Jüdischsein in Österreich

Drei Fragen an eine Autor*in, die in Oberösterreich lebt und lieber anonym bleiben möchte.

Wie geht es dir zurzeit damit, in Österreich aufzutreten?
Es bereitet mir Bauchschmerzen, zumindest was meine Texte mit jüdischer Thematik angeht. Seit dem 7. Oktober 2023 [Hamas-Terrorangriff auf Israel] hat sich die Situation in Österreich und Deutschland für Jüd*innen und Juden verschlechtert. Überrascht hat mich das nicht, der Antisemitismus in linken postkolonialen Communities war mir schon vorher bewusst. Erschütternd war nicht nur der Angriff, sondern auch das Versagen von Teilen der Linken, sich von der Hamas zu distanzieren. Man denke auch an die Documenta 2022 [antisemitische Stereotype wurden in künstlerischen Arbeiten reproduziert]. All dies war nur ein Vorspiel zu den Übergriffen, welche in den letzten Monaten weltweit zu Tage getreten sind. Viele Jüd*innen und Juden trauen sich nicht mehr, im öffentlichen Raum sichtbar zu sein. Auch der enorme Zulauf zur FPÖ und das Vorbeischrammen an einer blau-schwarzen Regierung unter Kanzler Kickl ist beklemmend. Der jüngste Rechtsextremismusbericht des DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands) unterstreicht das.

Wo siehst du historische Bezüge?
Meine Großeltern waren Holocaust-Überlebende, und mein Großvater hat unserer Familie eingeprägt, dass es besser ist, unsere jüdische Identität zu verheimlichen. Jüdischsein war daher für mich seit meiner Kindheit mit Angst besetzt. Ich habe versucht, mich von dieser Angst zu emanzipieren. Demokratie, Zivilgesellschaft, Freundschaften, Kolleg*innen gaben mir Vertrauen. Dieses Vertrauen wurde unter Türkis-Blau maßgeblich erschüttert. Damals arbeitete ich an einer Mittelschule mit hohem Migrationsanteil. Von oben gab es fast täglich neue rechtsextreme „Einzelfälle“ in der FPÖ, von unten seitens meiner Schüler*innen antisemitische Wortmeldungen, Hitlergrüße u. ä. Das weltweite Erstarken rechter Parteien und die Folgen des 7. Oktober wecken in mir das Gefühl, dass die Ängste der Überlebenden durchaus berechtigt waren. 


Wie können Veranstalter*innen einen sicheren Raum auf und vor der Bühne bieten?

Die Zusicherung, jeglichem Antisemitismus im Rahmen der Veranstaltung entschieden entgegenzutreten, d.h. den Übergriff deutlich zu benennen und dadurch für alle Anwesenden erkennbar zu machen, um jüdische Vortragende in der Situation nicht allein zu lassen.

Lesetipp: Isolde Vogel, Antisemitisch sind immer die anderen, erschienen in KUPFzeitung #188 im Dezember 2023 → kupf.at/zeitung/188

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