Glückshormone im Parlament

Udo Danielczyk war von der Enquente zum Internationalen Jahr des Ehrenamts wenig begeistert.

 

Ein ganzes internationales Jahr der Freiwilligen, zu dem die UNO das Jahr 2001 erklärt hatte, durften acht Arbeitskreise eines Nationalkomitees Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ehrenamtlich Tätiger ausarbeiten. In diesem Rahmen wurde auch über Form und Sinn eines Ehrenamtspasses diskutiert. Nach Abschluss der Arbeitskreise hat das BMSG, auch bekannt als Sozialministerium, eine Studie dazu in Auftrag gegeben. Neben einem Freiwilligen-Manifest und Ergebnissen der Arbeitskreise wurden auch Auszüge dieser Studie im Rahmen einer Enquete zum Internationalen Jahr der Freiwilligen im Juni im Parlament präsentiert.

Als einen Themenschwerpunkt des Arbeitskreises „Grundsatzfragen des Ehrenamts“ definierte das federführende Sozialministerium die „Einführung von Nachweisen ehrenamtlicher Tätigkeit für Freiwillige als Grundlage in der Berufslaufbahn (z. B. Einführung eines Freiwilligenpasses)“, und legte noch während der Diskussion über Sinn und Form eines solchen Passes der Arbeitsgruppe für Öffentlichkeitsarbeit einen selber erarbeiteten Entwurf dafür vor.

Dieser verpflichtende Ehrenamtspass, schön brav mit Amtssiegel und dem Vermerk „ausgestellt durch das Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen“ versehen, soll gleichermaßen Art und Umfang der freiwilligen Tätigkeiten des/r Inhabers/in dokumentieren wie Nachweis über erworbene Qualifikationen sowie Fortbildungen sein. Die Ehrenamtlichen hätten damit das große Los gezogen, so die Meinung des Ministeriums und auch vieler Organisationen, könnten sie doch endlich mit ihren öffentlich bestätigten Ehrenämtern protzen und so ihr Selbstwertgefühl heben. Und natürlich auch diesen Pass bei Bewerbungsgesprächen vorlegen und mögliche (noch nicht definierte) Vergünstigungen bzw. Gegenleistungen der öffentlichen Hand oder der Privatwirtschaft in Anspruch nehmen. Klingt im ersten Moment ja durchaus vernünftig: so könnte ehrenamtliche Tätigkeit z.B. endlich sozialrechtlich abgesichert werden (durch Unfallversicherung oder gar durch Anrechnung der Tätigkeit auf die Pensionszeiten. Auch könnte dieser Nachweis bei einer (immer unwahrscheinlicher werdenden) Einstellung in den öffentlichen Dienst angerechnet werden.

Bei näherer Betrachtung ergeben sich viele Probleme praktischer und ideologischer Natur. Ein Ehrenamtspass ohne konkrete, öffentlich garantierte Gegenleistung dient hauptsächlich der Selbstbestätigung der Tätigen und dem Image der Organisation. Dann soll es allerdings jeder Organisation freigestellt sein, ob bzw. in welcher Form sie so einen Nachweis ausstellt. Wie es ja viele Organisationen bereits tun. Sind öffentliche Benefits mit dem Pass verbunden, stellt sich schnell die Frage, wer berechtigt sein wird, diese Pässe auszustellen – und somit ehrenamtliche Tätigkeit anzuerkennen oder auch nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass es allen Organisationen, in denen Ehrenamtliche tätig sind, gestattet wird, diese Nachweise selbst auszustellen. Es wird also eine (halb)öffentliche Instanz geschaffen werden müssen, bei der um Anerkennung ehrenamtlicher Tätigkeit angesucht werden muss. Diese Stelle hat dann zu entscheiden, ob z.B. wiederholtes, jahrelanges Aufbauen einer Ton- und Lichtanlage bei Veranstaltungen ausreicht, um in den Genuss dieser Benefits zu kommen. Somit entsteht hier eine Kontrollinstanz, die gleichermaßen über die Wertigkeit verschiedener Tätigkeiten, aber auch verschiedener Organisationen zu entscheiden hätte.

Letztendlich führt das zu einer Zweiklassen-Gesellschaft des Ehrenamts bzw. der Organisationen. Auf der einen Seite gesellschaftlich anerkannten Bereiche und große Organisationen (vom Sozialbereich über Feuerwehr und Bergrettung zum bis hin zum Sportverein), auf der anderen Seite kleine Vereine und kritische Beschäftigung in allen denkbaren Feldern, von der Zeitkultur bis hin zur Gesellschaftspolitik. Es ist kaum anzunehmen, dass eine Stelle im Auftrag der Regierung hier nicht wertende Maßstäbe anlegen wird. So werden sich MitarbeiterInnen solcher Organisationen gut überlegen, ob sie ihre Tätigkeit anerkennen lassen wollen, immerhin wird dadurch die Mitarbeit in möglicherweise unliebsamen Organisationen auf Jahre hinaus gespeichert und (siehe Spitzelaffäre) irgendwann auch politisch eingesetzt werden.

Dieses Ehrenamtsjahr war natürlich ein guter Vorwand neo-liberale Konzepte einer Bürgergesellschaft weiter voranzutreiben. Je besser abgesichert, je anerkannter ehrenamtliche Tätigkeit ist, um so leichter kann sich der Staat aus seinen Verpflichtungen zurückziehen und immer mehr Bereiche der Eigenverantwortung und -finanzierung der Einzelnen überlassen. Dies sagte auch NR-Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP) bei einer Diskussion im Rahmen der Enquete deutlich: Der Staat solle nur mehr Aufgaben übernehmen, die der Einzelne oder Gruppen nicht übernehmen können.

Das Zitat des Tages gebührt allerdings Beate Hartinger: ehrenamtliche Tätigkeit sei gut für das Gesundheitssystem, so die NR-Abgeordnete der FPÖ. Durch die Anerkennung, die Ehrenamtliche für ihre Tätigkeit erfahren, würden so viele Glückshormone ausgeschüttet, dass mensch einfach gesünder lebe.

Udo Danielczyk

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der IG Kultur Österreich. Der Artikel erschien in leicht geänderter Fassung bereits in den Kulturrissen.

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