Wird das Budget knapp, stellt sich die Frage: Was hat OÖ. Kulturpolitik noch zu bieten?
von Eva Kósa
Wir haben dafür zu sorgen, daß die Talente, die Kreativität, …, gerade in einer Zeit, die das Ökonomische sehr betont, gefördert werden. (LH Pühringer bei der Kultursprecherdiskussion in: KUPF, 72/3/97)
Daß sich ein Land wie Oberösterreich Kultur eben leisten muß, ist Common Sense. Der Zweck, der alle Mittel heiligt, ist die gesellschaftliche Kompensationsfunktion: die Bandbreite der kulturpolitischen Rhetorik reicht von Ventil für Kritik (links) – über die kollektive und individuelle Erfüllung ästhetischer und emotionaler Bedürfnisse (gemäßigt) – bis wert-ethische Repräsentation resp. Identitätsstiftung von/für Heimat, Staat oder Region (rechts). Die Kulturpolitik selbst wird daran gemessen, wieviel ihr das wert ist. Das inhaltliche Vakuum wird durch einen weiten Kulturbegriff verbrämt, der Pluralismus vorgibt, statt Orientierungslosigkeit einzugestehen. Nur: da Geld zusehends knapper wird, müssen Prioritäten gesetzt werden. Und so kommen „marktpolitische“ Fragen der Steuerung ins Spiel, auf die man/frau kaum vorbereitet ist, weil sie bisher immer ausgeklammert wurden. Um das Problem zu kaschieren, werden nun allenthalben ExpertInnen-Beiräte installiert. – Was ja sinnvoll ist, weil dadurch der feudale Gestus von Kultur-(Landes)Oberhäuptern bürgernäher und dissipativ gebrochen erscheint. Wenn aber Beiräte nur die Selektion bei der Subventionsvergabe legitimieren sollen anstatt kulturpolitische Strategien und Ziele zu formulieren, bleibt es höfisches Zeremoniell moderner Prägung. Politik kann Kultur nicht einfach „erhalten“, sie muß sie kontinuierlich entwickeln: qualitativ, diskursiv und transparent. Auch ehrgeizige Festivals können da nicht punktuell kompensieren, was an kontinuierlicher, qualifizierter und differenzierter Auseinandersetzung fehlt. Kreativität allein reicht eben nicht: es braucht echte kulturelle Kompetenz auf möglichst breiter Basis. Sie ist eine generelle Grundbedingung für relevante Kunst, professionelle Kulturarbeit und qualifizierte Rezeption. Dazu ist intellektueller Input nötig. Malschulangebote an Musikschulen, damit hat man nicht schon „zur Musik die bildende Kunst“erledigt (siehe LH Pühringer beim KUPF-Round Table zur Kulturpolitik in OÖ. ). Kompetente Kulturpolitik bedeutet innovative, profilierte Bildungs-, darüber hinaus Wissenschafts- und Forschungspolitik. Wie soll sinnvolle, formative Evaluierung von Kulturarbeit stattfinden? Wo in Oberösterreich setzt sich eine problemorientierte, transdisziplinäre Kunst- und Kulturwissenschaft mit der Gegenwart auseinander? Geht die Kunstvermittlung an den Schulen inhaltlich und methodisch bis zur Gegenwart? Wie steht es mit Deregulierung und Autonomie, mit echten Organisationsentwicklungskonzepten für Musikschulen oder das Bruckner-Konservatorium? Inwieweit wird versucht, strukturpolitisch vorhandene Potentiale zu nutzen und Synergien zu schaffen, Universität und Kunsthochschule stärker einzubinden? Statt institutioneller Segmentierung wäre regionale und überregionale Vernetzung zu forcieren. Welche Weiterbildungsangebote für Kulturschaffende gibt es? (Und ich meine damit nicht Management-Seminare.) Zum Thema neue Medien: Technologie ist die eine Seite – die andere ist immer noch der kommunizierte Inhalt, die Information. Die Ablöse der Industriegesellschaft durch die Informations- und Kommunikationsgesellschaft bedeutet, daß wir uns auf dem Weg in die wissensbasierte Gesellschaft befinden, daß alle gesellschaftlichen Bereiche zunehmend verwissenschaftlichen. Kunst und Kultur bilden da keine Ausnahme. Wer ausschließlich ihre Kompensationsfunktion im Auge hat, bedient nur regressive Phantasien – und zeigt damit zugleich ein gespaltenes Verhältnis zu Gegenwart, reflexiver Rationalität und kreativem Intellekt. Kultur in der Informationsgesellschaft ist mehr als nur ein Kostenfaktor. Während man/frau hierzulande Kulturarbeit noch weitgehend als ideelle Aufgabe, ihre Leistungen als „nicht marktfähig“betrachtet, sprechen ExpertInnen anderswo bereits ganz pragmatisch von Kulturwirtschaft – in England gar von Kulturindustrie – die inzwischen mehr Arbeitsplätze stellt und mehr zum Wohlstand beiträgt als Motorenherstellung oder Schiffsbau oder Stahlindustrie. (Soweit die Ökonomie der Kultur, siehe Eingangszitat.) Wie auch immer man/frau zu dieser Entwicklung stehen mag, Faktum ist, daß Talent und Kreativität nicht reichen wird, um da mit- oder auch dagegenhalten zu können. Wenn nicht auch für „kulturelle Qualifizierung“gesorgt wird, bleibt Oberösterreich Provinz und damit kulturpolitisches Entwicklungsland. Was daher am meisten fehlt und bisher von keiner Partei in die Diskussion eingebracht wurde, ist ein kompetenter Umgang mit Kultur, ist offensive Bildungs-, Diskurs- und Wissenspolitik, sind inhaltliche Ziele und intellektuelle Positionen. Entgegen mancher Polemik schadet Intellektualität nämlich weder der Demokratie noch Kunst oder Kultur – im Gegenteil. Freilich wäre eine solche „Kultur der Politik“nicht unumstritten – aber wollte man in Oberösterreich nicht, daß es knistert?
Weitere Reaktionen auf diese Diskussion: Martin Wassermair Peter Kraml