Der KUPF-Jugendinnovationstopf unterstützte die Jugendkulturtage in St. Georgen an der Gusen. Hier ein kleiner Bericht um was alles es dabei ging.
von Andi Wahl
Was man wissen muß
Der Name St. Georgen an der Gusen und Gusen haben in manchen Regionen Europas einen unschönen Klang und reihen sich direkt ein in Ortsnamen wie Dachau, Buchenwald, Auschwitz und wie sie alle heißen, die Schreckensorte der europäischen Zeitgeschichte. In Gusen, nur etwa fünf Kilometer von Mauthausen entfernt, wurde bereits im Dez. ’39 ein Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen errichtet. St. Georgen, weitere fünf Kilometer entfernt, entwickelte sich in weiterer Folge zum bevorzugten Wohnort der SS-Angehörigen und bekam schnell den Beinamen „Klein-Paris“, in dem den SSlern (und ihren Familien) vielerlei Zerstreuung und Abwechslung geboten wurde. Kriegswichtige Bedeutung erhielten St. Georgen und Gusen ab 1944. Nach den ersten Bombardements auf die Messerschmittwerke in Regensburg, wird ein neuer bombensicherer Standort für die Düsenjägerproduktion gesucht und in St. Georgen und Gusen rasch gefunden. Des Führers Leibarchitekt, Reichsminister Speer vertrat ja schon des Längeren die Auffassung, daß es eine pure Verschwendung sei, die KZ-Insassen vollkommen unproduktiv sterben zu lassen wie die Fliegen. Statt dessen sollte man diese gewaltigen Menschenmassen für produktive Arbeit heranziehen. In nur 13 Monaten wurde in das Felsmassiv rund um St. Georgen und Gusen von KZlern ein gewaltiges Tunnelsystem geschlagen. Diese unterirdische Industrieanlage mit dem Namen „Bergkristall“ umfaßte etwa 50.000 m2 und war für einen monatlichen Ausstoß von 1250 Düsenjäger konzipiert. Etwa 90% der in Bergkristall arbeitenden KZlern kostete dieses Monsterprojekt das Leben.
Wertvolle Arbeit
Lange wurde dieses dunkle Kapitel in der regionalen Geschichte totgeschwiegen. Selbst engagierte ZeitgeschichtsforscherInnen oder Organisationen der ehemaligen KZ-Insassen kümmerten sich wenig bis gar nicht um die Geschichte von St. Georgen und Gusen. Ein Memorial um zwei Verbrennungsöfen des ehemaligen Krematoriums, das auf eine französische Privatinitiative zurückgeht, ist das einzige, das an die Greuel der NS-Zeit erinnert. 1995 wurde in St. Georgen die Plattform „75 Jahre Republik Österreich“ gegründet, der es zu verdanken ist, daß gerade dieser bis dahin verschwiegene Teil der regionalen Zeitgeschichte wieder breit ins Bewußtsein der ansässigen Bevölkerung, aber auch einiger ZeitgeschichtsforscherInnen kam. Eine treibende Kraft dieser Plattform war immer auch der Kulturverein Tribüne. Seit 1995 findet nun auch alljährlich eine eigene Befreiungsfeier in St. Georgen und Gusen statt. Den zahlreichen, auch jugendlichen Besuch dieser Befreiungsfeier aus vielen Ländern wollte nun der KV-Tribüne für ein internationales Jugendfestival nutzen, um den Dialog zwischen Jugendlichen verschiedener Nationen – als aktive Friedensarbeit – zu ermöglichen. Da Gedenkfeiern alles andere als jugendspezifische Veranstaltungen sind, sollte dies mit jugendgerechten Mitteln geschehen. Graffity-Shows, Skater-Präsentationen, Konzerte und Jugendgesprächsrunden wurden vorbereitet – und auch durchgeführt. Trotzdem hat das Vorhaben nicht in dem gewünschten Ausmaß funktioniert. Namentlich war die internationale Beteiligung nicht spürbar. Dies liegt an vielerlei Faktoren, wie etwa die (trotz aller modernen Medien) oft schwierige Kommunikation über Landes- und Sprachgrenzen hinweg. Ein weiterer wesentlicher Grund liegt auch in einer Art „Gedenkfeiern-Tourismus“. Gruppen, die von weither anreisen, wollen in der kurzen ihnen zur Verfügung stehenden Zeit möglichst viele Gedenkfeiern besuchen. Das Zusammenkommen von Jugendlichen verschiedener Nationen wurde somit vom Bestreben Erwachsener, möglichst viele Gedenkfeier hinter sich zu bringen, verunmöglicht.
Kulturarbeit heißt Improvisation
So fanden die Jugendkulturtage vor allem für einheimische Jugendliche statt. Aber auch hier gab es zahlreiche Anregungen und so manch Fremdes zu entdecken. So trafen sich verschiedene Jugendgruppen von Pfadfindern über Katholische Arbeiterjugend und Rot-Kreuz-Jugend bis hin zu Skatern im Pfarrheim, um sich gegenseitig auszutauschen und gemeinsam Anliegen zu erkennen und zu formulieren. Ausgangspunkt einer regen Diskussion waren eine Fotoausstellung, bei der sich die einzelnen Gruppen selbst darstellten und ein von Jugendlichen gedrehter Film über das „Jungsein in unserer Region“. Ein weiterer Höhepunkt dieses Wochenendes war der Empfang einer Delegation, der auch viele Jugendliche angehörten aus einer italienischen Stadt, aus der in den Kriegsjahren rund 400 Widerstandskämpfer gegen den italienischen Faschismus nach Gusen deportiert wurden. Bei der anschließenden Befreiungsfeier im Memorial kam dann doch noch etwas von der internationalen Idee auf. Jugendliche aus der Region verteilten Zettel mit ihrer Adresse und der Aufforderung, ihnen doch zu schreiben, an die ausländischen Jugendlichen. Eine Art des Kontaktknüpfens, die sich bereits im Vorjahr bewährte und zu zahlreichen Brieffreundschaften führte. Aber auch ich konnte einige Kontakte knüpfen, der Freie Chor Stuttgart (ein international besetzter demokratischer Chor), in dessen Probe ich platzte, lud mich ein, mit ihnen ihren Auftritt bei der Befreiungsfeier zu bestreiten, eine Einladung, die ich natürlich annahm. Das modellhafte an der Arbeit des
KV-Tribüne
War es das große Verdienst des KV an der Aufarbeitung der regionalen Geschichte (die in diesem Fall natürlich weit über die Regionengrenzen Aufmerksamkeit erregte) mitzuwirken, stellt sich die Tribüne nun der Aufgabe, sich wieder vor allem der Gestaltung der Gegenwart zu widmen. Hier werden die intensiven Kontakte, die in den letzten Jahren zu Organisationen und Politikern geknüpft wurden, genutzt, um eine positive Regionalentwicklung voranzutreiben. Das bemerkenswerte an dieser Arbeit ist, daß hier gelungen ist, wovon andere Kulturvereine oft nur träumen können: Ein Kulturverein gibt über weiter Strecken die Themen der Gemeindepolitik von drei nun kooperierenden Gemeinden (St. Georgen, Gusen und Langenstein) vor. Auch das eine Leistung, die nicht hoch genug bewertet werden kann und die es wert ist, daraus zu lernen. Informationen, wie sie das machen, sind jederzeit beim KV-Tribüne, Gabriela Wall, Pürach 28, 4222 Luftenberg zu erfragen.