes Zielpublikum, die MigrantInnen, besser erreichen als mit der aufwendigsten Web-Seite. Eines der Ergebnisse einer Studie über das mehrsprachige Programm auf Radio FRO, die Karoline Rumpfhuber, Publizistin aus Linz, für uns erstellt hat, ist, dass die HörerInnen und ProduzentInnen insbesondere aus dem MigrantInnenbereich, das „veraltete“ Medium Radio besonders ernst nehmen. Das ist natürlich eine Zugangsfrage. Tatsache ist, dass – und nicht nur in diesem Bereich – Radio auch angesichts der „schnelllebigen Medienwelt“, die du ansprichst, eine wesentliche politische, kulturelle und informative Funktion haben kann und auch hat. Die Flüchtigkeit des Mediums Radio, die immer wieder zitiert wird, die existiert bei FRO sicher zum Teil dadurch, dass wir im letzten Jahr die eigene Redaktion sehr vernachlässigt haben. Eines unserer wichtigsten Ziele ist es deshalb, auch aktuell wieder relevant zu sein und aktuelle kulturpolitische Berichterstattung zu machen.
Stefan Haslinger