Ein Stück vom Gemeindekuchen

sollte sich die Kultur abschneiden

 

von Uli Böker

Gemeinde Soziologisch gesehen, ist die G. eine lokale Einheit mit (nach außen) abgrenzbaren sozialen Handlungsgefügen und gemeinsamen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen der betroffenen Bewohner. Nach der für den Menschen „primären“ Familie wird, neben Schule und Nachbarschaft, die G. als wichtigstes elementares Sozialsystem betrachtet, in dem erste „sekundäre“ Sozialbeziehungen erlebt werden können……..

Kultur das von Menschen zu bestimmten Zeiten in abgrenzbaren Regionen in Auseinandersetzung mit der Umwelt, in ihrem Handeln Hervorgebrachte (Sprache, Religion, Ethik, Institutionen, Recht, Technik, Kunst, Musik, Philosophie, Wissenschaft); auch der Prozeß des Hervorbringens der verschiedenen K.inhalte und -modelle und entsprechender individueller und gesellschaftlicher Lebens- und Handlungsformen……..

Entwicklung naturwissensch. und älterer/kulturphilosophischer Grundbegriff sowie der Geschichtsphilosophie und -schreibung. Soziologie und Sozialgeschichte zur Kennzeichnung des Prozesses der Veränderung von Dingen und Erscheinungen als Aufeinanderfolge von verschiedenen Formen und Zuständen………

Drei einzelne Worte – jedes für sich sehr gewichtig. Fügt man/frau diese drei Worte zusammen, so entsteht:

Gemeindekulturentwicklung

Somit ein dreifach schwergewichtiges Wort, kaum zu glauben. Denn fragen wir danach, welches Gewicht diesem bedeutenden, schwergewichtigen, zusammengesetzten Hauptwort in den meisten Gemeinden beigemessen wird, dann müssen wir feststellen, daß dieses Wort seiner Bedeutung nicht gerecht wird. Denn es wiegt in den Gemeinden ganz allgemein sehr wenig. Im Wörterbuch einer Gemeinde finden wir dieses Wort unter Repräsentation. Damit es auch wirklich repräsentationsfähig bleibt, wurde und wird diesem Wort ständig die Teilhabe am gemeinsamen „Gemeindekuchenessen“ sprich Gemeindebudget verweigert. Manchmal – bei guter Laune der Gemeinderegierung – darf ein schmales Stückchen mitgegessen werden. In Zeiten wie diesen hält man, besonders im Bereich der Repräsentation, etwas auf die schlanke Linie – darum darf Gemeindekulturentwicklung im Budget nicht mit großen Kuchenstücken bedacht werden. Außerdem hat dieses Wort – ach wie schäbig – doch nichts oder nur sehr wenig mit finanziellen Mitteln zu tun. Nein, viele ehrenamtlich arbeitende Frauen und Männer stellen ihre Freizeit zur Verfügung und das genügt, um Kultur leben zu lassen.

Genug der Polemik – möglicherweise hat dies eine lange Zeit auch genügt. Die Zeiten jedoch haben ihre Spuren hinterlassen. Die Kultur bzw. Kunst hat nun die Aufgabe, die rasenden Veränderungen dieser Gesellschaft wahrzunehmen, um in der Folge Zeichen zu setzen, Unwuchten im System zu durchbrechen, Ungerechtigkeiten zu bekämpfen und vieles mehr. In vielen Gemeinden ist die Kulturpolitik ein bloßes Repräsentationsinstrument der BürgermeisterInnen bzw. der Mehrheitsparteien. Insbesondere zeitkulturellen Aktivitäten wird seitens mancher Gemeindeoberhäupter viel Skepsis und Ablehung entgegengebracht. Um der Notwendigkeit von (Zeit-)Kultur für ein funktionierendes Gemeindeleben Ausdruck zu verleihen erhebt die KUPF in ihren Zumutungen die Forderung nach Erstellung eines „Kulturleitbildes“, der Einrichtung eines Kulturbeirates für GemeindevertreterInnen, die Veröffentlichung von Förderkriterien gemäß dem „Kulturleitbild“ und die Öffnung der Kulturausschüsse – so die Kurzfassung aus dem Forderungskatalog „Zumutungen“

In vielen Gemeinden OÖ. wurden im Zuge des Ortsentwicklungsprozesses in den zuständigen Arbeitskreisen Konzepte im Zusammenhang mit Kulturentwicklung ausgearbeitet. Wirkungsvoll sind jedoch nur Maßnahmen, die durch Gemeinderatsbeschlüsse im Leitbild verankert werden. Doch siehe da, am Beispiel einer Gemeinde in OÖ, in welcher der Arbeitskreis Kultur (überparteiliche Zusammenssetzung) die Einrichtung eines Kulturbeirates bereits in einem sehr ausgearbeiteten Konzept an den dafür zuständigen Ausschuß übergab, geschah folgendes. Der Auschuß nahm einstimmig diesen Vorschlag an, und empfahl dem Gemeinderat die Einrichtung dieses Gremiums. Doch in der darauffolgenden GR-Sitzung passierte das Unglaubliche. Die Zustimmung wurde mehrheitlich zur Einrichtung dieses beratenden, unentgeltlich arbeitenden Gremiums verweigert. „Ja, was würde denn diesem doch so kleinen Gemeindekuchenstück für eine Bedeutung beigemessen. Die geringen Mittel, die für Kultur zur Vefügung stünden, wären es wohl nicht wert, auch noch mit einem inhaltlich arbeitenden Gremium unterstützt zu werden. Also wieder zurück in den Ausschuß und möge es sich dort wieder auf seine Diät besinnen.“

Gemeinderatssitzungen sollten von vielen BewohnerInnen einer Gemeinde besucht werden, dort kann man/frau feststellen, wie es um die „Kultur“ in einer Gemeinde bestellt ist. Kultur kann und darf nicht zur „Fußnote“ in den Gemeinden degradiert werden. Sie ist die Grundlage für gemeinschaftliches Leben. Solange die Kulturbudgets in den Gemeinden nur 0,..% betragen, müssen wir versuchen, die Verantwortlichen aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. Der Stellenwert der Kultur muß immer wieder durch Aktionen, Diskussionen, Informationen und Interventionen vor Augen geführt werden. Das ist Aufgabe von in Kulturinstitutionen arbeitenden Frauen und Männern. Provokant stelle ich hier die Frage: Ist es wertvoller, an der Produktion eines Autoreifens mitzuarbeiten, oder im Non-Profit-Bereich kulturelle Aufgaben wahrzunehmen? Wer sagt, daß das eine erwerbsmäßig bezahlte Arbeit und anderes selbstverständlich ehrenamtlich abgeleistet werden muß? Wer bestimmt hier den Stellenwert des Tuns? Doch noch immer wiegt das Kapital um vieles mehr als der Einsatz von Humanressourcen – eine bedenkliche Situation. Gemeindekulturentwicklung, die Altes und vor allem auch Neues zuläßt, die eine lebendige Kulturszene unterstützt – ist Garant für eine demokratische Gesellschaft.

„Wer Schöpferisches, Experimentelles, Unkontrollierbares und Neuartiges nicht zuläßt, schlägt die Tür zur Zukunft zu“ (Artikel 2 der Guttenbrunner Erklärung)

 

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