Anfangspunkt

Nachträgliche Gedanken zur „Medienkonferenz Linz 1999. Kurskorrekturen zur Kultur- und Medienpolitik“

 

von Aileen Derieg

Während der zweitägigen Konferenz kam immer wieder eine Art Aufbruchsstimmung, ein gewisser Optimismus auf, nämlich dann als es um den Erfolg der freien Radios beim Europäischen Gerichtshof ging, womit eine Öffnung des staatlichen Monopols für die freien Radios erzwungen wurde. Angesichts der tristen Situation der unabhängigen Printmedien konnte sich der Optimismus aber nicht lange halten. Dabei schwenkte der Blick immer wieder auf „die Politik“. Nachdem Oliver Marchart in seinem Vortrag auf sehr unterhaltsame Weise die Handlungs- und vor allem Konfliktunfähigkeit der Regierung dargestellt hat, haben vier Politiker bei der Abschlußpodiumsdiskussion diese Lage ausführlich veranschaulicht. Zwischen diesen beiden Polen wurde auf vielfältige Weise eine klare „Sie vs. uns“ Konstellation aufgebaut. In der „Linzer Erklärung 1999“ heißt es ausdrücklich: „Die Linzer Erklärung ist als Handlungsanleitung an die Politik gerichtet.“ „Die Politik“ heißt konkret der Staat, die Republik Österreich. Und wie die „Linzer Erklärung“ feststellt: „Medienpolitik ist Kulturpolitik … Hier trägt der Staat die Verantwortung für die Schaffung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen…“ Der Hintergrund dieser Forderung wurde auch immer wieder bei der Medienkonferenz schlüssig formuliert. Meinungsfreiheit ist eine der wichtigsten – wenn nicht überhaupt die wichtigste – Voraussetzung für Demokratie. In diesem Sinne ist die freie Marktwirtschaft alles andere als demokratiefördernd, da sie Konzentrationstendenzen begünstigt, womit sich die Meinungsfreiheit leise verabschiedet, da einfach keine anderen Stimmen wahrgenommen werden können. Ein freier und demokratischer Staat, der sich als solcher ernst nimmt, kann es sich nicht leisten, sich ausschließlich auf „Marktinteressen“ zu verlassen. Das in der Linzer Erklärung ausformulierte Ziel ist „eine pluralistische Informationsgesellschaft mit lokaler Verankerung, uneingeschränkter Meinungsfreiheit und künstlerischen und kulturellen Inhalten in freien und nicht-kommerziellen Medien.“ Der Tenor der Medienkonferenz in Linz war in erster Linie ein Ermahnen der Verantwortung der politischen Entscheidungsträger, das eine finanzielle Verantwortung impliziert. Diese Haltung wurde oftmals als ein Angebot zur Bündnisbildung gegenüber den rein kommerziellen Interessen spürbar: Freie Medien und Demokratiebestrebungen müßten/sollten/könnten sich gegen eine freiheitsfeindliche, globale Kommerzialisierung verbünden. Doch das Mißtrauen ist groß. Wie Andrea Grisold fragt: „Wird das ‚öffentliche Interesse‘ in den Mittelpunkt gestellt oder Marktinteressen?“ Die Entscheidung ist offensichtlich noch nicht gefallen.

Interessanterweise wird in der „Amsterdam Agenda“ (Ergebnis der Konferenz „From Practice to Policy: Towards a European Media Culture“, Oktober 1997, Rotterdam und Amsterdam), die als Hintergrundinformation zur Linzer Medienkonferenz angegeben wurde, weniger auf staatliche Förderung Bezug genommen. In der Amsterdam Agenda wird ein gemeinsames Interesse von Medienkultur und Politik vorausgesetzt, da Medienkultur kritische Diskussionen über die gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen des technologischen Wandels fördert. Hier wird mehr auf die nicht unproblematischen Wechselbeziehungen zwischen Medienkultur und Industrie eingegangen, wobei festgestellt wird: „Medienkultur ist am produktivsten, wenn sie an der Schnittstelle zwischen Kunst und Industrie arbeiten kann, ohne in einem der beiden Feldern voll integriert zu werden.“ Doch wenn es in erster Linie um Fragen der relativen Positionierung geht – wer mit wem und wer gegen alle – bleibt wenig Raum für Differenzierung innerhalb der so abgegrenzten Gruppierungen. Was heißt hier „wir“? Diese Frage ist sehr wohl mehrmals bei der Linzer Medienkonferenz aufgetaucht, aber auch schnell wieder beiseite geschoben worden: Diese Frage können „wir“ uns in der jetztigen Situation nicht leisten; „wir“ müssen zusammenhalten, um politische Forderungen durchsetzen zu können. Doch Hinweise auf die Dringlichkeit gerade dieser Frage tauchten ebenfalls immer wieder auf, besonders wenn es um relativ konkrete Finanzierungsvorschläge ging. Solange es nämlich unklar ist, wer mit „wir“ gemeint ist, besteht die – erfahrungsgemäß realistische – Gefahr, daß verschiedene Gruppen innerhalb der Medienkulturszene gegeneinander ausgespielt werden können, z.B. Förderungen für Netzkultur auf Kosten der alternativen Zeitschriften, Unterstüztung für etablierte, prestigeträchtige Organisationen auf Kosten kleinerer Initiativen usw.

Ein undifferenziertes „Wir“-Denken führt zum voreiligen Schluß, daß „wir“ „die Guten“ sind. Eine permanent oppositionelle Haltung ist allerdings kein Garant für Authentizität und hehre demokratische Absichten, sondern ermöglicht es, daß Eigeninteressen mit Aufrufe zur Solidarität leichter verschleiert werden können. Wenn von der Politik Meinungsvielfalt und Konfliktfähigkeit gefordert werden, dürfen diese in der Medienkulturszene ebenfalls nicht fehlen.

In der Präambel zur Linzer Erklärung heißt es: „Diese Konferenz ist der Beginn einer weiterführenden Kooperation und Diskussion.“ Ein Anfangspunkt wurde also gesetzt, jetzt wird es wichtig sein, einen Weg einzuschlagen, der auch weiterführen kann.

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