Reduktionen über dem Bundesschnitt

Die Wiener Situation in Sachen Kulturpolitik findet Ulli Fuchs nicht sehr rosig.

 

Die Serie der Berichte über die kulturpolitische Situation in den anderen Bundesländern beleuchtet diesmal die Situation in Wien ein Jahr nach dem Wechsel des Kulturressorts von Marboe (VP) zu Mailath-Pokorny (SP) und im Spannungsfeld zur Bundespolitik.

Ausgehend von der Tatsache, dass das Bundeskanzleramt 50,2 Prozent von einem Gesamtkulturbudget von 80 Millionen Euro für das Wiener Kulturleben zur Verfügung stellt und seit dem Jahr 2000 die Kunstfördermittel im Schnitt um 11,8 Prozent gekürzt habe, so der Wiener SPÖ- Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (zit. im Standard-online vom 21.3.), ergebe das in den Jahren 2000 bis 2002 eine Gesamtsumme von 14.205.998,42 Euro, um die sich die Bundesförderung für (ausschließlich) Wiener Kunst- und Kulturinstitutionen reduziert habe. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass der Bund auch bei Bundesinstitutionen in Wien kürzt, dass der Bund das “Subsidiaritätsprinzip“ noch strenger auslegt als bisher und die Rahmenbedingungen für die Kulturschaffenden insgesamt schwieriger geworden sind. Die massiven Kürzungen des blauschwarzen Bundes treffen also die WienerInnen überproportional hart.

Umso schwerer tut sich Mailath-Pokorny, wenn auch noch zusätzlich das Wiener Budget keine großen Sprünge oder Würfe zulässt: Das Kulturbudget 2002 umfasst 173.256.000 Euro, allerdings inklusive der erstmals ressortmäßig ausgewiesenen Personal- und Sachkosten (10,266 Millionen Euro) als auch der neu ins Ressort gekommenen Mittel für Forschung und Wissenschaft (6,43 Millionen Euro) -korrekt gerechnet ergibt das eine Kürzung von rund 3,2 Prozent gegenüber 2001. Dennoch bemühen sich Mailath-Pokorny und seine MitarbeiterInnen, so gut es geht, da, wo der Bund auslässt bzw. streicht, einzuspringen und zu helfen. Doch das ist, wie deutlich ersichtlich, nur begrenzt möglich. Die Stadt Wien “rettet“ die Public Netbase, unterstützt den vom Bund fast komplett gestrichenen Kosmos.Frauen.Raum. mit über 363.000 Euro und hilft dem Freien Radio Orange 94.0.

Mailath-Pokorny verabsäumt es auch nicht, Wien und die SPÖ damit zu profilieren – obgleich er die kämpferische und grundlegende, ideologische Auseinandersetzung und Konfrontation mit der rechtsrechten Bundesregierung scheut. Seit etwa einem Jahr regiert in Wien nun die Sozialdemokratie mit absoluter Mehrheit. Mailath-Pokorny, der Kultur- und Kunstschaffenden als Bundesbeamter gut bekannt war, hielt sich mit seinen Konzepten zunächst recht lange bedeckt, erweist sich mittlerweile zunehmend als braver Sozialdemokrat. Also keine großen Utopien, keine großen Worte oder Reden, aber solide Verwaltung und Menschenfreundlichkeit. Er geht wie sein Vorgänger Marboe in die Bezirke und bemüht sich, den Eindruck zu erwecken, sich jedes Problems persönlich anzunehmen.

Dennoch ist es bis jetzt noch nicht gelungen, ihn dazu zu bewegen, die Forderungen nach mehr Freiraum für die Kunst und die Kulturarbeit zu unterstützen. Das würde gar nicht viel kosten, da geht es nicht nur ums Geld – wie sonst leider so häufig in dieser “Branche“. Es gibt vieles, das getan werden kann, um die Arbeits- und Lebensbedingungen der KulturarbeiterInnen zu verbessern, das einfach nur guten Willen und ein Konzept, eine kulturpolitische Haltung erfordert. Mittlerweile gibt es verschiedene Offensiven zur Erweiterung der Kunst im öffentlichen Raum, der Kulturarbeit in Parks und Fußgängerzonen. Straßenkunst ist wieder ein sehr interessantes Thema geworden. Die Rückeroberung des von Privatisierung bedrohten öffentlichen Raumes stellt einen wichtigen Schwerpunkt nicht nur für die IG Kultur Wien dar.

Die absonderlich strengen Gesetze und Auflagen zur Durchführung von Veranstaltungen in Wien, die noch von der Angst vor Katastrophen wie dem Ringtheaterbrand im 19. Jht. herrühren, bedürfen dringend einer Abänderung, und auch die Vergnügungssteuer, die erst vor kurzem novelliert wurde, sollte grundlegend geändert werden. In Wien wird nämlich “Publikumstanz“ mit 15 % besteuert, ungeachtet dessen, in welchem Rahmen selbiger stattfindet. Auf dieses Thema haben sich nun die Wiener Grünen mit ihrer Kultursprecherin Marie Ringler geworfen: Die “Tanzsteuer“ soll komplett abgeschafft werden. Allerdings stellen sich die Wiener Grünen mit ihrer Argumentationslinie aber vorrangig den kommerziellen Party- und EventveranstalterInnen zu Diensten, wie sie auch insgesamt eine eher eigenartig verquere neoliberale Linie fahren. Sie führen ausgiebigen Diskurs zu dem so hahnebüchenen Thema der “Creative Industries“, also einem Zusammenwirken von Wirtschaft und Kultur, das aber in Wien jeglicher Grundlage entbehrt.

Insgesamt bleibt also zusammenzufassen, dass es wieder bzw. nach wie vor ein weiter Weg zu einem demokratischen und partizipativen, umfassenden Kulturverständnis ist und dass wir KulturarbeiterInnen es auch in Wien nicht leicht haben. Wir kämpfen gegen die blauschwarze Bundesregierung und haben aber auch auf der kommunalen Ebene keine “gemähte Wiese“.

Ulli Fuchs

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